Rund um die Erziehung

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Geschrieben von KaethiHe am 24.02.2022, 18:29 Uhr

melt downs an der Tagesordnung

Liebe Community,

ich wende mich an euch in der Hoffnung, Gleichgesinnte oder Tipps zu bekommen - oder einfach ein offenes Ohr.

Wir haben zwei Kinder (16 Monate und gerade 4 Jahre alt). Unser Großer macht und derzeit riesige Sorgen. Er war schon immer ein sensibles Kind, das mit Veränderung schwer klarkommt. Auch seine emotionalen Ausbrüche haben ihn und uns schon von Beginn an überrollt. Er war aber beispielsweise kein Schreibaby, die ersten 1,5 Jahre war er relativ pflegeleicht. Und die - ich nenne sie jetzt mal - Spitzen der emotionalen Ausbrüche ebbten immer wieder ab.

Nun ist es aber so, dass er ca. seit einer Woche (mal wieder) in einer Phase steckt, in welcher er Emotionen jeglicher Art nicht im geringsten kontrollieren kann. Er konnte das definitiv schon mal besser.
Er rastet förmlich aus. Schlägt, tritt, trommelt gegen den Spiegel, schmeißt Gegenstände, kreischt, ruft Ausdrücke und ist durch nichts zu beruhigen. Jegliche Angebote unsererseits (Kissen zum darauf schlagen, in den Arm nehmen und trösten, einfach da sein,...) werden von ihm abgelehnt. Wenn wir versuchen, im Anschluss den Grund für seine Reaktion zu finden, sagt er meistens "ich weiß nicht, warum ich das gemacht habe". Manchmal nennt er mir einen Grund und ich erkläre ihm, dass er uns doch mit Worten sagen soll, was er nicht mag/was ihn stört/was ihn bewegt, aber das schafft er beim nächsten Mal dann doch noch nicht.
Diese Reaktionen zeigt er sowohl bei Frustration, aber auch wenn er sich freut. Vorhin kam beispielsweise der Papa von der Arbeit nach Hause. Bislang hat er sich immer gefreut und konnte dies auch zeigen. Heute ist er sofort zu ihm, hat ihn gehauen und dann die komplette Garderobe abgeräumt und auf den Boden geworfen.
Manchmal kommt es mir so vor, als würde der Teufel höchstpersönlich in ihm wohnen.

Wir sind ratlos. Ich weiß einfach nicht mehr, wie ich reagieren soll. Selbst wenn ich ruhig bleibe - was wahrlich bei dem Lautstärkepegel nicht einfach ist - ändert es nichts an der Dauer des Gefühlssturms.

Vielleicht wisst ihr ja weiter - oder habt Ähnliches erlebt. Ich habe das Gefühl, wir stehen allein da auf weiter Flur.

Liebe Grüße

Kathrin

 
11 Antworten:

Re: melt downs an der Tagesordnung

Antwort von romankowitz am 25.02.2022, 9:51 Uhr

Jetzt weiß man auch, wie man früher auf Teufelsaustreibung kam ...

Spass beiseite. Ich glaube Ihr macht das schon gut. Der Bub kann mit seinen Emotionen noch nicht umgehen, das muss er Lernen. Ihr könnt nur unterstützen und Ruhe bewahren.
Die Kita wird Ihren Teil dazu betragen. Konsequenz ja, Regeln muss es weiterhin geben. Aber Emotionen in den Griff zu bekommen, ist für Erwachsene schon schwer ....

Mein Sohn hat in diesem Alter sogar mit Auszug gedroht :-) Erst war ich traurig, beim zweiten Mal dachte ich, ich mache alles falsch. Beim Dritten mal war er schwups bei der Oma.

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Re: melt downs an der Tagesordnung

Antwort von Jorinde17 am 25.02.2022, 15:23 Uhr

Hallo,

ich habe beruflich öfters mit diesem Thema zu tun. Dein Sohn ist momentan noch ein sog. unterkontrolliertes Kind. Diese Kinder haben Probleme, ihre Impulse zu steuern oder zu kontrollieren. Mit vier Jahren ist das durchaus noch normal und relativ häufig, gerade bei Jungs.

