Rund um die Erziehung

Rund um die Erziehung

Fotogalerie

Redaktion

 
Ansicht der Antworten wählen:

Geschrieben von Mama Heike am 26.06.2006, 23:27 Uhr

@mamaselio - wenn Kinder schlagen

Hallo Christiane,

also zu allererst würde ich ihm die Fingernägel schneiden ;-))

Warum dein Kind andere Kinder schlägt, kann die verschiedensten Ursachen haben. So weit du aber nicht genau sicher bist, warum er schlägt, kannst du nicht darauf hoffen, dass er nie mehr schlägt. Da es einfach schier unmöglich ist, herauszufinden, was ihn alles auf die Palme bringt und vor allem bringen KÖNNTE, macht es auch wenig Sinn, es zu verbieten.

„Das darfst du nicht tun.“ Du forderst etwas, wobei du eigentlich schon vorher weißt, dass du die Einhaltung deiner Anweisung gar nicht überschauen und kontrollieren kannst. Kinder sind schlau, der Widerspruch ist offensichtlich und tangiert ihn wahrscheinlich soviel, als hättest du gesagt: Vor 80 Tagen hat´s geregnet.

Mhh…. klingt etwas verworren, ich weiß.
Also nochmal anders: Du denkst, er schlägt vielleicht, weil er den Jungen A einfach doof findet. Du sprichst mit ihm: „Du darfst den Jungen nicht schlagen.“ Am nächsten Tag sitzt ein anderer Junge im Sandkasten und den schlägt er auch. Gestern hattest du verboten, den Jungen A zu schlagen. Aber nun sitzt das Junge B…*Watsch* und der Frust ist ausgelebt. Und dein Sohn hat dann nicht mal was Verbotenes getan. Wieso flippen jetzt bitte alle aus, besonders Mama!?

Und kannst dieses Gedankenspiel weiterspielen. „Wie oft habe ich dir schon gesagt, geschlagen wird nicht.“ Clevere Kerlchen versuchen sich jetzt zu erinnern: eins, zwei, drei… Auch dieser Spruch taugt also überhaupt nichts, er wird im Leben nicht damit anfangen, nachzugrübeln, warum er nicht schlagen soll.

Noch eine Variante: „Wir schlagen nicht.“ wird auch zu nichts führen, wenn ihr es damit selber nicht so genau nehmt. Der berühmte Klaps verschlimmert nur das Ganze. Am nächsten Tag vorher zu ermahnen „Heute wird aber mal nicht zugelangt.“ signalisiert ihm nur, dass du ihm nicht vertraust. Keine sonderlich schöne Erfahrung für ein kleines Menschenkind, also auch ungeeignet.

Wenn überhaupt irgendetwas fruchten soll, muss man darüber nachdenken:

Unsere Kinder möchten und werden das tun, was wir wollen (in deinem Fall: Nicht schlagen), wenn sie einsehen, dass es RICHTIG ist und sie tun es auch „blind“, wenn sie dem VERTRAUEN, der es sagt.

Na ja, das letztere fällt ja momentan leider weg, aber das kann wieder werden. Du mußt also so reagieren, dass er lernt, die anderen Kinder nicht mehr schlagen zu WOLLEN.

Die „Strafe“ muss also für deinen Sohn eine Hilfestellung sein, und so sollte man Strafe generell verstehen: als Hilfe für das Kind. (Aber niemals als Genugtuung für die anderen Mütter.)

Die Denkarbeit liegt jetzt bei dir oder auch gerne bei euch, die sich davon angesprochen fühlen. Jedes Kind hat seine Besonderheiten und je mehr Idee zusammen kommen, umso interesannter wird das ganze.

Liebe Grüße
Heike

 
14 Antworten:

Re: @mamaselio - wenn Kinder schlagen

Antwort von mamaselio am 27.06.2006, 11:15 Uhr

Liebe Heike,

danke fuer deine vielen Gedanken, die ich einfach mal nacheinander kommentiere:

-Fingernaegel schneiden: schon passiert! Das hab ich wirklich als erstes gemacht...

-Ursachen: ich weiss es nicht genau, vermute dass ihm der Vater fehlt (berufl. zu sehr eingespannt).Ich bemerke, dass er geradezu auf Maenner fixiert ist. Etwas anderes faellt mir nicht ein.

