Auswirkung von Abwesenheit des Vaters

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Auswirkung von Abwesenheit des Vaters

Lieber Herr Dr. Nohr, Wir haben zwei Söhne, knapp 3 Jahre und 5 Monate. Leider ist der Papa beruflich sehr eingespannt, d.h. aus dem Haus von 6 bis 17/18 Uhr und arbeitet oft abends und am Wochenende zu Hause. Die Freizeit, die er hat, verbringt er am liebsten alleine, da er für die Kinder bzw die Familie keine Energie mehr hat. Das führt dazu, dass er den Kindern morgen kurz guten Morgen wünscht und abends gute Nacht. Eine wirkliche Interaktion, die über 3-5 Minuten hinausgeht gibt es kaum. Der grosse fordert ihn am Wochenende aktiv auf, etwas mit ihm zu machen, dies wird jedoch in fast allen Fällen abgelehnt. Mal davon abgesehen, dass ich als Mutter ständig alleine für die Kinder verantwortlich bin, Frage ich mich, welche Auswirkungen dies auf sie psychische Entwicklung der Kinder haben kann, wenn der Vater quasi emotional nicht greifbar ist. Kann dies irgendwie kompensiert werden, z.b. durch vermehrten Umgang mit dem Opa oder evtl durch männliche Erzieher im Kindergarten? Ich denke immer häufiger über Trennung nach, hadere aber, da ich die Situation für die Kinder nicht noch schlimmer machen möchte. Über ihre Einschätzung dazu, wäre ich sehr dankbar. Viele Grüsse!

von CHRISL1981 am 14.11.2019, 02:54



Antwort auf: Auswirkung von Abwesenheit des Vaters

Hallo, ich glaube, dass Sie diese Situation mit zahlreichen Frauen teilen. Leider. Kinder erleben es schon als Mangel und auch als Kränkung, wenn sie den Vater nicht erreichen, ihm nicht wichtig scheinen. Das kann man auch nur bedingt kompensieren, weil der Vater eben ein Elternteil ist. Besonders kleine Jungens brauchen den Vater zunehmend als Vorbild und Projektionsfläche. Dies gelingt auch bedingt mit dem abwesenden Vater, weil die Kinder sich in der Phantasie eine Erklärung (Idealisierung) suchen ("wenn mein Vater nicht so wichtig wäre und so viel arbeiten müsste, dann würde er dauernd mit mir spielen" o.ä.). Eine Hoffnung könnte sein, dass Väter oft mit älter werdenden Kinder mehr anfangen können und sich doch etwas entwickelt. Wenn das alles nicht (mehr) funktioniert, dann suchen sich die Kinder andere Männer, um über die Identifikation eine Leitlinie zu haben. Das kann Opa/Erzieher/Nachbar sein, ist aber in der Regel eine zweitbeste Lösung. Wollte Ihr Mann Kinder? Ist die Arbeit jetzt oder immer so intensiv und ist sie eine Möglichkeit, Abstand zur Familie zu haben? Sehen Sie eine emotionale Beziehung des Vaters zu den Kindern oder sind sie egal bis störend? Sie sollten versuchen mit Ihrem Mann ins Gespräch zu kommen ohne mit dem Vorwurf zu starten. Es gilt herauszufinden, wie er sich das wünscht/denkt, damit Sie eine Grundlage haben, sich Gedanken über Ihre Zukunft zu machen. Keine leichte Sache. Alles Gute dabei. Dr.Ludger Nohr

von Dr. med. Ludger Nohr am 14.11.2019