Nun hilft einem dieses Wissen aber als Eltern ja nicht viel. Denn das Problem ist, dass unterkontrollierte Kinder verstärkt auch Aggressionen bei ihren Eltern auslösen. Die Eltern dieser Kinder möchten geduldig und liebevoll bleiben, es gelingt ihnen aber oft nicht. Denn Kinder, die noch wenig Impulskontrolle haben, sind definitiv anstrengender als andere Kinder. Ihre Eltern schimpfen oder schreien mehr, verhängen öfters Strafen oder „Konsequenzen“ (was gefühlt für das Kind keinen Unterschied macht, auch wenn Erwachsene hier einen Unterschied sehen) und geben dem Kind natürlich mehr negatives Feedback.

Deshalb brauchen Familien mit einen solchen Kind manchmal Hilfe, um anders mit dem Kind und ihren eigenen Gefühlen umgehen zu können. Hier hilft sehr eine psychologische Beratung. Und zwar nicht, weil mit dem Kind etwas nicht stimmen würde oder weil die Eltern etwas falsch machen würden. Sondern weil dieser Typ Kind den Familienfrieden sehr belasten und die Eltern zu einem Erziehungsstil bringen kann, den sie selbst gar nicht wollen, der ihnen aber passiert.

Man muss dazu wissen, dass Forscher inzwischen davon ausgehen, dass die (noch) mangelnde Impulskontrolle genetisch bedingt ist. Es ist also eine Typfrage, ob ein Kind eher ruhig oder wild ist, und ob es früher oder später seine Emotionen kontrollieren kann. Es ist vor allem kein Ergebnis der Erziehung oder von Erziehungsfehlern. Es ist wichtig, das zu wissen, weil dies schon sehr entlasten kann. Trotzdem kann es nötig sein, sich vorübergehende etwas Hilfe zu holen. Der Umgang mit einem stark impulsiven Kind folgt anderen Regeln. Du hast ja selbst schon bemerkt, dass Trost, Zuspruch usw. nicht helfen.

Wenn Du überlegst, ob ein paar Sitzungen beim Kinderpsychologen nötig sind oder nicht, gibt es einen recht einfachen Anhaltspunkt: In dem Moment, wo Eltern merken, dass sie anfangen, negativ, dauergereizt, laut, evt. sogar körperlich oder mit schlechter Erwartung („Dieser Einkauf geht bestimmt auch wieder schief“) aufs Kind zu reagieren, ist es Zeit, sich einmal bei der Fachfrau oder dem Fachmann aussprechen zu können und sich Tipps für den Alltag zu holen.

Auch wenn das Kind bereits 5 Jahre alt ist und die Schule bevorsteht, sollte man handeln, weil Kinder, die im 1. Schuljahr immer noch impulsiv-aggressiv sind, sehr anecken bei Lehrkräften und Mitschülern. Ihr habt natürlich bei diesem Punkt noch etwas Zeit und dürftet hier noch abwarten. Wenn Du oder Dein Partner aber merkt, dass Ihr oft kurz davor seid zu platzen, zu schreien oder gar mal handgreiflich zu werden, würde ich ruhig schon früher einen Beratungstermin ausmachen.

Als „Erste Hilfe“ ist auch dieser Artikel hier ganz gut:

https://www.urbia.de/magazin/familienleben/erziehung/hilfe-mein-kind-rastet-staendig-aus

LG

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Re: melt downs an der Tagesordnung

Antwort von KaethiHe am 25.02.2022, 18:57 Uhr

Vielen Dank für deine Einschätzung. Den Begriff „unterkontrolliert“ habe ich bisher noch nicht gehört, er klingt aber relativ passend.
Nach kurzem Googlen bin ich ehrlich gesagt aber ziemlich erschrocken, da laut einer Studie solche „unterkontrollierten Kinder“ später zu großer Wahrscheinlichkeit zu Straftätern werden.

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Re: melt downs an der Tagesordnung

Antwort von Ich-bins am 26.02.2022, 5:53 Uhr

Da kann ich nur sagen Finger weg von Google. Im Internet findet man den größten Mist aus unseriösen Quellen.