-"Das darfst du nicht tun". Ok, natuerlich weiss ich, dass ich die Situation nicht ueberschauen kann und mehr noch, ich weiss haargenau er wird es altersbedingt vorerst immer wieder tun, ABER er muss doch irgendwie lernen, dass Schlagen ein Fehlverhalten ist. Mir ist klar, dass er sich dass in seinem Alter noch nicht dauerhaft merken kann, aber gerade in dem Alter lernt er doch durch Wiederholungen, oder?

- Ich sage nie, du darfst A nicht schlagen, ich bleibe immer allgemein "aua nein"
Ich bin allerdings ueberzeugt, er wuerde A genauso schlagen wie B oder C...Es geht im uebrigen fast nie um Antipathien, es geht immer um "Macht". Er will die Rutsche fuer sich allein, das Holzpferd im Park ist seins, der Brunnen gehoert nur ihm....Wenn ein anderes Kind seine Sachen anfasst Katastrophenalarm.
Wenn wir also noch mal auf Punkt 1 zurueckkommen, er haut, wann immer er in der Gruppe seine Position gefaehrdet sieht. Es geht also um Selbstwert. Auch relativ alterstypisch.
Mich haut er auch, aber die Motivation ist anders, er haut, wenn ich mich durchsetzen MUSS (bitte glaube mir, dass ich aeusserst tollerant bin). In diesem Fall ist das schlagen rein instinktiv. Er ist sauer und haut zu.

Wie oft habe ich dir schon gesagt....Sag ich nie....Ich bin wie eine Platte mit Sprung, mein Spruch ist immer der gleiche "Aua nein. Wenn du Aua, machst dann muss ich das andere Kind schuetzen, weil es weint und Schmerzen hat und dann muessen wir gehen"

-Wir schlagen und klapsen nicht.

-Strafe als Hilfestellung fuers Kind. Sehr schoen gesagt, aber wie verraetst du nicht. Ich bin mir sicher, er wird in dem Moment aufhoeren zu schlagen, wo er versteht, dass er das gar nicht muss, um sich aufzuwerten. Ich muss ihn also in seinem Selbstwert foerdern wo immer es geht und das versuche ich. Aber es geht nun mal nicht nur um uns zwei...
Was mache ich mit den anderen Muettern? Und was mit dem geschlagenen Kind? Und vorallem was mache ich mit deren Erwartungshaltung?

Gruss
Christiane

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

ans SusanneZ wegen absehbar

Antwort von mamaselio am 27.06.2006, 11:19 Uhr

Ja Susanne, es ist absehbar.

Genau das hilft mir im Moment.

Da ich weiss, er haut, wenn es um sein Ego geht, bin ich sofort zur Stelle, wenn ein anderes Kind seine Sachen nimmt oder ein Kind hinter ihm die Leiter zur Rutsche raufgeht (da gibt er gern mal einen Tritt ins Gesicht, er will nicht, dass das andere Kind die Rutsche benutzt).

Ich weiss auch sehr genau, dass er ausholt, wenn ich ihm etwas verbiete oder etwas wegnehme.

LG
Christiane

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

nur ganz kurz *reinschwätz*

Antwort von wassermann63 am 27.06.2006, 11:22 Uhr

Hallole,

du, sage einmal, hat er während des Urlaubs am Meer auch aus "Besitzanspruch" gehauen?

Oder macht er das nur bei den Dingen, die er ca. 2039456 Mal gesehen hat und deshalb als sein eigen ansieht?

Und hat er während des Urlaubs andere Kinder gehauen?

Die Frage kommt mir grade so in den Sinn..
Lg
jacky

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

*mirselbstdieantwortgeb*

Antwort von wassermann63 am 27.06.2006, 11:28 Uhr

Hi,

jetzt habe ich mir grade die Szene auf der Rutsche vorgestellt.

Ne, ich glaube, er wird auch im Urlaub gehauen haben, gell?

Ich denke, er ist zu sehr ich-fixiert und hat einen zu großen Aktionsrahmen und -radius, innerhalb dessen er sich bewegen darf (und wenn nicht, trotzdem macht).

