Rund um die Erziehung

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Geschrieben von solelo am 30.10.2006, 23:43 Uhr

Was ist Nichterziehung?

"und ich gehe sogar so weit zu sagen, dass kein mensch das perfekt praktizieren kann, weil wir dazu viel zu sehr abhängig sind von täglichen stimmungen, befindlichkeiten und äußeren einflüssen auf unser innerstes. deshalb betrachte ich die nicht-erziehung in einigen (nicht allen) ansätzen zwar als gut, halte sie aber für nicht durchführbar."

Das stimmt so nicht. In den USA gibt es tausende, die dies durchführen und würdest du dich in deren Foren (Mailinglisten) umschauen könntest du davon überzeugt werden, dass sie es eben doch geschafft haben, sich von ihrer eigenen Erziehung zu befreien. Wenn man Erziehung als "Gewalt" empfindet, ist es leicht(er), sich davon zu befreien. Es ist in der Tat schwer! Aber nur weil etwas schwer ist, kann ich doch nicht sagen "ach, für meine Kinder wäre es ja schon besser und so... aber ist mir zu anstrengend". Ich muss mein Leben nach meinen Idealen richten und versuchen, denen so nahe wie möglich zu kommen; nicht andersrum. Klar, es ist viel einfacher, sich Ideale zu basteln, die zu meinem Lebensstil passen! So muss ich auch nichts ändern.

Wer Englisch kann, kann hier Anregungen zur Durchführbarkeit von Nichterziehung einholen (Deutsch weiter unten):

http://home.earthlink.net/~fetteroll/rejoycing/
http://sandradodd.com/unschooling.html
http://sandradodd.com/peacefulparenting

– wobei diese Links auch und vor allem über "Unschooling" sind (Leben ohne Schule); in den USA ist ja Homeschooling erlaubt, wobei das hier nicht religiös motiviert ist.
- hier findet man auch Erfahrungsberichte von Eltern und Kindern, die diesen Ansatz schon über Jahre (bis zu 20 Jahren) befolgen.

Weiterhin kann man nach "gentle parenting", "peaceful parenting", "taking children seriously" googlen und findet Tonnen an Blogs, Infoseiten etc mit Informationen darüber, wie man ganz ohne Regeln, Macht, Bestrafungen, Belohnungen etc. Kindern helfen kann, sich zu selbständigen, freien und verantwortungsvollen Menschen zu entwickeln.

Auf Deutsch führe ich eine eigene Seite, die sich mit dem Thema beschäftigt. Eine kleine Community von bislang 30 Leuten hat sich in der dazugehörigen Mailingliste entwickelt, mit lauter Menschen, die auf dem Weg zu Nichterziehung sind. Wenn wir nicht überzeugt wären, dass es irgendwann "perfekt" (oder nahezu perfekt) zu schaffen ist, würden wir es nicht versuchen!

www.unerzogen.de

die Mailingliste (die man auch als Forum nutzen kann, wenn man nicht so gerne so viele E-Mails kriegen will, dann einfach auf "web-basiert" umstellen) erreicht man hier:

http://de.groups.yahoo.com/group/unerzogen/

Dort geht es vor allem darum, gemeinsam nach besseren Lösungswegen zu suchen und um gegenseitige Hilfe auf diesem Weg.

Es gibt viele Englische Mailinglisten zu dem Thema, um nur einige zu nennen:

http://groups.yahoo.com/group/AlwaysUnschooled/
(mit 1392 Mitgliedern)
http://groups.yahoo.com/group/unschoolingbasics/
(1224 Mitglieder)
http://groups.yahoo.com/group/Consensual-living/
(420)

(in diesen Listen auch etliche sehr erfahrene Unschooler die schon über Jahre diesen Weg gehen und sicher schon "perfekt" sind, eine unerschöfpliche Quelle an Erfahrungsberichten – es IST möglich!)

Auf unerzogen.de werden laufend neue Artikel aus dem Englischen übersetzt oder selbst von mir verfasst. Es geht genau darum, um die praktische Umsetzung von Nichterziehung.

