Rund um die Erziehung

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Geschrieben von solelo am 24.01.2007, 13:39 Uhr

@roma Nichterziehung Megaperls

Liebe Roma,

nun will ich auf deinen langen Text eingehen von neulich :-)

***Aber - und ich formuliere mal gaaaaanz provokant: auch die Nichterziehung ist nicht frei von "Menschenformung", es ist ein "weniger" bei Bakuki, ein "mehr" bei Erziehung light, ein noch mehr bei Erziehung a la "ein Kind braucht Regeln" oder "Stiller Stuhl" (vielleicht sollten wir übrigens Letzteres mal irgendwie anders betiteln (ich nenns mal "Guiseppe", nach Catch22), damit bei dem Wort "Erziehung", wenn du es abwertend und nach deiner Hardcoredefinition gebrauchst, nicht gleich wieder alle auf die Barrikade gehen).
Ich forme Menschen durch meine "persönliche Grenzen": Wenn ich meine persönlichen Grenzen setze, forme ich dadurch meine Tochter, denn sie hat vielleicht absolut kein Verständnis für meine Grnzen, weil ihr Kreis komplett anders verläuft. Was für den einen eine "persönliche Grenze" ist, ist für den anderen schon eine "willkürliche" "erzieherische" "künstliche" Grenze.***


Kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, deinen Einwand. Es geht doch eben darum, keine willkürlichen Grenzen zu erstellen, weil die Natur (im Falle der Menschen also auch die Gesellschaft, also auch, die Familie und sämtliche Umstände) schon genug bietet, woran sich er Mensch *selbst* formen kann. Er sieht, wie es ist, wie es abläuft und zieht seine eigenen Schlüsse, lernt und interagiert , was wieder zu Weiterentwicklung führt.

Den Einfluss der Umgebung und der Gesellschaft kannst du nicht abstellen, und das wollen wir ja gar nicht. Stell dir vor, was passieren würde, wenn wir das alles abstellen: Kind ist in der Wildnis (nehmen wir an, es bräuchte keine Eltern, die es füttern, weil alles magisch auf dem Tisch steht usw...) und keinerleit Kultur, Menschen usw "formen" ihn - meinst du, er formt sich dann nicht trotzdem? (ich weiß, das ist genau dein Punkt, aber meiner ist, das ist eh nicht abzustellen, also was soll man noch darüber sprechen?) Dann formt ihn halt der Umstand, dass es eben keinerleit Kultur, Menschen etc. gibt sondern z.B. nur Tiere, das Feuer, das Wasser, seine Erfahrungen beim Essen sammeln (oder eben nicht sammeln müssen), und auch da die "natürlichen Grenzen", etwa, dass der Affe sich einfach nicht reiten lassen will, der Elefant einfach zu hoch ist (und eine Lösung erfordert, etwa der Bau einer Leiter oder Zähmung des Tieres, damit es sich bückt oder dir mit dem Rüssel hilft) was weiß ich!

Der Mensch braucht doch den Input, aber eben keinen künstlichen extra für ihm gemachten, vor allem nicht mit dem Unterton, er sei ja selbst zu blöd. Mag mir willkürlich erscheinen, wenn DU keine Krümel auf dem Bett machst, ist aber halt so. Solange du nicht diese Grenze extra "hast", quasi weil du ein gutes Vorbild sein willst, weil du meinst, er würde es schwer im Leben haben, wenn er nicht "lernt" dass manche Dinge eben "sein müssen", z.B. eben, dass man keine Krümel auf dem Bett hinterlässt, oder sogar, dass er anhand dieser "Übung", lernt, dass ANDERE Dinge eben "sein müssen" - solange du all das nicht tust, ist es vollkommen in Ordnung, wenn es dein Kind "formt" wie du bist, wie andere sind, wie die Welt eben ist, wäre ja schade, wenn es sich gar nicht weiter entwickelt.

Denn wenn du so was machst, gehst du ja erst Mal davon aus, dass der Mensch es von alleine nicht hinkriegen würde - und diese Haltung alleine spricht deinem Kind die Kompetenz ab, selbst sein LEben in die Hand nehmen zu können - und das übrigens, kann durchaus auch so aussehen, dass das Kind extra um "Formung" bittet - "wie macht 'man' das?", wie geht das, wie würdest du es machen, warum machen es andere anders etc., alles Fragen, die täglich auftauchen.

Den Rest zitiere ich nicht, ich müsste vollständig zitieren und das wird zu lang (wer den Ursprungstext lesen will:
http://www.rund-ums-baby.de/erziehung_elternforum/mebboard.php3?step=0&range=20&action=showMessage&message_id=8569&forum=209=

Du hast vollkommen Recht. Es gibt keine objektiv gültigen natürlichen Grenzen, abgesehen vielleicht von Unmöglichkeiten, etwa, an zwei Orten gleichzeitig zu sein.