Sag einmal, du könntest doch a) mal ne zeitlang keine Spielsachen mit zum Spieli nehmen und ihn prinzipiell in die Nähe von größeren Jungs setzen. Dann mal kucken, wie sich die dann verhalten, wenn er anfängt, deren Sachen zu "bespielen" ;-) Außerdem würde ich ihn - so oft es geht - in die Nähe von größeren Jungs bringen (so 4-5 Jahre), die ihn natürlich anfangs nicht akzeptieren werden (weil sie ihn als Baby empfinden), aber wenn er es schafft, sich bei denen zu behaupten, dann braucht er diese unbändige Kraft, die er zweifelsohne hat, nicht mehr an Unbeteiligten rauslassen.

Lg
jAcky

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Re: nur ganz kurz *reinschwätz*

Antwort von mamaselio am 27.06.2006, 11:37 Uhr

Das wird sich zeigen Jacky, ich fahre am Samstag ans Meer....Und ganz wohl ist mir nicht...Es begleitet uns aber ein "grosser" (7) Junge, der ganz, ganz ruhig ist....hoff...

In Deutschland hatte er das auch ganz massiv...und das waren ja nicht "seine" ueblichen Spielplaetze...

LG
Christiane

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Re: *mirselbstdieantwortgeb*

Antwort von mamaselio am 27.06.2006, 11:44 Uhr

Hui,

genauso mache ich es im Moment. Wir nehmen kaum Spielzeug mit, nur den Ball (er soll rennen, damit er sich austobt), Eimer muss im Moment zu Hause bleiben...

Grosse Jungs: das funktioniert relativ gut, weil die so gut wie nie negativ reagieren. Wenn er einen grossen Jungen tritt (und das tut er zum Bsp am Brunnen, weil er nicht schnell genug trinkt und fuer ihn Platz macht), dann schauen die irgendwie mitleidig auf ihn herab und gehen dann...

4-5 jaehrig sind ideal. Hauen nicht zurueck und sind geduldig. Genau das forciere ich im Moment massiv.

Gruss
Christiane

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

jetzt hab'ich's ;-)

Antwort von wassermann63 am 27.06.2006, 11:57 Uhr

Habe grade Kleinsohni gestillt und mir nochmal Gedanken gemacht, bildlich sozusagen und da bin ich zu folgendem Schluss gekommen, wie du auch schon längst.

Dein Sohn braucht Autorität, um Respekt vor anderen entwickeln zu können. Nur wage ich mal zu behaupten, dass nicht nur dein Mann diese Autorität vertreten soll und kann, sondern auch DU ;-)

Das ist es, was mama heike mit "Führung behalten" meint, glaube ich. Autorität geben, d.h. dem Kind vermitteln, dass das, was Mama tut und sagt, Hand und Fuß hat und immer zum Wohle des Kindes gereicht. (auch wenn's den Kids nicht immer gleich einleuchtet ;-). ABer wenn sie darauf vertrauen können, dann müssten sie irgendwann mal diese Autorität akzeptieren und sogar danach verlangen..., sozusagen als schützender Rahmen, innerhalb dessen sie sich in dieser heute so komplexen und komplizierten Welt bewegen können.

Ein Beispiel: anstelle von aua nein plus Erklärung: kurzer Ansagetext, im empathischen Stil: es tut mir sehr weh zu sehen, dass du xy geschlagen hast. Er geht mir ein bisschen besser, wenn du sie/ihn um Entschuldigung bittest. Damit das aber in Zukunft besser wird, werden wir jetzt gehen...

Und dann wirklich gehen. Auch auf dem Spielpaltz würde ich es so machen, wenn er wieder anderen weh tut. Kurze Ansage warum und weshalb und dann gehen.

Ich glaube, seine Grenzen sind zu weit gesteckt, er hat einfach zu viel Freiraum, innerhalb dessen er sich "ungestraft" bewegen darf oder auch nicht, aber eben dennoch kann.

Das ist halt das Leid der neoliberalen Mamis (bin ja auch so eine und muss ständig an mich halten, um nicht wieder zu sehr zu beglucken... mein Mann hat da schon recht, die Kids tanzen mir sonst irgendwann auf der Nase rum und treiben Hugoles mit mir... Tatsächlich hatte der Große auch chon mit diesen Hugoles-Geschichten angefangen (Ebenso der Kleine), aber auch dank mama heikes Hinweis scheue ich mich jetzt viel weniger, auch mal GANZ KONSEQUENT zu handeln, vor allem, OHNE ENDLOS ZU LABERN und zu erklären...

