Rund um die Erziehung

Rund um die Erziehung

Fotogalerie

Redaktion

 

Geschrieben von solelo am 25.11.2006, 0:12 Uhr

grmbl ...achtung falsch gepostet, hier richtig!

sorry – war abgeschnitten, irgendwie kommt das Board nicht mit meinem Format klar... ich hoffe, jetzt kommt alles durch!


Hallo Marion,

ich hatte ein paar Tage Besuch und kaum Zeit. Nun also endlich meine (sehr sehr lange) Antwort:

***hm ... wo fange ich an? Zuerst einmal fällt mir wieder einmal sehr auf, wie du einerseits sehr lapidar mit Worten umgehst (z.B. "... Hm, ja da hast du vielleicht Recht. Kannst alles umformulieren mit Grundrecht. Ich finde es kommt aufs selbe raus, ..." oder auch "... Aber es macht nicht so viel Unterschied, oder? Das "Recht" ein Grundbedürfnis auszuleben kann man ja auch "wegnehmen" ...") und andererseits so extrem auf die Definition von "Erziehung" bzw. Erziehungszielen pochst.***

lapidar mit Worten - Das Beispiel was du gebracht hast... ich kann einfach sooo schnell tippen, ich schreibe fast so schnell wie ich denke, daher kann es sein, dass ich am Anfang des Satzes noch denke, ja du hast Recht und dann irgendwann meine Meinung ändere und das so schreibe. Ich bin ja zum Glück nicht in der Schule und muss tolle Aufsätze schreiben, hauptsache, man versteht mich, und sooo schlecht schreibe ich glaube ich nicht. Wenn das ein "offizielles" Essay oder so wäre, dann würde ich mir mehr Mühe geben, aber ich habe eh schon kaum Zeit :-) sorry

extrem auf die Definition von "Erziehung" pochen – das ist aber schon wichtig. Wenn wir von Elefanten reden bzw. von Nicht-Elefanten, sollten wir schon beide die gleiche Definition von "Elefant" haben, einfach, damit wir uns verständigen können. Natürlich kann jeder ein andere Sicht von "Elefant" haben, manche sehen vielleicht "all großen Tiere" als Elefanten oder Mammuts sind halt auch Elefanten oder was weiß ich – wenn ich dann was über "Nichtelefanten" sage, so würde das für diese Leute die Mammuts und großen Tiere nicht ausschließen, weil sie halt einen andere Definition als ich haben. Das würde zu mitunter enormen Missverständnissen führen.

Wir müssen also unbedingt eine Basis finden, wir müssen uns alle auf die gleiche Definition von "Erziehung" einigen, bevor wir überhaupt über Nichterziehung reden. Unser Fehler war zunächst also, dass wir dies nicht geklärt haben, am Anfang denkt man auch, jeder hat die gleiche Definition von Erziehung. Wir könnten selbstverständlich auch DEINE Definition von "Erziehung" als Basis nehmen und dann daraus "Nichterziehung" ableiten und dann könnten wir erklären, ob "Nichterziehung" nicht doch auch "Erziehung" ist etc.

Ich persönlich finde es aber einleuchtender, auch für Leute, die später in Archiven schauen, oder neuen Mitlesern und auch für uns selbst, dass wir eine GÄNGIGE Definition nehmen, und da hilft am Besten ein Wörterbuch. DU kannst dann DEINE Definition von Erziehung damit abgleichen, und gerne auch deine behalten, aber für den Verlauf unserer Diskussion wäre es schon ganz gut, wenn wir auf Basis der gleichen Definition diskutieren, oder nicht? Sonst reden wir einfach aneinander vorbei.

***Warum so - wirklich fast schon - extremistisch? Wieso muß man sich auf EINE Definition von Erziehung einigen? Es gibt eben nicht nur EINE Definition von Erziehung.***

Eben doch, zumindest eine allgemeine, eine "offizielle". Lass uns bitte die nehmen:
Wir nehmen Mal von Duden: "Deutsches Universalwörterbuch" (2003)

-Zitat-
Erziehen:
1. a) jemandes (besonders eines Kindes) Geist und Charakter bilden und seine Entwicklung fördern.
b) zu einem bestimmten Verhalten anleiten
2. Pflanzen (heran)ziehen
Erziehung:
das Erziehen
-Zitatende-

Die Pflanzen lassen wir Mal außen vor ;-) ich bin höchstens mit "Entwicklung fördern" einverstanden im Sinne von so viele Möglichkeiten und Chancen wie möglich zu "streuen", damit das Kind SELBST eine Auswahl trifft. Jemandes Geist und Charakter bilden und jemanden zu einem bestimmten Verhalten anleiten – das ist Erziehung und das ist es, was Nichterziehung nicht will und nicht für nötig hält, weil Nichterziehung davon ausgeht, dass man nur selbst seinen Geist und Charakter bildet und keiner das Recht hat, jemandes Verhalten anzuleiten.

