Rund um die Erziehung

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Geschrieben von Mama Heike am 26.11.2006, 0:56 Uhr

@solelo

Hallo Johanna,

du hast ja mal wieder ganze Arbeit geleistet. :-)))
Nachdem ich mir alles durchgelesen habe, möchte ich doch noch einige Bemerkungen loslassen.

Im Grunde erziehe ich nicht und eigentlich doch, ich grübel nun die ganze Zeit, was es ist, warum ich nicht sagen kann: Ja. das ist es, das ist die ganze Wahrheit!

Sieh es mal so, wir haben alle eine Menge Dinge im Kopf, die Experten (oder welche die es sein wollen) einmal losgelassen haben. Diese Dinge haben wir "verdaut" und die haben nun ihren Platz in unserem Kopf.
Wir haben ausgewählt, was zu uns passt (mit all unseren Erfahrungen) und womit wir uns idendifizieren können, was uns logisch erscheint und aufgrund unserer Erfahrung Sinn macht oder machen könnte. Und mit ein bißchen Glück vergißt man bei diesem verstandesgemäßen Aufsaugen einer Expertenmeinung nicht seinen gesunden Menschenverstand.:-))

Und den habe ich jetzt mal bemüht.

Sich auf eine Definition von Erziehung zu einigen, finde ich auch richtig. Nun hast du die aus dem Duden gewählt. Ich zitiere dich mal und lasse die Pflanzen weg:

Erziehen:
1. a) jemandes (besonders eines Kindes) Geist und Charakter bilden und seine Entwicklung fördern.
b) zu einem bestimmten Verhalten anleiten

Übrigens habt ihr (besser gesagt Vina) eure Definition nicht weggelassen, es war nur eine ganz andere, nämlich die von Braunmühl. Ich zitiere auch diese noch mal:

"Der Anspruch, andere Menschen in ihren "Grundstrukturen" zu formen, ihnen "Ziele der Lebensgestaltung", den "Kurs fürs Leben" zu setzen, darüber zu bestimmen, was sie als "lebenswert" betrachten, sie zur "Verinnerlichung gleichbleibender dominanter Motivationen" zu zwingen, dieser Anspruch ist es, der mit dem Begriff "Erziehung" gekennzeichnet wird."

Beim Duden geht es um das Bilden (Im Sinne von Entwickeln, Formen, Ausbilden) von Geist und Charakter und bei Braunmühl um eine Anspruchshaltung gegenüber dem Kind.

Das ist ein gravierender Unterschied, wie ich finde. Nehmen wir mal das Thema „Psychischer Hospitalismus“. Du hast sicher auch schon von dem grauenhaften psychologischen Versuch gehört, wo Neugeborene bis auf notwendige Verrichtungen jeglicher Kontakt zu Menschen verwehrt geblieben ist. Sie sind gestorben.

Ein Kind kann also nur Geist und Charakter ausbilden (also Mensch werden), wenn es in einer Umgebung mit Menschen aufwächst. Ich kann mich als Mensch nicht weglassen. Und weil ich mich nicht weglassen kann, wirke ich weiter auf den Geist und den Charakter meines Kindes, nämlich mit dem was tue und denke.
Und dabei ist es unrelevant, ob mir mein Einfluss auf mein Kind bewußt ist oder nicht.

Schon allein bei der Gestaltung des Kinderzimmers, bei der Auswahl des Spielzeuges, bei den Materialien, die es zur Verfügung hat, selbst bei dem, was ich meinem Kind zu essen gebe - ich präge mein Kind, und damit auch seinen Geist und seinen Charakter. Und ich kann sogar seine Entwicklung entscheidend damit hemmen oder fördern, was ich im Besein meines Kindes tue, ob es daran etwas lernen kann oder nicht. Es macht einen Unterschied, ob ich etwas Sinnvolles tue oder etwas total Konfuses.

Alle Sinneseindrücke hinterlassen nämlich ihre Spuren im Gehirn und was nicht vernetzt worden ist, wird für immer verloren sein.

