Hochbegabtes Kind

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Hochbegabtes Kind

Sehr geehrte Frau Henkes, meine Tochter ist 4,5 Jahre alt, hat einen IQ über 130 und verhält sich dafür typisch. In der Kita ist es ihr zu langweilig, sie mag dort nicht hingehen, die anderen Kinder sind 2,5 bis 4 und spielen lieber allein. Typische Spiele dort hat sie mit 2 gespielt und möchte Anspruchsvolleres. Verstopfungen und Schlafstörungen waren die Folgen. Mit älteren Kindern spielt sie sehr gern. Mir wurde von der testendem Psychologin geraten, nichts zu tun. Ich empfinde dies als falsch. Sie erreicht den gleichen Testwert wie ich und ich hätte aufgrund der Langeweile beinahe keinen Schulabschluss geschafft, durfte letzten Endes Klassen überspringen und es war erträglich. Ich möchte sie von Anfang an richtig fördern und nicht, wie empfohlen mit 6,5 in eine normale Schule schicken. Es war für mich unerträglich, ich möchte sie davor bewahren. Leider konnte mir die Stiftung für das hochbegabte Kind nicht weiterhelfen. Es seien keine Psychologen und daher könnten sie mir nichts Konkretes raten. Wir würden auch die Stadt wechseln, aber ich weiß nicht einmal, ob es spezielle Schulen gibt, man früher einschulen sollte,ob zB Montessori-Pädagogik geeignet wäre. Online finde ich Erfahrungsberichte von Einzelnen, aber keine Richtlinie und ich kann doch nicht alles selbst entscheiden. Haben Sie eine Idee, wer mich hier beraten könnte? Vielen Dank

von Cissie am 16.07.2020, 07:56



Antwort auf: Hochbegabtes Kind

Guten Tag, leider habe ich auch keine Idee, wer Sie diesbezüglich beraten könnte, wenn es die Stiftung nicht kann. Wichtig scheint es mir aber, bei besonders begabten Kindern nicht nur auf die kognitiven Kompetenzen zu achten sondern auch auf die sozialen. Wie kommt ein Kind mit anderen Kindern zurecht. Sie schreiben, Ihre Tochter spiele gerne mit Älteren. In einem höheren Alter ist es aber die Frage, ob Ältere mit jemand deutlich Jüngerem Kontakt haben wollen. Die oft zitierte Vereinsamung von Hochbegabten ist gewiss auch nicht wünschenswert. Die Psychologin, die Sie aufgesucht haben, hat Ihre Empfehlung sicherlich begründet, so dass Sie für Ihre Planungen darauf zurückgreifen können. Egal, wie Sie sich bezüglich der Einschulung und der Schulwahl entscheiden, Sie haben Ihre Tochter ja gut im Blick und können so möglicherweise auftretende Schwierigkeiten rasch erkennen und darauf reagieren. Möglicherweise hilft Ihnen dabei auch, die Entwicklung der Tochter nicht zu sehr mit Ihrer eigenen zu vergleichen. Ihre Tochter muss die Schule nicht genauso erleben, wie Sie es taten, und sie wird auch auf Erlebtes anders reagieren können. Ingrid Henkes

von Dr. med. Ludger Nohr am 16.07.2020



Antwort auf: Hochbegabtes Kind

Hallo, warum kannst Du es nicht selbst entscheiden? Du sagst doch, Du empfindest die Empfehlung als falsch. Also mach was. Schule Deine Tochter als Kann-Kind ein. Mache ich auch und meine Töchter sind nicht getestet, ich empfinde sie nur als schulreif und bekomme dieses Feedback auch aus dem Kindergarten und von anderen. Langeweile, die sich in Frustation äußert, ist nicht gut. Also, hilf ihr, wo Du kannst oder vielleicht hat sie Baustellen evtl im motorischen Bereich, die ihr abarbeiten könnt. Viel Spaß weiterhin.

von ayla.auel am 16.07.2020, 11:25



Antwort auf: Hochbegabtes Kind

Nichts zu tun, halte ich auch für falsch. Aber für eine Einschulung zählt nicht nur die Kognitive Entwicklung - die soziale Reife sollte auch passen. Also zB bestimmte Regeln einhalten können bzw. diesen Folge zu leisten. Insgesamt eine gewisse Eigenständigkeit zu zeigen. Und natürlich auch, mit den älteren Kindern klar kommen. Deine Tochter würde mit 5,5 eingeschult und ist dann mit Kindern in einer Klasse, die auch schon 7 sind. Schafft sie das? Zusammen spielen ist nicht das Gleiche wie zusammen als Gemeinschaft über Stunden funktionieren zu müssen. Ich würde mich definitiv nach Schulen erkundigen, die entweder HB erfahren sind oder tatsächlich Montessori. Unser Kind ist auf einer Monte und das Konzept, in einem Klasse jeweils die Jahrgänge 1-4 zusammen zu unterrichten, kommt auf jeden Fall den individuellen Leistungsständen von Kindern entgegen. Aber aufpassen: nicht ajede Schule, die sich Monte ins Konzept schreibt, setzt dieses auch tatsächlich im eigentlichen Sinne um. Ich würde an den Schulen hospitieren - was bei einer guten Schule kein Problem ist.