Lg
JAcky

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Re: Du musst den Konflikt lösen

Antwort von SusanneZ am 27.06.2006, 11:59 Uhr

Du musst den Konflikt lösen, da dein Sohnemann es selber noch nicht kann. Nur so kann er lernen wie er anderst damit umgehen kann. Wenn er ein anderes Kind schlägt, tritt oder beißt, dann musst du eine Lösung finden, um ans erwünschte Ziel zu kommen (Im Sinne deines Sohnes).

Zum Beispiel Rutsche:
Tritt dein Sohn, dann rege ihn zur Wiedergutmachung an und kleiner Tipp noch: kürze deinen Satz. Der ist arg lang.
Danach erklärst du ihm, dass die Rutsche allen Kindern gehört und dass er sich mit dem Jungen abwechseln soll. Das setzt du dann auch konsequent durch.
Ich denke schon, dass das so funktionieren kann.

Wenn du doch weißt, dass der Vater fehlt, dann solltest du mal mit dem Papa sprechen - wenigstens am Woende können sie doch sicher was unternehmen. Für seinen Sohn wird er doch noch Zeit finden, vor allem wenn er unter der jetzigen Situation leidet.

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

4-5jährige Jungs

Antwort von wassermann63 am 27.06.2006, 12:06 Uhr

Besser wäre es aber, wenn die Jungs NICHT Platz machen, denn er soll ja nicht ständig seinen Willen "erhauen".

Dein Sohn muss ja echt beeindruckend sein, wenn sogar die größeren Jungs sich nicht wehren.. Dabei hat er soo liebe Augen und sieht so süß aus :-)

Du, dann musst halt zu noch größeren Jungs, so 7-jährige oder so.

ABer ich glaube, der Schlüssel liegt wirklich in deiner Autorität. Wenn dann deine Schwiemu auch ein bisschen mitzieht, dann sollte sich die Situation über kurz oder lang eigentlich entspannen und dein Sohni ein "gemütlicheres" Verhältnis zu sich selbst und seinen Mitmenschenkindern bekommen..

bin mal gespannt, wie es im Kiga wird. Da herrschen nämlich ganz eigene Regeln des menschlichen/kindlichen Miteinanders. Und die Kinder lernen da viiel dazu, im sozialen Verhalten.

Vielleicht verliebt er sich ja auch in ein ganz zartes Mädchen und wird zum Beschützertyp. Glaube ich schon ;-)

LG
Jacky

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Susanne

Antwort von mamaselio am 27.06.2006, 12:45 Uhr

Ich mache es wie von dir beschrieben und das funktioniert inzwischen einigermassen.

Ok, ich werde meinen Satz auf "aua nein, das tut weh" verkuerzen.

Vater: der wuerd schon gern, ist aber leider 5 Monate im Jahr in Asien. Wir gehen aber im Septmber gemeinsam nach Asien und dann wird auch das besser.

Gruss
Christiane

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Re: Na dann, weiter so...

Antwort von SusanneZ am 27.06.2006, 12:59 Uhr

... und wenn ihr dann zusammen nach Asien geht, dann wird sicher auch die Loslösung vorangehen. ;-)

Du schaffst es schon, ihm durch dein Vorbild ans Ziel zu führen.

LG SusanneZ

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Re: wie??

Antwort von ny152 am 27.06.2006, 18:17 Uhr

"Die „Strafe“ muss also für deinen Sohn eine Hilfestellung sein, und so sollte man Strafe generell verstehen: als Hilfe für das Kind. (Aber niemals als Genugtuung für die anderen Mütter.)"

klingt alles interessant, die wichtigste info aber bleibst du schuldig: wie genau sieht diese dem kind helfende strafe aus? beispiel?

ny152, selbst nicht betroffen, aber mit beispielen im bekanntenkreis

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Hab weiter oben geantwortet. (o.T.)

Antwort von Mama Heike am 27.06.2006, 23:14 Uhr

.