Das Problem liegt in einer Fehldarstellung meinerseits - sorry. Das liegt am Wort selbst "nichterziehung", und daran, dass man das schwer definieren kann. Wir mühen uns in der Mailingliste gerade ab, da eine gescheite Definition zu basteln. Ich selbst habe früher und bis vor Kurzem noch viel durcheinander gewürfelt :-)

So weit sind wir auf jeden Fall schon: Man muss unterscheiden zwischen "Erziehung" bzw. "Nichterziehung" und "Freiheit" bzw. "Einschränkung".

*Erzieherisch* ist nicht alles, was du tust, um deine Grenze zu wahren. Ich kann durchaus deinen Kreis stören und dich in deiner Freiheit einschränken und dabei nicht erzieherisch sein - bestes Beispiel ist die Rettung im Notfall. Ich mache es, weil ich dich retten will, nicht weil ich denke, das "bringt dir was fürs Leben bei", ist trotzdem "Freiheitseinschränkung".

Ich kann also nichterziehen und gleichzeitig die Freiheit meiner Mitmenschen bzw. Kinder/Partner einschränken :-) Ob ich das moralisch vertreten kann, jemanden anderes einzuschränken, damit auf jeden Fall alle meine Grenzen eingehalten werden - das muss ich mit mir selbst ausmachen, soll heißen: Ist es mir das wert, mein Kind in seiner Freiheit einzuschränken, damit die Butter ins Döschen kommt?

Das Problem ist einfach, dass Erziehung halt schon Mal auf jeden Fall Freiheitseinschränkend ist, aber der Umkehrschluss nicht gültig ist. Freiheitseinschränkung ist nicht gleich Erziehung, zumindest nicht auf jeden Fall :-)

Kommt immer darauf an, ob du eine erziehrische Absicht hast.

Wenn du also mit deinem Mann ein Problem hast, und du meinst, um das geregelt zu bekommen - einfach, um eine LÖSUNG für das jetzige Problem zu erzielen - müsstest du ihn in seiner Freiheit einschränken, dann tja... dann musst du das halt mit dir ausmachen, ob du das in Ordnung findest, deine Macht so zu nutzen bzw. auszunutzen - ist ja auch nicht so fein, andere einzuschränken. Vielleicht ist es ja für ihn in Ordnung... ist halt abzuwägen, wie die Umstände und Alternativen so sind.

Erziehung wäre es aber, wenn du meinen würdest, dein Mann "lernt es ja nie", wenn du ihm keine Leckerlis gibst oder wenn du ihn nicht "bestrafst" (obwohl du eigentlich jetzt darüber hinweg sehen könntest und es mit dir vereinbaren könntest, aber "damit er es lernt", tust du so, als seist du ach Gott wie sauer) - kannst du den Unterschied sehen?

Nichterzieher haben letztere Option sowieso nicht. Das mit der Freiheit ist zwar damit irgendwie verwandt, aber auch als einzelnes Thema betrachtbar. Wir glauben an die Freiheit der Menschen und daran, dass sie zur Entfaltung der Persönlichkeit sogar nötig ist und dass keiner das Recht hat, "einfach so" oder eben aus erzieherischen Gründen (die ja keinen Eigenzweck haben, wie die natürliche/persönliche Grenze; also ein Ziel nicht für mich, sondern für dich - respektlos, hierarchisch, besserwisserisch, arrogant :-)), die Freiheit des anderen einzuschränken - aber jeder hat das Recht, seine eigene Freiheit zu verteidigen - die Freiheit hört da auf, wo die des anderen anfängt (sonst hätten ja nur manche Freiheit auf Kosten der anderen).

Und so ergibt es sich, dass ich aus Respekt vor der Freiheit des anderen, so gut wie möglich seinen Kreis versuche zu umgehen, um nicht eindringen zu müssen. Das geht mitunter auch, indem ich meinen eigenen Kreis etwas lockerer male, und eben auch manchmal "schlucke" - müssen wir eh, z.B. bei Babies ganz eindeutig, und ich finde, man sollte auch ein bisschen länger seien Bedürfnisse zurückschrauben, bis das Kind eben so weit ist, das wirklich zu begreifen (und nicht bereits dann sofort aufhören, sobald das Kind "praktisch" eine Tätigkeit z.B. selbständig übernehmen "kann", z.B. Schuhe selbst binden)(die Wahrscheinlichkeit, dass es über Grenzen und Bedürfnisse aber schon früh Bescheid weiß, ist natürlich so automatisch höher). Das muss aber nicht immer sein (dass man schluckt)- du musst nicht in einer Müllhalde leben.

