Lieber Dr. med. Nohr,
unser Sohn ist derzeit 10,5 Monate alt und ein fröhlicher, aufgeweckter Junge. Er konnte mit 6 Mon. binnen einer Woche alleine sitzen, krabbeln und sich hinstellen.
Nach seiner Geburt schlief er 2 Tage und Nächte allein im Überwachungszimmer.
Seit seinem 3. Lebenstag schläft er bei uns im Bett. Er wurde viel von uns getragen und wir ließen bzw. lassen ihn nicht weinen. Er wird noch immer zum Einschlafen und nachts gestillt. Man konnte ihn monatelang zum Schlafen nicht ablegen. Er wachte dann binnen 5 Min. auf, weinte und schlief erst mit Körperkontakt weiter.
Auch heute noch schläft er tagsüber nur längere Zeit am Stück, wenn ich daneben sitze und er mich berühren kann. Wacht er zwischendurch kurz auf und sieht mich, schläft er weiter, ansonsten nicht. Hat er beim Einschlafen das Gefühl, ich würde aufstehen, will er sofort an die Brust.Zu anderen Personen geht er problemlos, auch von sich aus, auf den Arm. Diese können ihm auch relativ fremd sein. Er bleibt ca. 2 Stunden alleine bei Oma (bisher 4x). Ohne weinen und wenn ich wieder komme, ist die Freude leider nicht übermäßig groß. Das habe ich mir anders vorgestellt und bin verunsichert.
Wie schätzen Sie die Bindung ein? Speziell in Hinsicht des Schlafens und der Situationen nach meiner Abwesenheit und des Wiederkommens?
Vielen Dank und beste Grüße
von
excellence2
am 14.03.2019, 11:17
Antwort auf:
Ist er sicher gebunden?
Hallo,
es gibt im Augenblick keinen wesentlichen Grund an der Bindung zu zweifeln. Weder dass Ihr Kind nicht fremdelt noch, dass er Sie so nahe braucht zum Schlafen, ist ein eindeutiges Zeichen für nicht gute Bindung. Wir sollten Einzelsituationen nicht überbewerten, sondern immer das Gesamtbild der Beziehung im Auge haben.
Was allerdings passieren kann ist, dass Ihre Enttäuschung über nicht ausreichende Wiedersehensfreude Wirkung hat. Es bleibt wichtig, dass Sie Ihre Freude ausdrücken, sichtbar und spürbar machen. Sie sollte nicht vom "richtigen" Verhalten des Kindes abhängig gemacht werden, sondern Ausdruck Ihrer Zuwendung sein. Dieses klare und situationsunabhängige Angebot (ich freue mich über dich, egal was du gerade machst/bist) ist besonders bei kleinen Kindern wichtig und wesentlich für die Bindung.
Dr.Ludger Nohr
von
Dr. med. Ludger Nohr
am 15.03.2019
Antwort auf:
Ist er sicher gebunden?
Vielleicht ist ja die "mangelnde Wiedersehensfreude" auch positiv auszulegen, in zweifacher Hinsicht: zum einen scheint dann offenbar auch ein sehr gutes, inniges Verhältnks zur Oma vorzuliegen. Ist doch schön! Und zum anderen könnte man das Verhalten doch auch als besonders gute Bindung zu Dir interpretieren: Dein Sohn scheint sich instinktiv sehr sicher zu sein, dass Du wiederkommst. Er nimmt das als selbstverständlich.
Ich finde, das ist ein großes Manko der Bindungstheorie: sie verunsichert Eltern, v.a. Mütter oft, statt dass sie hilft ... Da wird ein Verhalten beschrieben und verallgemeinert ...
von
Sille74
am 18.03.2019, 15:20
