Anfassen andere Kinder

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Anfassen andere Kinder

Hallo Herr Dr. Nohr, Unser Sohn ist jetzt 3,5 Jahre alt und hat vor 6 Monaten eine kleine Schwester bekommen. Seitdem ist es oft für ihn wie ein Zwang, sie (zum Teil sehr fest) anfassen zu müssen. Er hat sie lieb, das merkt man, aber durch das feste Anfassen müssen wir die beiden permanent im Blick haben, wenn sie zusammen sind. Seit dem Sommer geht er jetzt in den Kindergarten, wo er seit er 1 ist, auch schon die Krippe besucht hat. Auch von hier habe ich Rückmeldungen erhalten, dass er jetzt - seitdem er im KiGa - ist, die anderen Kinder immer anfassen möchte. Die wollen das aber in der Regel nicht und es kommt zum Streit. Das selbe Verhalten ist mir beim Spielen mit Freunden auch schon manchmal aufgefallen. Er freut sich dann so. Wir sagen ihm immer wieder, dass die anderen das nicht möchten und zeigen ihm auch Alternativen auf (Schwester streicheln, wozu er auch in der Lage ist motorisch; oder mit Freunden reden), aber auch das bringt keine Besserung. Können Sie sich sein Verhalten erklären? Ich bin langsam ratlos, Kuschel auch immer wieder mit ihm, damit er von mir Berührung bekommt, aber das scheint nicht der Hintergrund zu sein. Haben Sie einen Ratschlag, was ihm helfen kann? Beste Grüße und vielen Dank vorab HaLui_Mama

von HaLui_Mama am 15.10.2019, 12:44



Antwort auf: Anfassen andere Kinder

Hallo, zum einen ist anfassen eine Art von Kontaktaufnahme, zum anderen steht dahinter bei Ihrem Sohn sicher auch eine Gefühlsambivalenz. Geschwister sind nicht nur eine Freude, sie lösen oft auch Neid, Eifersucht usw. aus. Ihr Sohn wird die Erfahrung machen (müssen), dass nicht jede (Art von) Kontaktaufnahme freudig beantwortet wird und dass sich seine Ambivalenz nicht in physischem Leid zufügen ausdrücken darf. Das sind Lernschritte die ermöglichen sollen, die widersprechenden Gefühle im Griff zu haben. Er sollte aber die Möglichkeit haben, diese Ambivalenz auszudrücken (viele Eltern sind schockiert oder verärgert wenn Sätze fallen wie, "die soll weg", "ich will meine Schwester nicht"...), aber er muß lernen, sie nicht auszuführen. Hilfreich kann auch sein, wenn die Eltern zeigen, dass sie dieses Gefühlsdurcheinander verstehen ("Manchmal bist du richtig sauer auf deine Schwester.." ö.ä.) und nicht gleich verurteilen. Am ehesten geht ein solcher Austausch, wenn die Kontrollen etwas gelockert sind, also z.B. beim Einschlafen. Hier ist eine gute Möglichkeit auch zu verstehen, was Ihren Sohn beschäftigt, was er versucht, wie er das erlebt. Und daraus lassen sich Schlüsse ziehen. Viel Freude dabei. Dr.Ludger Nohr

von Dr. med. Ludger Nohr am 15.10.2019