Rund um die Erziehung

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Geschrieben von solelo am 29.10.2007, 1:00 Uhr

nicht gleichberechtigt = respektlos? (@Feelix)

Liebe Feelix, liebes Forum,


da war doch noch was, und zwar dieses Posting von dir:

***... Ja, in etwa das meine ich :-)

Worin ich mich allerdings nicht gemeint finde, sind die Gegensatzpaare, die Du (neuerdings? Oder fällt es mir jetzt erst auf? ;-) entwirfst:

"gleichberechtigt" = allen gerecht werden wollend, d.h. nicht "gleichberechtigt" = autoritär,***


Ich verstehe wieder deine Gleichungen nicht. Gleichberechtigung bedeutet niht, allen "gerecht" werden wollen. Es bedeutet, dass alle die gleichen Rechte haben. Das bedeutet weder, dass man es allen Recht machen will (das hat nichts unmittelbar mehr mit Rechten zu tun), noch, dass man dies immer könnte oder müsste. Es bedeutet lediglich, dass alle die gleichen Rechte haben, jeglicher Umgang mit Kindern also diese Rechte beachten muss, und dass Eltern natürlich genauso Rechte haben (jeder kann, wenn er will, zeitweise auf die Beachtung seiner eigenen Rechte verzichten zugungsten von was anderem, aber das kann man nur selbst. Andere *müssen* zunächst die Rechte der anderen beachten).


Die Gleichung: nicht gleichberechtigt = autoritär ist meiner Meinung nach auch falsch. Ich kann gleichberechtigt sein und trotzdem sehr autoritär meine eigenen Grenzen durchsetzen z.B. Das ist auch in gleichberechtigten Erwachsenen-Beziehungen so. Das ist jetzt nur Theorie, das soll nicht heißen, dass das immer der beste Weg ist oder der Weg, den solche Eltern immer gehen. Theoretisch kann man genauso gut nicht gleichberechtigt handeln, aber trotzdem nicht autoritär. Das eine hat mit dem anderen zunächst nichts zu tun.

Wenn ich das so dargestellt habe, dann war das ein Fehler von mir.

Nur am Rande, gleichberechtigte Eltern verlieren nicht an "Autorität". Nur ist das dann keine Autorität, die durch die Eltern in Stand gehalten werden muss durch spezielle "Maßnahmen" (Machtworte oder was weiß ich), sondern eine Autorität, die automatisch durch die Achtung und den Respekt der Kinder kommt/kommen kann. Sie merken ja, dass man viel weiß, viel erfahrener ist, man sich bei uns Rat holen kann, wir für sie da sind, sie beschützen können etc. etc. Sie wissen, dass wir theoretisch Macht über sie _haben_; dass wir sie nicht ausnutzen ist noch ein zusätzlicher Grund für mehr Respekt und Achtung vor unserer Autorität. Insofern würde "autoritäres Verhalten" wieder eine ganz neue Definition bekommen ;-)


"gleichberechtigt = respektvoll, d.h. nicht "gleichberechtigt" = respektlos ... ?!

Jain. Wenn ja, dann geht es hier um den Respekt vor den Rechten des Anderen. Nicht gleichberechtigt achtet nicht die Rechte der Kinder, die ja laut Gleichberechtigungsprinzip die gleichen sind, die Erwachsene haben. Wenn diese nicht beachtet werden, dann sehe ich das als grundsätzlich schon Mal respektlos.

*Ansonsten* können natürlich quasi abgesehen davon, die Eltern, die mit ihren Kindern nicht gleichberechtigt umgehen, trotzdem soweit wie unter diesen Umständen möglich respektvoll sein. Da sie ja außerdem nicht aus Gemeinheit die Rechte der Kinder nicht achten, sondern weil sie einfach davon überzeugt sind, dass die Kinder diese Rechte einfach nicht haben oder diese nicht beachtet werden müssen oder wie auch immer, können sie in diesem Rahmen natürlich auch respektvoll sein, in allen möglichen Dingen; sie schreien sie vielleicht nicht an, achten auf ihre sonstigen Bedürfnisse (außer eben die Bedürfnisse nach Beachtung ihrer Rechte, aber die sind ja nicht als solche anerkannt also sind sie in der Perspektive solcher Eltern auch keine, die "nicht beachtet" werden, es gibt diese wohl einfach nicht), sie demütigen sie nicht, sie hören ihnen zu etc.

In diesem Zusammenhang passt vielleicht die Definition von Gleichberechtigung in Eltern-Kind-Beziehungen, die Patrick Schimpke in seiner Diplomarbeit vorgeschlagen hat (ich habe sie hier glaube ich schon Mal gepostet):

++++
"Als 'gleichberechtigt' wird eine Beziehung zwischen einem Elternteil und einem Kind verstanden, in der biede Partner grundsäztlich nach _denselben_ Spielregeln miteinander umgehen, _die in engen Beziehungen zwischen Erwachsenen üblich sind_ ((hier meine Hervorhebungen)).

Folgende Regeln (oder Normen) gehören meines ((Patrick Schimpkes)) Erachtens dazu:

1. Selbstbestimmung eigener Angelegenheiten:
=============================

Entscheidungen, die nur für eine Person (sei es das Kind oder der Elternteil) und für niemanden sonst Konsequenzen haben und die dieser Partner selbst treffen *möchte*, stehen auch diesem Partner zu.

