Distanzlosigkeit

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Distanzlosigkeit

Lieber Herr Dr. Nohr, es geht um meinen Sohn (10 Monate). Zur Vorgeschichte: Notkaiserschnitt, hat viele geweint, ließ sich lange nicht ablegen, wollte nie zu anderen auf den Arm, Schlafen nur mit Körperkontakt und beim Stillen, er wurde viel getragen und beim Weinen immer begleitet, bis heute noch schlafen im Familienbett. Mittlerweile hat er sich etwas entspannt, hängt aber noch immer sehr an mir. Zuhause darf ich mich nicht zu weit von ihm entfernen oder gar den Raum wechseln, sonst weint er. Was mich nun aber beschäftigt ist, dass er seit einiger Zeit andere Babys regelrecht bedrängt. Er umarmt sie und busselt sie ab. Er macht es zwar nicht bei jedem Baby aber schon bei einigen. Muss ich mir hier Sorgen machen? Zudem möchte er ab und an auch zu meinen Freundinnen auf den Arm. Die meisten kennt er aber bei einer war es so, dass sie sie zum ersten Mal gesehen hat und sie dann gleich umarmt und geherzt hat. Bei Männern ist er im allgemeinen skeptischer aber so wirklich fremdelt er da auch nicht. In den Öffis lacht er alle an was das Zeug hält. Meine Frage: muss ich mir hier Sorgen machen? Passt etwas mit unserer Bindung nicht? Warum stürzt sie sich so auf andere Babys (bei einer Puppe hat er das übrigens auch schon gemacht). Woran erkenne ich, dass er sicher gebunden ist? Was ich vergesse habe! Motorisch ist er schon sehr weit, er kann schon gehen!! Vielen Dank!! Liebe Grüße Kenya

von Kenya84 am 30.01.2020, 07:40



Antwort auf: Distanzlosigkeit

Liebe Kenya, da müssen Se sich m.E. keine Sorgen machen, nur weil Ihr Kind so auf andere zugeht. Fremdeln bedeutet ja, fremd und bekannt unterscheiden zu können, und auf das Unbekannte mehr oder weniger ängstlich zu reagieren. Das ist häufig, aber nicht immer. Ihr Kind hat sich ja lange Zeit nur auf Sie beschränkt und merkt langsam, dass die Welt größer ist und viele andere Menschen auch ganz interessant sein können. Angst ist also nicht zwangsläufig eine richtige oder notwendige Reaktion, sondern eine Möglichkeit. Die Haltung Ihres Kindes kann auch gut mit der Sicherheit einer guten Bindung einhergehen, die dann der Hintergrund für das wenig ängstliche Verhalten sein kann. Wie Ihre Bindung ist, das spüren Sie und sollten es nicht von einzelnen Verhaltensweisen abhängig machen. Und ein positives und freundliches Zugehen auf andere ist eher ein Ausdruck von Lebensfreude und guten Erfahrungen, als ein Hinweis auf eine Fehlentwicklung. Viel Freude weiterhin miteinander. Dr.Ludger Nohr

von Dr. med. Ludger Nohr am 30.01.2020