Wenn ihr, wie vorgeschlagen, einen Kinderpsychologen o.ä. zurate zieht, dann fragt ihr ihn/sie nach guter Fachliteratur.

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Re: melt downs an der Tagesordnung

Antwort von Luna Sophie am 26.02.2022, 10:04 Uhr

Google ist bei vielem ein sehr schlechter Ratgeber!
Oft sind Studien falsch interpretiert, übersetzt, aus dem Zusammenhang gerissen,...
Teilweise kann jeder irgendetwas schreiben.
Also große Vorsicht.
Auch findet man im Internet deutlich mehr negatives und schlimmes, als positives.
Wer schreibt schon mein Kind war mit 4-5 Jahren unterkontrolliert, aber mit 6J. hatte sich das verwachsen und heute ist er toller Familienvater, KFZ-Mechatroniker, Arzt, Anwalt, Komiker, Krankenpfleger,...
Nee, geschrieben wird über das wo man sich Sorgen macht, also derjenige der mit 4-5J. unterkontrolliert war und später kriminell wurde.

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Re: melt downs an der Tagesordnung

Antwort von KaethiHe am 26.02.2022, 10:29 Uhr

Ja stimmt, da habt ihr recht. Zumal man tendenziell auch vor allem in Situationen zum Googlen tendiert, die negativ behaftet sind. Und dann stößt man in der Regel auch auf Negatives.
Danke für Eure Einschätzung und Euer Sensibilisieren!

Aber ist es „normal“ (was auch immer „normal“ bedeutet), dass Kinder oder speziell Jungs im Alter von vier Jahren tickenden Zeitbomben gleichen?

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Re: melt downs an der Tagesordnung

Antwort von Luna Sophie am 26.02.2022, 11:27 Uhr

Versuche aufzuhören in "normal" und "unnormal" zu denken.
Kinder sind so unterschiedlich.

Mit 4 oder auch 5 Jahren kann es völlig normal sein, dass manche Kinder austicken.
Erwachsene sehen keinen Grund, das Kind selbst kann hinterher nicht sagen warum.
Aber das Kind konnte in der Situation nicht anders, weil es sich nicht kontrollieren konnte.

Kennst du das, dass der Kopf vor Gedanken überschwillt, dazu Gefühle die verarbeitet werden müssen.
Situationen, wo du am liebsten schreien würdest oder laufen oder ...
Du wirst das trotzdem kontrollieren können.
Du hast gelernt damit umzugehen. Dir einen Weg zu suchen ohne zu schreien, auf den Boden zu werfen,...
Manche Kinder können das mit 4 oder 5J. noch nicht.

Was hilfreich sein kann (nicht in der Situation und auch nicht direkt danach!):
mit dem Kind immer wieder über Gefühle zu sprechen
Dazu gibt es Bücher, die hilfreich sein können
ein Beispiel:
https://www.arsedition.de/produkte/detail/produkt/das-alles-sind-gefuehle-10931?utm_source=sfmc&utm_medium=email&utm_campaign=Bilderbuch+Februar+22&utm_term=button-shop

dem Kind viele Möglichkeiten geben Dinge auszuprobieren.
Entspannungsübungen für Kinder, Phantasiereisen für Kinder.

Im Grunde hilft nur ganz viel Geduld und liebevolles Begleiten.

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Re: melt downs an der Tagesordnung

Antwort von KaethiHe am 26.02.2022, 12:38 Uhr

Danke für den Buchtipp. :-)

Was es für mich nur wahnsinnig schwer macht ist, dass er sich sträubt, über Gefühle zu reden oder Bücher dazu anzusehen. Ich habe das Gefühl, er sieht sich dadurch ständig mit seiner fehlenden Impulskontrolle konfrontiert und macht dann dicht. Egal, wie lange der letzte Gefühlssturm her ist. Hast du dazu auch einen Tipp?

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Re: melt downs an der Tagesordnung

Antwort von Sternspinne am 26.02.2022, 20:29 Uhr

Also ich kann dir von meinem Sohn berichten.