Desweiteren möchte ich eine bessere Definitionen liefern:

Unschooling:
Basiert auf John Holt, ein US-amerikanischer Lehrer/Wissenschaftler. Sein Leben lang
widmete er der Erforschung des Lernens. Er schrieb mehrer Bücher und er änderte seine
Meinung im Laufe der Zeit. Am Anfang wollte er lediglich die Schule reformieren. Im Laufe
der Zeit erlangte er mehr und mehr Erkenntnisse und kam zu dem Schluss, dass Schule
überflüssig ist, weil Kinder von Natur aus neugierig sind und wenn man sie nur lässt, sie
sich selbst mithilfe der Eltern/Erwachsenen alles aneignen können vom Lesen über
Rechnen bis alles Mögliche. Unschooling ist kindgeleitetes Lernen, wobei die Eltern alles
tun, um dem Kind zu ermöglichen, seinen Interessen zu folgen. Gleichzeitig sorgt der
Elternteil dafür, Kindern ein möglichst breites Spektrum an möglichen Interessen zu
bieten. Das erreicht er dadurch, selbst ein Leben voller Leidenschaften zu führen und
ständig neues auszuprobieren. Er "streut" (siehe "Strewing" bei sandradodd.com). Das
bedeutet, er erkennt die Interessen des Kindes, und eröffnet dem Kind verwandte
Interessensgebiete. Bsp: Das Kind interessiert sich für Vampire. Die Eltern leihen alle
Videos aus, die mit Vampiren zu tun haben, sie gehen in die Bibliothek oder in den
Bücherladen, kaufen /leihen Vampirbücher, sie gehen in Museen (wenn es solche ind er
Nähe gibt), sie sind aufmerksam, ob es Grusellesungen gibt. Sie gehen in einen
Kostümladen, sie basteln sich Sachen (Vampirzähne, Kostüme, Schminke), sie schauen im
Internet was es über Vampire dort zu lesen und sehen gibt. Sie gehen zu Vampir fest,
schmeissen eine Vampirparty. Gleichzeitig erweitern sie dieses Interesse um verwandte
Interessensgebiete: Wenn du Vampire magst, magst du vielleicht auch Hexen, Monster etc
und dann geht es da von vorne los. Über Interesse X trifft man vielleicht auch Person Y, die
was über Interesse Z erzählt, wodurch eventuell ein neues Interesse entsteht. Während des
Lernens über Interesse "Vampire", hat das Kind (aus schulischer Sicht) bereits viele
"Fächer" abgedeckt: lesen (aber über interessante Dinge!), schreiben (Einladungskarten?),
rechnen (Budget für Vampirparty?), Geschichte (wann waren Vampire aktuell, warum sieht
das alles so mittelalterlich aus – vielleicht ist man auch auf das Interesse "Mittelalter"
gestoßen, verschiedene Verweise aus Büchern über Vampire haben eventuell Interesse an
geschichtliche Ereignisse geweckt), Geometrie (Basteln? Nähen von Kostümen?) Englisch
(PC-Spiel mit englischen Texten? Filme auf Englisch mit deutschen Untertiteln?) etc. etc.
Wichtig ist aber bei Unschooling, dass man nicht aus dem Interesse eine "Lektion" macht
(quasi oh, jetzt interessiert er sich für Pilze, jetzt kann ich endlich eine Biolektion
vorbereiten), sondern dass alles Spaß macht und das Kind entscheiden kann, wann man
damit aufhört. Wenn das Kind kein Interesse an Vampiren mehr hat – gut. Weiterhin ist
über Unschooling zu sagen, dass durchaus auch Übungsblätter und Kurse oder gar
Schulbesuch möglich sind – sofern das Kind daran interesse zeigt und man das Kind nicht
in diese Richtung drückt.

