Rund um die Erziehung

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Geschrieben von Lillimax am 15.04.2022, 11:21 Uhr

War bei uns genauso - Achtung lang

Viele kleine Kinder sind in diesem Alter noch sehr zurückhaltend und schüchtern. Meine Tochter war genauso. Sie sprach im Kindergarten kaum, antwortete auch den Erzieherinnen nicht, erwiderte Grüße nicht, spielte oft nicht mit Kindern, die sie nett dazu aufforderten. Das war bis ins frühe Schulalter hinein so.

Es gibt dann zwei Möglichkeiten: Man fordert das Kind unermüdlich auf, doch bitte anders zu sein als es ist. Doch nicht so schüchtern zu sein, sich zu trauen, mitzuspielen, wo doch das andere Kind so nett gefragt hat. Die Botschaft lautet dann: „So wie du bist, gefällst du mir nicht. Ich hätte dich gern anders. Ich schäme mich auch etwas für dich. Denn die anderen Kinder/Erwachsenen sind so nett zu dir, aber du reagierst nicht. Das wirkt komisch, und das ist mir peinlich.“

Diese Botschaft vertieft die Unsicherheit. Das Kind merkt: Mama hätte mich gern anders, sie mag mich nicht so, wie ich bin. Ich weiß aber nicht, was ich tun soll. Denn ich kann im Moment nur so sein, egal wie gern ich Mama auch gefallen würde.

Die zweite Möglichkeit, und für die habe ich mich damals zum Glück entschieden: Man vermittelt und sagt dem Kind, dass es perfekt ist, genau so, wie es ist. Man kommuniziert das auch gegenüber anderen, so dass das Kind es hört: „XY möchte im Moment nicht mitspielen. Sie schaut erstmal zu. Vielleicht macht sie später mit.“ Wenn Leute gesagt haben: „Du musst doch nicht so schüchtern sein“, habe ich gesagt: „Sie ist nicht schüchtern. Sie schaut sich alles gern erstmal an.“ So steht man für sein Kind ein. Und das Kind hört die Botschaft: Ich bin wunderbar, so wie ich bin. Weil nämlich jeder unterschiedlich ist, aber keiner besser oder schlechter.

Von dieser sicheren Basis aus, kann ein Kind im Laufe der Jahre seine Flügel immer mehr entfalten. Es fühlt sich angenommen und vollkommen richtig. Es wird nicht gemessen an anderen Kindern, die der Mama besser gefallen. Es fühlt sich komplett und ganz geliebt, nicht nur in den Teilen, die der Mama zusagen.

Was Du auch tun kannst: Hilf ihr konkret, wo das möglich ist. Geh also mit ihr zur Schaukel, wenn sie nicht allein dort hin will. Ich habe das auch gemacht, und nicht nur das: Ich bin sogar auf dem Kinderkarussell mitgefahren, weil meine Tochter sich das allein nicht getraut hat (habe einen Jeton gekauft und bin stehend mitgefahren :-)).

Es dauert zwar, aber ein Kind, das so sein darf, wie es ist, wird stark und selbstbewusst. Ich habe etwas, das Du noch nicht hast, nämlich die Erfahrung, wie ein solches Kind sich entwickelt. Deshalb kann ich Dich sehr beruhigen. Meine Tochter ist inzwischen 23. Obwohl sie bis ins zweite Schuljahr hinein sehr still war, hat sie sich langsam, aber toll entwickelt. Sie gewann nach und nach feste, treue Freundinnen, überall: in der Schule, in der weiterführenden Schule und auch jetzt auf der Uni. Nie viele, aber enge Freundinnen.

Sie ist fröhlich, selbstsicher, durchsetzungsstark, ist im Master-Studiengang und arbeitet parallel 20 Stunden bei einer großen Wirtschaftsberatung, wo sie schon eine kleine Karriere gemacht hat wegen ihres freundlichen, sicheren Auftretens und natürlich auch, weil sie etwas kann. Wenn Du sie treffen würdest, kämest Du nicht im Traum darauf, dass diese junge Frau, die sich auch gegenüber älteren Kollegen freundlich, aber entschieden behaupten kann, im Kiga-Alter kaum einen Piep von sich gegeben hat und auf den meisten Spielplätzen, Kindergeburtstagen usw. eher zugeschaut hat als mitzumachen.

Weißt Du, als Eltern haben wir die großartige Gelegenheit, unserem Kind eine Basis zu geben, auf der es sein ganzes Leben lang stehen kann, auch wenn wir längst nicht mehr da sind. Diese Basis ist: eine Liebe ohne Bedingungen. Die nicht sagt: Ich lieb‘ dich schon ziemlich, aber wenn du noch mutiger, noch anders, noch netter wirst, dann liebe ich dich noch mehr. Sondern eine Liebe, die sagt: Du bist goldrichtig, ich finde dich wunderbar in ALLEN deinen Facetten.

Du musst keine Angst haben, dass Deine Tochter sich dann nicht weiterentwickelt, weil sie ja schon so perfekt ist. Es ist umgekehrt: Wir können uns im Leben nur dann vollkommen entfalten, wenn die Basis so stark ist, dass sie uns bei allen mutigen Schritten trägt.

LG

 
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