Er hatte über viele Jahre Wutanfälle, die bis zu anderthalb Stunden gedauert haben. Nichts konnte ihn da rausholen. Und man wusste nie vorher, was diese auslöste, der falsche Löffel, ein komischer Traum, die Idee, ich hätte ihm vor einer halben Stunde die Jacke ausziehen sollen.

Um die zu umgehen, war ich so vorsichtig im Umgang mit ihm, hat ihm wahrscheinlich auch nicht geholfen und vermutlich kaum einen Anfall verhindert.

Ich war abends oft froh, den Tag überstanden und überlebt zu haben.

Das nur in aller Kürze, ich könnte seitenweise schreiben.

Mit neun Jahren änderte sich was. Er wurde sehr introvertiert, redete wenig, schien fast depressiv.

Naja, was ich schreiben wollte, er ist jetzt 26 und ein wahnsinnig toller Mensch.
Er kann mit seinen Gefühlen gut umgehen, ist sehr gelassen, hat eine sehr weise Sicht auf die Dinge, macht sich sehr viele Gedanken.

Allerdings kann er sich kaum an die Zeit erinnern, das macht es für mich etwas gruselig.

Das nur mal als positsives Beispiel, weil das oben jemand schrieb, dass man von diesen Fällen nie liest.

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Du hast PN.

Antwort von Luna Sophie am 27.02.2022, 10:31 Uhr

...

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Re: melt downs an der Tagesordnung

Antwort von kea2 am 27.02.2022, 12:42 Uhr

Ich bin mir sehr sicher, dass Dein Sohn längst begriffen hat, dass sein Verhalten unerwünscht ist.
Aber er KANN das nicht willentlich abstellen. Er wird eben von seinen Emotionen überrollt.
Du reduzierst das Kind gerade auf sein negatives Verhalten, indem Du immer und immer wieder darauf herum reitest.
Ich kann voll und ganz verstehen, dass Dein Sohn dicht macht.

Ich würde das Reden reduzieren und stattdessen handeln.
Das heißt, z.B. nicht warten, bis er den Flur zerlegt hat, sondern ihn festhalten, ihm in die Augen gucken und ihm streng sagen, dass das so nicht läuft.
Das gleiche würde ich tun, wenn er jemanden schlägt.

Manche Kinder kommen besser runter, wenn sie alleine sind.
Das war z.B. bei unserer Tochter so. Wenn man bei ihr blieb und freundlich auf sie einredete oder sie gar in den Arm nahm, wurde sie nur immer wütender.
Am besten hat man sie in ihr Zimmer verfrachtet. Da hat sie noch etwas herum gewütet, dann kam sie zurück und wollte reden und kuscheln.
Das mögen die aktuellen Erziehungsratgeber anders sehen, aber Kinder sind nun einmal Individuen. Kein Erziehungsratgeber passt zu jedem Kind.

Dann sollte man auf keinen Fall Angst haben, dass das Kind ausrastet.
Das haben die nämlich schnell raus und nutzen es zu ihrem Vorteil. Was meinst Du, wie viele Eltern springen, wenn der Nachwuchs tief Luft holt und den Eindruck macht, als würde er gleich explodieren?
Wenn man als Eltern der Meinung ist, dass etwas so zu laufen hat und nicht anders, und das Kind sieht das nicht so, explodiert es halt. So what?

Was die Zukunft angeht, wette ich, dass der Papa oder andere Verwandte von Euch als Kinder auch eine kurze Zündschnur hatten. Kinder kommen nämlich nicht auf fremde Leute. ;-)
Ich wette auch, dass diese Person(en) sich mittlerweile im Griff hat/haben.

Du solltest außerdem aufhören, immer gleich das schlimmste zu erwarten, wenn Deine Kinder Baustellen haben.
Es kann sein, dass bei Deinem Sohn mehr dahinter steckt, z.B. AD(H)S oder leichter Asperger Autismus. Aber es kann auch sein, dass Dein Sohn nur länger braucht, bis er lernt, sich zu kontrollieren als andere Kinder.

Die Menschen, die sich als Erwachsene noch nicht im Griff haben und straffällig werden, kommen entweder aus problematischen Familienverhältnissen, oder sie haben eine starke Störung, mit der dieses Problem einher geht.

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