Ich kann freilich nur meinen Geist und Charakter bilden, wenn ich genügend Info kriege, dafür sind dann meine Eltern da – als Informationslieferanten und als Helfer, Partner, die mir helfen, groß zu werden, und das im Leben zu tun, was ich tun will – aber MEINEN Charakter und MEINEN Geist bilde SOWIESO nur ICH, und mein Verhalten wähle ich sowieso auch, mit oder ohne Erziehung. Jegliche Erziehungsmethoden sind da nur im Weg und für unsere Beziehung hinderlich, sodass ich im Endeffekt lieber auf andere höre, die mich *nicht* in meiner Freiheit einschränken; oder wenigstens genau das Gegenteil vom Erwarteten mache; oder mich so gut ich kann wehre, damit ich ein wenigstens ein Mindestmaß an Freiheit bewahre. Ganz einfach.

Eine weitere "allgemeine" Definition von Erziehung integriert all diese Dinge wie sich um das Kind kümmern, es pflegen, es baden, die notwendigen Sachen zu besorgen etc. Diese Definition steht nicht im Duden und ist auch nicht Basis, woraus wir Nichterziehung ableiten, denn offensichtlich bedeutet Nichterziehung *nicht*, dass wir das auch alles "nicht" machen! Daher ist die Duden-Definition ganz gut, und ich nehme sie als Basis.

***Deswegen fühle ich mich vermutlich auch immer so ein bißchen "angepi..." bei deinen Erklärungen zum Unterschied Erziehung/Nicht-Erziehung. Ich "ziehe" eben nicht an meinem Kind herum, aber ich würde - formell gesehen - durchaus sagen, daß ich meinem Kind seine Freiheit "gewähre". Das ist rein worttechnisch gar nicht anders möglich, denn dieses 2jährige Kind lebt bei uns, und da jeder in dieser Familie Bedürfnisse hat, muß auch das Kind sich da irgendwie einfinden.***

Warum muss sich das Kind in die Familie einfinden und nicht andersrum? Die Familie muss sich als ganzes Einfinden, in die neue Situation, dass ein Kind dazugekommen ist. Die "Freiheit" hat jeder in der Familie, und aus dem Standpunkt heraus, dass du theoretisch die Macht hättest, die Freiheit einzuschränken, "gewährst" du sie dann auch, stimmt. Theoretisch hat aber eigentlich jeder Freiheit schon von Geburt an, und man kann sie nur einschränken, oder eben nicht. Da es nicht das Ideal ist, Freiheit einzuschränken, gehe ich nicht davon aus, dass man "gewähren" muss, sondern dass man "nicht einschränken" muss. Der Unterschied ist einfach – ich lese gerade v. Braunmühl (für diejenigen, die dieses Gleichnis erkennen) – ob du einen Kreis um dich selbst bildest und sagst, da ist MEINE Grenze, die keiner übertreten darf, oder ob du einen Kreis um DEIN KIND zeichnest und ihm so "Grenzen" setzt, die es ja so dringend braucht (um...? wofür noch Mal? Ach ja, damit es "lernt" dass man... was? Ach ja, dass man nicht alles kriegt oder so... ach nee, dass andere Menschen eigentlich einen Kreis um sich selbst haben. Es wäre toll, wenn man dann lieber dem Kind von Anfang an seinen eigenen Kreis haben lässt, so wie es sein sollte, und nur um sich selbst einen Kreis zeichnet, dann hätte es viel länger in seinem Leben die Möglichkeit gehabt, zu lernen, wie man mit diesen Kreisen umgeht...)

***Ich hoffe, wir klären das nach Möglichkeit immer so, daß Raphael irgendwann (im entsprechenden Alter) durchaus in der Lage ist, sich seine Freiheiten zu nehmen ohne jemadem in dieser Familie zu extrem auf die Füße zu latschen ... Aber ich schließe definitiv aus, daß er in bestimmten Situationen die Freiheit (und auch das Bewußtsein dafür, wie Mama Heike schon erwähnte) hat und sich dem Anlass gegeben verhält.***

Das Problem ist, dass "sich dem Anlass gegeben zu verhalten" eine Vernunftsfrage ist, und Kleinkinder sind einfach noch nicht "vernünftig". Das Gefühl leitet sie – das Gefühl, das irgendwas "gut" ist oder eben "nicht gut" ist, das ist alles. Wir helfen, dass sich immer alles "gut" anfühlt und bauen damit auf das bereits von Geburt an vorhandene Vertrauen auf, anstatt es zu zerstören. Das ist die Basis, auf der Vernunft später fruchtet, anstatt zu verkorksen...