Und die Sinneseindrücke auf das Kind beginnen bereits im Mutterleib. Ich beeinflusse also bereits mein Kind, schon lange bevor ich überhaupt auf die Idee kommen könnte, eventuell Ansprüche (gemäß Hr. Braunmühl) an mein Kind zu stellen. Auf diese Idee kommt man meist erst, wenn sich das Kind nicht so entwickelt, wie man es erwartet hat, vielleicht zeigt sich das manchen Eltern, wenn das Kind 3 bis 4 Jahre alt ist. In diesem Kindesalter sind aber die entscheidenden Prozesse im Gehirn längst abgeschlossen.

Von daher ist es falsch, wenn du behauptest, ein Kind bilde seinen Charakter und seinen Geist ALLEINE. Das Kind wird es im Laufe seiner Entwicklung hoffentlich lernen, gezielt Einfluss zu nehmen, aber wenn in der frühen Kindheit das Gehirn nicht die wichtigen Vernetzungen erhalten hat, um komplex denken zu können, wird’s mit dem gezielten Einfluss schon ein ganzes Stück schwerer.
Und die Denkfähigkeit ist ein entscheidendes Kriterium für die spätere „Lebensgeschichte“.

Ich gebe dir völlig Recht, dass Eltern nicht das Recht haben, ein Kind nach Belieben zu formen oder ihm ein Lebensziel vorzuschreiben. Kinder widersetzen sich diesem Anliegen ganz gewaltig: sie trotzen. Diesem Warnsignal können wir vertrauen.
Im Grunde braucht man nur am Kind abzulesen, ob man es richtig macht oder ab man seine Anspruchshaltung besser überdenken sollte.

Heute bringen es die wenigsten Eltern übers Herz, ihre Anspruchshaltung auch wirklich mit Macht durchzudrücken. Zumindest suchen sie VORHER händeringend nach einem Ausweg aus diesem Dilemma. (Und mit viel Glück für das Kind bleibt es bei einem frommen Wunsch, dass z. B. der kleine Raphael den Mund beim Kauen schließt, Marion wird ihm ganz sicher kein Pflaster aufkleben. Es wird bei einer Erinnerung bleiben. :-)))

Einen Ausweg aus dem „Dilemma“ (wenn das Kind gegen elterliche Maßnahmen protestiert) zu finden, da schaffst du tolle Ansatzpunkte für ratsuchende Eltern und ich schätze deine Arbeit sehr. Auch aus meiner Sicht, sind die Ursachen für das „Dilemma“ grundsätzlich abzuschaffen. Also die „Erziehung“ laut Braunmühl komplett.

Da aber die wenigsten Braunmühl gelesen haben, wird es immer skeptische Blicke geben, wenn jemand sagt: „Schaff doch einfach Erziehung ab, dann klappt das schon.“
Du gibst schon allein dem WORT „Erziehung“ einen negativen Beigeschmack, weil du nur das Menschenverachtende mit Erziehung verbindest. Vina ist da noch mehr auf das Negative fixiert, sie schmeißt gleich mit „Faschismus am Kind“ rum, was sicher auch nur ein „Experte“ losgelassen hat.

Aber für die Mehrzahl der Eltern ist Erziehung das Ganze, was einen EINFLUSS und somit BILDENDE Kraft auf den Charakter und den Geist des Kindes hat... und einen Einfluss hat die Massage beim Wickeln des Säuglings, das Herausholen aus der Wanne ohne Geschrei, die zärtliche Berührung beim Zähneputzen, das liebevoll gesungene Einschlaflied…

Und solange DAS Eltern unter Erziehung verstehen, weil ihnen das ihr gesunder Menschenverstand sagt (und nicht irgendein Experte), solange werden sich gute Ideen nicht verbreiten, wenn oben drüber NICHT-Erziehung steht.

Ein respektvoller Umgang mit allen Familienmitgliedern beeinflusst auch den Geist und den Charakter unserer Kinder. Das sehe ich jeden Tag an meinen beiden Töchtern. Ich bin also genaugenommen ein „Braunmühlscher-nichterziehender Erzieher. :-)))

Liebe Grüße
Heike

 
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