von cube am 16.07.2020, 14:51



Antwort auf: Hochbegabtes Kind

Hallo Cissie, es gibt auch noch Mensa, ein Verein, in dem Hochbegabte organisiert sind, vielleicht gibt es da in Deiner Nähe passende Angebote (Stammtische oder gerade auch Ansprechpartner für den Kinder- und Jugendbereich). Unter Hochbegabten gibt es alles, die Underachiever, die in der Schule unterfordert sind und deswegen keine Leistung bringen können, aber auch diejenigen, die nur Einsen schreiben und solche, die im soliden Mittelfeld mitschwimmen, meist ohne einen Finger krumm zu machen, sich da aber eigentlich ganz wohl fühlen. Es muss also nicht so laufen wir bei Dir. Ich glaube, nur wenige profitieren davon, schon früh speziell gefördert zu werden, da ihnen das auch einen Teil ihrer Kindheit und Jugend nimmt. Es fehlt der Kontakt zu Gleichaltrigen denke ich v.a. in der Pubertät, wenn das Kind sehr jung Klassen überspringt oder sehr früh eingeschult wird. Dann interessieren sich die Klassenkameradinnen für Jungs, während Deiner Tochter da noch gar nichts mit anfangen kann. Und wenn sie dann das erste Mal für einen Youtuber (oder was auch immer dann hip ist) schwärmt, sind die anderen Mädels da schon längst darüber hinaus. Ich würde, wenn sie früh unterfordert ist, eher außerhalb der Kita und dann der Schule nach Möglichkeiten suchen, sie anderweitig zu fördern und zu fordern. Vielleicht ein Instrument lernen, eine Sprache, schau doch mal, was es für außerschulische Angebote bei Euch gibt. Sport ist auch immer gut, auch wenn das natürlich nicht unbedingt geistig fordert. Und ich würde ihr nicht von klein auf den Stempel "hochbegabt" aufdrücken, im Gegensatz zur landläufigen Meinung sind das nicht immer Leute, die Wikipedia auswendig können oder sechsstellige Zahlen im Kopf miteinander multiplizieren. An einer solchen Erwartung, auch an sich selbst, kann man auch kaputt gehen. Lass Deine Tochter Kind sein, lass sie ihre Tempo finden, häufig suchen sie sich selbst einen Ausgleich. Klar, beobachte sie und habe ihre Hochbegabung im Hinterkopf, wenn es Probleme gibt, aber gib ihr die Chance, einfach ganz normal aufzuwachsen. Vielleicht hilft ja schon ein Instrument zu lernen aktuell, dass sie in der Kita besser klar kommt. Vielleicht hat es auch ganz andere Gründe, dass sie sich da nicht so wohl fühlt? Es liegt auch nicht immer alles an der Zahl im IQ-Test. Ich weiß nicht, ob meine Tochter (26 Monate) hochbegabt ist, ich hoffe nicht, aber sie ist kognitiv sehr weit, ist aktuell von den Krippenspielen unterfordert, da leihen sich die Erzieher*innen jetzt auch schon Ü3-Spiele von den Großen, damit sie sich nicht langweilt. Dazu ist sie auch noch sehr groß, sie geht schon locker als Dreijährige durch. Aber sie fühlt sich pudelwohl in der Kita, sie kümmert sich wohl sehr schön um die Kleinen, hilft den Erziehern im Alltag, ist empathisch ... das finde ich ganz ganz wichtige Eigenschaften, auf die ich viel stolzer bin als darauf, dass sie aktuell bei den Puzzeln für Vierjährige angekommen ist. Leben ist mehr als nur Schule und auf 100% Lernerfolg getrimmt zu sein.

von weekend am 19.07.2020, 13:28



Antwort auf: Hochbegabtes Kind

Ich finde gar nicht, dass Cissie etwas geschrieben hat, aus dem man schließen könne, sie möchte ihre Tochter auf "100% Lernerfolg" trimmen. Sie möchte ihrer Tochter die schlechten Gefühle, die sie in der gleichen Situation hatte, ersparen, und da ist nichts Falsches an so einer Motivation.

von Esmeralda am 20.07.2020, 22:45