Selbstverständlich erwarten wir zu gegebener Zeit altersgerechte "Vernunft", aber wir "erwarten" das nicht im Sinne von "wollen", sondern im Sinnen von "darauf warten" – wir vertrauen, dass sie kommen wird. Erzieher glauben, dass die Vernunft "gebildet" – anerzogen – werden muss, sonst ist man ein Leben lang unvernünftig. Das glaube ich einfach nicht – das ist ein entscheidender Unterschied, und nur mit diesem Glauben kann man auch "vertrauen", und auf diesem Vertrauen wiederum baut das ganze auf.

***Anders kann ich es tatsächlich nicht ausdrücken, ich meine aber eben NICHT, sich irgendeiner gesellschaftlichen oder meiner Meinung zu beugen, sondern ... ein Bsp.: wir waren heute Regale kaufen in einem tollen Bio-Möbel-Paradies. Hier wartete mitten im Laden eine Mega-Dschungel-Rutsche, die auch ausgiebigst genutzt wurde :-) Wir hatten Zeit und so verlängerte sich dieser Einkauf durch Rutschen auf 19.30. Der Laden macht ja nun aber auch zu, also Vorbereitung auf den Abflug. Noch einmal rutschen, dann gehen wir bitte. Nö! Er rutschte dann noch 2 mal und beim 3. Versuch trug ich ihn unter "Gegröhle" aus dem Laden und mein Mann zahlte (auch ein netter Nebeneffekt *g*). Er hat sich draußen ja auch ziemlich schnell wieder beruhigt, denn draußen konnte man ja noch viiiiel besser die Schaufenster begucken, aber im Endeffekt nahm ich ihm die Freiheit oder? Und ein ähnliches Bsp. hast du doch selbst auf deiner Seite: wenn es mir nicht paßt (z.B. aus Ekelgründen), daß mein Kleinkind in der Kacke wühlt, nehm ich es halt weg. Wenn er es sich gefallen läßt gut, wenn nicht, dann was? Dann Pech gehabt? Ich könnte schwören, jetzt kommt wieder die Begründung, daß das ja eine "Grenze" ist, die von der Gesellschaft auferlegt und nicht zu ändern ist (Öffnungszeiten eben), aber ich sehe wirklich nicht den Unterschied zwischen dem Recht der Verkäufer auf pünktlichen Feierabend und z.B. MEINEM Recht auf ungestörten Schlaf vs. laute Musik um 3 Uhr nachts.***

(Vorweg: das mit der Kacke ist jetzt aber wirklich aus dem Kontext gegriffen. Das ist ein ellenlanger Artikel, ganz am ENDE steht, wenn man's *wirklich* nicht lassen kann dann soll man es halt wegnehmen. Das ist ein großer Unterschied. Es geht um die Phase, in der man Nichterziehung *übt*. Es geht um die Leute, die gerade anfangen und als erstes an alle Notsituationen wie mit Kacke spielen, aus dem Fesnter springen und so weiter denken. Mir geht es darum, wenn man mit Nichterziehung anfängt, dass man nicht irgendwie denkt, man müsste gleich für jede Notsituation die richtige Antwort haben, sondern dass man nach und nach versucht, mit den einfachen Situationen anders klar zu kommen - dann erledigen sich die Notsituationen sowieso eigentlich, sie passieren fast gar nicht, weil Notsituationen eigentlich meistens irgendwelche "Erziehungprobleme" sind, die bei Nichterziehung ja gar nicht passieren können ;-) und selbst wenn sie kämen, so wäre man gerüstet, weil man an den einfacheren Situationen geübt hat. Solange man übt darf man von mir aus das Kind halt weg nehmen. Wenn es sich das nicht gefallen lässt, dann eben *nicht* "Pech gehabt", sondern all die Beispiele, die im Artikel genannt wurden – verstehe ich nicht, wie du das vergessen konntest. Ist Mal wieder typisch, da wird einfach EIN SATZ aus dem Kontext gegriffen und allll die Möglichkeiten die ich genannt habe, weg gelassen udn dann "und was dann?? Pech gehabt??" – nervt ;-) Wenn es sich das nicht gefallen lässt, dann einen Weg finden, wie man ja sagen kann, ohne dass es gefährlich wird... dann muss man seine eigene Vernunft in Frage stellen, siehe unten.)
Es ist so – man kann tatsächlich nicht mit einem Kleinkind "vernünftig" reden. Das wurde hier schon mehrmals angesprochen, mit Kleinkindern, Krabbelkindern etc, sei es einfach nicht so einfach wie mit älteren Kindern, mit denen man schon "vernünftig" reden könne.