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Re: @mamaselio - wenn Kinder schlagen

Antwort von michabn84 am 30.07.2006, 15:42 Uhr

Er hatte es geahnt, oder vielmehr gefürchtet. Jeden Tag, da er aus der Schule kam quälte ihn die grausige Angst, das Schicksal hätte wieder eine Gemeinheit für ihn ausgedacht. Aber es war ja nicht das Schicksal, nein, es war sein eigenes Versagen. Er hatte die Strafe verdient, für seine Vergesslichkeit und seine törichten Fehler. Er hatte es leidig gelernt. Schlimm war es gewesen, als er das Neonlicht zertreten hatte. Er konnte es sich nicht erklären, hatte er die Tür zu weit aufgeworfen, war er im Dunkeln drauf getreten, weil er vergas das Licht anzumachen. Nun lag die Röhre kaputt am Boden. Und er hatte große Angst in seinen schreckgeweiteten Augen. Aber er würde nichts sagen. Würde der Vater fragen würde er sich unwissend stellen. Manchmal klappte es, so auch bei seinem Opa, auch wenn sein Vater drohte die Strafe für ertappte Lügen würde noch viel größer sein. „Aber ich weiß gar nicht was eine Neonröhre ist.“ Würde das glaubhaft sein. Er hatte es sich von seiner Mutter abgeguckt, sich aus dem Geschehenen rauszuwinden. Wie er lebte er in ständiger Angst. Da war dieser große überlegene allwissende Mann, der alles zu durchschauen schien, und jede Schandtat rächen würde.
Am nächsten Tag nach der Schule, hatte er eine erhoffte Ruhepause, sein Vater war noch nicht zu Hause. Doch zu schnell verging die Zeit, bis er aus seinem Zimmer abkommandiert wurde. „Michael wir haben etwas zu bereden. Du weißt worum es geht?“ Die Angst kochte, schon als er sein Zimmer verlies, war er unvorsichtig gewesen? Hatte er etwas vergessen. Hat er Spuren hinterlassen?
„Ich frage dich das letzte Mal, und du wirst mir die Wahrheit sagen“
Er wusste was geschehen würde, seine Glieder zitterten. Seitdem seine Mutter nicht mehr da war, konnte er sich nicht mehr verstecken.
„Du weißt verflucht noch mal wovon ich rede, muss ich deutlich werden?“ Vaters bisher ruhige Stimme wurde allmählich lauter. Aber auch die scheinbare Ruhe machte es nicht erträglicher, es war ein aussichtsloses Verhör. Sein Strafmaß war schon bestimmt, und konnte durch weiteres Zögern nur noch nach oben korrigiert werden. Er wusste es, er wusste es schon lange. Aber die niederdrückende Angst, er konnte es nicht sagen. Sein Vater wusste alles, aber er wollte es nicht wahrhaben, er hoffte wartete. Vielleicht würde die Zeit ihm helfen. Vielleicht würde es klingeln, und Vater konnte nicht mehr weiter mit ihm spielen.
„Deine letzte Chance, sonst wirst du so eine Tracht von Prügel erleben, wie du es noch nicht erlebt hast.“ Sein Vater war immer beherrscht. Klar er war wütend, aber er rastete nicht aus, er schien genau zu wissen was er tat. „Wird es bald, ich will es von dir hören.“ Die Stimme brummte in seinem Schädel, würden die Schläge hart werden. Hoffentlich nicht die Füße, die Experimentierfreude seines Vaters war groß, aber hoffentlich nicht wieder die Füße.
Erst jetzt ging ihm auf, dass er schon Tränen wimmerte. War das verräterisch, war das ein Schuldeingeständnis?
„Ich muss mal grad nach oben etwas holen, du wartest hier!“ Diese drohende ruhige Stimme, er konnte sehr laut werden, aber diese Ruhe machte ihn verrückt. Er wusste was er holen würde. „Komm mal nach oben ich möchte dir etwas zeigen.“ Meistens war das Schlafzimmer der Ort wo er geschlagen wurde. Aber jetzt war er sich nicht mehr sicher. Wollte der Vater auf die Neonröhre hinaus. Sicherlich war es das Schlimmste, wenn es dem Vater schon aufgefallen war, aber mittlerweile war jede Bewegung von Hans, von Angst verfolgt, Angst etwas falsch gemacht zu haben.