2. Mitbestimmung gemeinsamer Angelegenheiten:
===============================
Entscheidungen, die für mehrere Personen Konsequenzen haben, werden auch von diesen Personen gemeinsam getroffen, soweit sie sich an diesem Prozess beteiligen *möchten*

3. Gleichwertigkeit der Bedürfnisse:
======================

Im Prozess der Entscheidung über solche gemeinsamen Angelegenheiten wird Bedürfnissen nicht bereits deshalb mehr oder weniger Bedeutung beigemessen, weil sie beim Kind oder beim Elternteil liegen. Alle Bedürfnisse sind grundsätzlich gleich wichtig, egal, wer sie hat.

4. Vertrauensvorschuss:
===============

Beide Partner unterstellen dem anderen ein Interesse an einer befriedigenden Beziehung. Entsprechend gehen sie davon aus, dass er/sie die Absicht hat, die Bedürfnisse des Gegenübers angemessen zu berücksichtigen und sich kooperativ zu verhalten. Man begegnet sich mit diesem quasi positivem Vorurteil, das erst bei gegenteiligen Erfahrungen themenspezifisch, und meist auch nur zeitweise, außer Kraft gesetzt wird.

( . . . )"

Das ist nicht dogmatisch zu verstehen, so sagt Schimpke in seiner Erläuterung:

"Wenn eine erwachsene Freundin im Kokainrausch spontan einen folgenschweren Kaufvertrag unterschreiben will, oder wenn ein Kind hinter seinem Ball her auf eine befahrene Straße läuft, ist Fremdbestimmung legitim.

( . . . )

Von Kindern werden in diesem Konzept auch nicht ganz besonders viele Entscheidungen *verlangt*; daher das jeweils hervorgehobene Wort "möchte". Man kann davon ausgehen, dass Kinder viele Entscheidungen gern den Eltern überlassen: angefangen bei der Wahl zwischen fettarmer und Vollmilch bist zur besagten Eigentumswohnung. Es besteht also kein Anlass, eine Überforderung von Kindern mit zu großer Verantwortung anzunehmen. Andererseits ist diese Freiwlligkeit auch nicht so zu verstehen, dass dem Kind Selbst und Mitbestimmung nur dann eingeräumt werden, wenn es von sich aus darum bittet.

( . . . )

Der Ausdruck "Entscheidungen, die für mehrere Personen Konsequenzen haben" (siehe Regel 2) umfasst auch Störungen eines Partners durch den anderen Partner: Fühlt sich der Vater durch die Msuik des Teenagers gestört, handelt es sich dadurch um eine gemeinsame Angelegenheit. Die *Entscheidung* des Kindes, laute Musik zu hören, hat für beide Beteiligten Konsequenzen, was eine gemeisname Lösung der Angelegenheit erforderlich macht.

Einer eigenen expliziten Bekräftigung bedarf möglicherweise der Grundsatz der Gleichwertigkeit der Bedürfnise. Möglicherweise messen viele Eltern den Bedürfnissen ihrer Kinder höheres Gewicht bei als ihren eigenen. Als Gründe mögen sie nennen, dass sie für ihre Kinder verantwortlich sind (nicht aber umgekehrt) und/oder, dass bei unbefriedigten Bedürfnissen in der Entwicklungsphase der Kindheit mit schwereren Konsequenzen zu rechnen sei als im Erwachsenenalter, wenn der Mensch vergleichsweise gefestigt ist. ( . . . )"
++++


Letzterer Abschnitt deutet darauf hin, dass wir eben nicht nur gleichberechtigt sind, sondern auch eine Eltern-Kind-Beziehung. Dieser Aspekt findet in Schimpkes Definition und auch in seiner Diplomarbeit nicht viel Beachtung, weil es da eben um was anderes geht. Aber er schließt nicht aus, im Gegenteil, dass trotz der vierten Regel sich Eltern eben auch entscheiden können, ihre Bedürfnisse zugunsten der Entwicklung der Kinder zurückzustecken.

Das beinhaltet für mich auch - das habe ich in dem anderen Posting angesprochen – eben dass man z.B. weiß, dass man mehr Erfahrung hat oder Kinder weniger "Bedürfniserkennungskompetenz". Dieses Wissen und diese Erfahrung setzt man eben ein, wenn es um konkrete Gefahren geht, und ansonsten kann man eben das Kind seine eigenen Erfahrungen machen lassen. Genau da tritt meine Funktion als nicht nur gleichberechtigter Partner, sondern eben auch als MUTTER/Elternteil, zu "leiten", lieber ist mir der Begriff "orientieren", Hilfestellung zu geben, falls nötig und erwünscht etc.

Das steht alles in keinem Widerspruch zu einem gleichberechtigten Miteinander.

Meine Orientierungsfunktion muss nur immer die Rechte des Kindes beachten. Und dann bin ich bei gleichberechtigten Eltern-Kind-Beziehung angelangt.

Um nebenbei noch eine Frage aus einem anderen Posting von dir zu beantworten: ja, ich benutze jetzt lieber diesen Ausdruck. Ich weiß nicht, ob die "Bewegung" das irgendwie übernimmt oder nicht, ich bin weder die Bewegung noch die "Leitung", noch eine gewählte Vertreterin noch ist die Bewegung überhaupt organisiert - bitte nicht immer wieder verwechseln.

Das ist ein Wort aus Patrick Schimpkes Diplomarbeit, allerdings ist das schon früher in anderen Schriften anderer Leute gefallen. Eine gleichberechtigte Eltern-Kind-Beziehung schließt Erziehung (im Sinne von bewusster Menschenformung durch gezielte Methoden und Erziehungszielen) ja sowieso aus, weil Erziehung (so definiert) nicht mit der Beachtung der Rechte des Kindes vereinbar ist.

Liebe Grüße
Johanna
unerzogen.de

 
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