Radical Unschooling:
Viele Eltern merken nach einiger Zeit Unschooling, dass es unlogisch ist, wenn man
einerseits die Message bringt: Ich vertraue dir, dass du allein entscheiden kannst, was du
lernen willst – aber ich vertraue dir nicht, dass du aufräumst/Zähne putzt/deinen TV-
Konsum selbst regulieren kannst/selbst weißt, wann du mit PC-spielen aufhören solltest/
wann du ins Bett gehen solltest etc etc etc. Das Kind ist frei in allen Bereichen, wobei der
Grundsatz gilt: Deine Freiheit hört dort auf, wo die Freiheit des Nächsten anfängt. Die
Eltern können durchaus "Grenzen wahren", wobei es sich immer nur um *echte* natürliche
Grenzen handelt. Eltern werden auf jeden Fall eingreifen, wenn jemand z.B. verletzt wird
– aber auch hier gilt ein respektvolles Miteinander und auch hier ist man bestrebt, eine
Lösung für alle zu finden und vor allem herauszufinden, was das eigentliche Bedürfnis des
z.B. schlagenden Kindes ist (oder was das Schlagen etwa bedeutet).

Bei Unschooling geht es darum, dem Kind zu *helfen* derjenige zu sein/werden, der es
bereits ist, und nicht ihn in eine bestimmte Richtung zu drücken. Um Unschooling zu
verstehen, ist es hilfreich, sich von "messbarer Leistung" zu verabschieden. Unschooling
legt den Fokus auf die *Stärken* des Kindes und vertraut auf die natürliche Neugier des
Kindes, die nach Meinung der Unschooler durch den Zwang, Dinge zu lernen, die man
nicht lernen will, zerstört wird.

Anzumerken sei noch, dass Unschooling überhaupt nicht mit Religion zu tun hat und
genausowenig Homeschooling. In Deutschlad hat "Homeschooling" diesen Ruf, das liegt
vielleicht daran, dass gerade besonders religiöse Familien den Wunsch hegen, dass ihre
Erziehung und Bildung ihren Idealen gerecht werden und sich daher noch mehr für
Homeschooling einsetzen. Soweit ich es überblicken kann anhand der Mails der englischen
Mailinglisten über Unschooling, so sind Unschooler breit gefächert: Atheisten, Christen,
stark Religiöse, Juden, Quaker. Mir kam es so vor, als seien es mehr Nicht-Religiöse und
"normale" Christen als alles andere. Ich glaube, für Unschooling muss man schon recht
offen sein :-)

Antiautoritär:
Dieser Begriff ist schon sehr verschwommen. Allgemein bekannt ist einfach nur, dass sie "gescheitert" sei, wie sie wirklcih ablief, weiß niemand so genau und ob sie das gleiche ist, wie Nichterziehung – keine Ahnung.

So wie wir, und auch KRÄTZÄ (schon mehrmals zitiert) Nichterziehung verstehen geht es einfach darum, Kinder wie gleichberechtigte Menschen zu respektieren, die einfach nur weniger Erfahrung haben und daher auf unsere Hilfe angewiesen sind. Nicht Hilfe, so zu werden "wie man werden sollte", sondern das zu werden, was sie sind.

Nichterziehung bedeuetet auf jeden Fall nicht, dass natürliche Grenzen (ich darf aus dem Fenster hüpfen) nicht beachtet würden. Es geht aber auch darum, den richtigen Umgang mit diesen natürlichen Grenzen vorzuleben, Konfliktlösung zu üben anstatt Lösungen (sog. "Konsequenzen") für Probleme, die WIR mit dem Kind haben aufzuzwingen.

Eine nähere Erklärung zu Nichterziehung, wie sie heute angestrebt wird (egal ob jetzt die Antiautoritäre Erziehung so war oder nicht), findet ihr hier:

http://www.unerzogen.de/definitionen/2006/10/07/was-ist-nichterziehung/

Alle, die sich interessieren und darüber diskutieren wollen, sind natürlich herzlich willkommen, sich in der Mailingliste anzumelden. Das geht auch ohne Yahoo-ID: einfach leere E-Mail an unerzogen-subscribe(_at*)yahoogroupsPUNKTde

Gruß
Solelo

 
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