Der Vater hatte den Gürtel in der Hand. „Jetzt kannst du noch reden, verdammt.“ „Aber ich weiß nicht was, ich weiß nicht…“ hörte er sich mehr flüstern als sagen. Seine Angst erstickte seine Stimme, sie war leise und und hoch und durchsetzt von schluchzenden Schluckbewegungen. Er konnte es nur wiederholen und hoffen: „Ich weiß nicht.“
Die Peitsche drohte.
„Beweg deinen Arsch hier hin, zieh die Hose runter, du hast in diesem Haus hier nicht zu lügen.“ Jetzt schrie der Vater. Es war soweit. Michael krächzte und zitterte und bewegte sich nicht vom Fleck. „Ich zähle jetzt bist drei, dann liegst du bauchwärts auf dem Bett, sonst wirst du wünschen deine kranke Mutter hätte dich nicht auf die Welt gebracht. Die wird dir jetzt auch nicht helfen. Und du bist keinen Dreck besser als sie. Sie hätte dich gleich mitnehmen sollen als sie gesprungen ist, ich bin den verfluchten Wahnsinn leid… Du liegst noch immer nicht auf dem Bett.“
Er war wie betäubt, atmete hastig, es war gut den Verstand abzuschalten, das machte es erträglicher. Er spürte wie er zu Boden gerissen wurde. „Rede, du missratenes Ding.“ Er lag am Boden und wurde zum Bett geschleift. Seine Hose rutsche runter. Die Zeit war wie gelähmt, der Sekundenzeiger tickte im Minutentakt. Die Zeit spielte ein grausames Spiel mit ihm. Er erkannte dass sie auf der Seite des Vaters war, dass er nicht auf Zeit spielen konnte. Sie hatte ihn verlassen, und vergrößerte sein Leid mit jeder minutenlangen Sekunde. Der Schmerz des ersten Schlages war nicht schlimm auch nicht der Zweite… er hatte sich daran gewöhnt. Er stellt sich vor wie eine Hornhaut ihn schütze, wie die Schläge abprallten. Es zog, es brannte aber die Angst vor den Schlägen war Schlimmer als die Schläge selber. Die Stimme des Vaters ebenso.
„Steh auf, Mistvieh.“
Er fürchtete die zweite Verhörung und spürte wie seine vertrockneten Lippen, die die ganze Feuchtigkeit ausgehaucht hatten sich rührten: „Ich wollte die Neonröhre nicht kaputt machen. Ich weiß nicht ich bin draufgetreten.“ Die Antwort war nichts sagend und kalt „So.“ Er merkte es war noch nicht ausgestanden.
„Und der Fernseher?“ Der Fernseher, was war damit. Die Angst wuchs ins Unermessliche. War er kaputt. Ja, er hatte, abends ferngesehen, obwohl er nicht dürfte. Aber hat er ihn kaputt gemacht. Er hatte laut gedacht.
„Du hast dich dem Verbot widersetzt, und ferngesehen, in meinem Zimmer.“ Er spürte die Schläge, er wurde hochgerissen und hörte wie sein Vater wollte dass er stehen blieb. Zieh die Socken aus. „Strafe muss sein, glaub mir du wirst mich nie mehr belügen.“ Steh still, du Missgeburt deine Mutter“ Es ging seinen gewohnten Lauf. Die Gürtelschläge gingen nieder auf seine Füße, sprang er weg, war der nächste um so härter. Er spürte die Metallschnalle. Seine Sinne wurden taub. Das letzte was er erschöpft wahrnahm war, dass sein Vater sagte er würde am nächsten Tag nicht zur Schule gehen, stattdessen 500 mal schreiben: „Ich soll meinen Vater nicht belügen, wenn ich etwas angestellt habe“ sowie: „Ich muss meinen Vater respektieren“. Den Rest des Abends verbrachte ich in meinem Zimmer. Für die Neonröhre nahm mein Vater mir meine Briefmarken, aber das war egal, hauptsache ich wurde nicht noch mal geschlagen. Ich war froh allein zu sein. Es war still, mein Vater war wohl, wie so oft im Keller in der Werkstatt, aber ich traute mich dennoch nicht hinaus. Ich hatte Hunger und war furchtbar durstig. Und ich fürchtete schon den Moment, da ich auf Toilette musste. Aber ich würde mich dort hinschleichen müssen, würde ich es nicht tun wäre die nächste Strafe um so größer.

Beitrag beantworten Beitrag beantworten

Die letzten 10 Beiträge
Mobile Ansicht

Impressum Über uns Neutralitätsversprechen Mediadaten Nutzungsbedingungen Datenschutz Forenarchiv

© Copyright 1998-2024 by USMedia.   Alle Rechte vorbehalten.