Und weiterhin kommt ein weiterer Aspekt hinzu, der nicht primär mit Erziehung/Nichterziehung zu tun hat: die Gleichberechtigung: Ich glaube, dass jeder Mensch (altersunabhängig) die gleichen Rechte hat, und das schließt natürlich das Recht auf Freiheit ein, aber eben auch z.B. die gleichen Rechte innerhalb der familiären Umgebung (auch und gerade, weil es ja nichts dafür kann, dass es bei uns in der Wohnung in unserer Familie gelandet ist). Wenn man "Gleichberechtigung" einzeln betrachten würde, und man würde meinen, man dürfte Menschen durchaus erziehen, aber man würde eben an Gleichberechtigung (aller Altersgruppen) glauben, dann dürfte das Kind auch die Eltern erziehen :-) Für mich heißt es aber, es darf mich eben auch *nicht* erziehen, denn ich habe ein Recht auf Freiheit und mein Kind auch.

Ich weite es dann aus: Wir haben alle ein Recht auf eine gemütliche Wohnung, nur mein Kind findet es vielleicht gemütlicher, wenn wir eben die Wände anmalen. Sein Wunsch hat gleiche Daseinsberechtigug und gleiche Chancen wie meiner, in die Tat umgesetzt zu werden - und ich habe zusätzlich die Möglichkeit, meinen Kreis locker zu machen (weil ich weiser bin, weil ich mein Kind liebe, weil ich mehr Erfahrung habe, weil ich die Kreativität meines Kindes mit Pinsel in der Hand nicht einschränken will..).

Kollidieren unsere WÜnsche/Grenzen aber so stark, dass du dich regelrecht unwohl fühlst, dann muss halt ne Lösung her - und die wird beim Nichterzieher eben nicht "wir müssen das "falsche" Bedürfnis des Kindes, die WÄnde anmalen zu wollen, irgendwie bremsen, sonst denkt es ja, es darf alle Wände anmalen und das geht ja nicht, was soll passieren, wenn es Mal zu Besuch ist woanders, nein, wir müssen unserem Kind klar machen, dass "man das nicht macht" und wenn es das nicht lernt, dann...."

Da ich an Gleichberechtigung glaube (das tun aber vielleicht nicht alle Nichterzieher), haben meine Kinder eben eine genauso "starke" Stimme, dass sie uns durchaus überstimmen könnten. Ich dürfte jedenfalls nicht von vornerein sagen, nö, machen wir nicht... aber das ist eben nur meine Handhabe.

Grundsätzlich gilt also für Nichterziehung: Deine natürliche Grenze "berechtigt" dich sowieso nicht, zu "erziehen", wenn überhaupt, berechtigt sie dich, die Freiheit des anderen einzuschränken - und da musst du halt sehen, ob du das willst, kannst, wirklich musst oder wie auch immer :-)

Wie du siehst, diese Einzelbereiche greifen jeweils ein bisschen ineinander über, "reine" Nichterziehung jedenfalls bezieht sich primär auf die Unterlassung von Erziehung (vorsätzlicher Menscheformung mit erszieherischen Absichten unter Absprache der Kompetenz des Kindes bzw. Weigerung, diese anzuerkennen ;-)).

Übrigens, eben solche Gespräche hatten wir gerade in der Mailingliste (zu welcher du herzlich eingeladen bist). Ursprünglich dachte ICH persönlich, Nichterziehung ist all das oben beschriebene. Die anderen erfahrenen Nichterzieher haben mich aufgeklärt :-) Eine ist z.B. dabei, deren Kinder schon groß sind, die hat das mit der Gleichberechtigung nicht so gehandhabt - aber sie hat nichterzogen (heute würde sie auch die Gleichberechtigung durchziehen).

Zusammengefasst, ist das alles vielleicht "Bakuki" - meine "Version" davon (die aber auch andere praktizieren). Nichterziehung allein ist eben was anderes, und das mit der Gleichberechtigung und der Versuch, durch Selbsteinschränkung (nur, wenn ich will, aus dem Bauch heraus, weil ich mein Kind liebe oder ihm eine Freude machen will oder weil ich das Gefühl habe, mein Kind würde es nicht verstehen und unglücklich sein und es würde unsere Beziehung/Vertrauen (zer)stören) meinem Kind gegenüber meinen Kreis etwas zu lockern (eben individuell auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen - sie sind doch sooo unterschiedlich und brauchen alle eine andere *Nicht*erziehung ;-)), das kommt halt so als Ergänzung dazu.

Nichterziehung Megaperls oder so :-D

Wobei ich denke, dass von Anfang an nichterzogene Kinder meistens nicht so eine übermäßige Einschränkung der Bedürfnisse/Lockerung der Grenzen der Eltern erfordern werden, wie es z.B. in der Übergangsphase bei uns der Fall war.

Aber wie gesagt, jedes Kind ist anders und wird eben da mehr oder weniger Lockerung der Grenzen der Eltern "erwarten" oder "erfordern" - wie du sagtest, du überlässt es deiner Tochter, sie wird dir schon zeigen, inwieweit sie was braucht.

Gruß
Johanna

 
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