Im folgenden bis zu den drei Sternchen *** übersetze ich frei und zitiere von Scott Noelle (US-Amerikanischer Nichterzieher www.enjoyparenting.com) und integriere dein Beispiel in seine Worte und kommentiere dazu. Seine Texte und seine Telefonaufnahmen (er macht Telefoncoaching, für jeden, der Englisch versteht unbedingt zu empfehlen, allerdings kostenpflichtig! aber nicht teuer) haben mir total geholfen, Kinder und deren wahre Natur zu verstehen:

Was du erlebt hast waren zwei "Kulturen", die aufeinander prallten. Da wäre zum einen unsere Kultur, voller Regeln – auch ganz gute dabei, so ist es ja nicht - und Traditionen, Zeitdruck, Geld, Besitz, "Gesetz". Die andere Kultur ist eine ursprünglichere, eine "primitivere", sie basiert auf Emotionen, Gefühlen, "Bauchgefühl", Wünsche und vor allem darauf, "was sich gut anfühlt". Während in der ersten Kultur eher "Herrscher" dominieren, funktioniert die zweite auf Basis von Partnerschaft. Wenn man zurück geht und auf primitivere Gesellschaften stößt, oder auch jetzt noch in ganz abgelegenen Ecken in der Welt, findet man Kulturen, wo man diese Ur-Kultur noch intakt (oder vielleicht jetzt nicht mehr) findet. So eine Kultur war es, die Jean Liedloff in ihrer "Suche nach dem verlorenen Glück" wohl beschrieben hat.

In jedem Fall ist die Ur-Kultur eigentlich näher an das dran, was Menschen eigentlich sind, und zu was sie evolviert sind. Die andere Gesellschaft kam zu schnell, mit dem Geld, dem schnellen Verkehr, den Öffnungszeiten und so weiter, als dass sich der Mensch da schon hätte anpassen können. Kinder also erwarten mit all ihren Zellen und Genen und Körper und Instinkt und überhaupt, dass sie auf einer auf Emotionen basierten, eine Partnerschaftsbasierten go-with-the-flow-Gesellschaft geboren werden, kommen aber an und finden eine überstrukturierte, Regeln besessene Gesellschaft, Ängste, unnatürliche Gefahren, Psychotherapie bedürftige Menschen.. (und Erziehung)

Es ist also für sie schwierig, sich in diese Kultur einzufinden oder anzupassen. Seinen Protest bezeichnest du als "Gegröhle", weil es dir übertrieben vorkommt, melodramatisch, unnötig, was weiß ich. Das ist es auch, aber nur aus der Perspektive der Herrscher-Kultur. Aber *eigentlich* ist sein Verhalten ganz *natürlich*. Wenn man ein gezähmtes Tier in einen Käfig steckt, dann kann es ganz gut damit leben. Steckt man ein wildes Tier in einen Käfig, wird es sauer, aufgebracht, aggressiv, laut, "wild", "unvernünftig" etc. etc. Kleinkinder sind noch recht wild. Und gezähmte Großkinder genauso traurig und bemitleidenswert wie Zootiere :-(

Du hast es also mit einem Kind zu tun, dass einfach noch zu jung ist, unsere Kultur zu begreifen (so hattest du also doch Recht mit deinem "er kann das noch nicht begreifen"). Du willst aber eigentlich auch keine Gewalt anwenden, um ihm diese Kultur begreiflich zu machen. Eigentlich verstehst du ganz gut, aus deinem Bauch(-Gefühl) heraus, dass er es halt einfach noch nicht kapieren kann, weil seine "Natur", es anders vorsieht (vielleicht hast du das nur so noch nicht gesehen).

Nichterziehung würde also in einer dieser Ur-Gesellschaften, irgendwo sonstwo versteckt im Urwald, super funktionieren, aber hier, das kannst du einfach nicht glauben, dass es funktioniert, unsere Gesellschaft hat nun Mal so viele Regeln und so weiter, wir müssen das Kind vorbereiten.., glauben Erzieher (ich weiß nicht, ob du es glaubst, ich nehme es an). Es ist auch wahrlich eine Herausforderung, Nichterziehung "zum Laufen" zu bringen, sodass "es funktioniert", in unserer Gesellschaft. Unser Job als (nichterziehende) Eltern ist es, diesen Unterschied zwischen den beiden "Kulturen" zu kompensieren. Keiner sagt, dass es super einfach ist!!! Es ist vor allem nicht einfach, weil wir selbst schon auf diese Kultur "programmiert" sind, und wenn die Kinder schon das Ur-Vertrauen verloren haben (sie glaubten nämlich, dass wir sie mit der Ur-Kultur erwarten und ihnen vertrauen können), ist es noch viel schwerer. Es wird leichter, so wie alles, was man übt. Und irgendwann wird es "natürlich" und sehr "einfach".

Es wäre also unser Job, das Beste aus dieser Urkultur in unsere Kultur zu integrieren. Dazu muss man nicht den Trockner, die Waschmaschine, den DVD-Player und den Computer aufgeben und in den Dschungel ziehen – wir müssen einfach nur kreativ sein. Es ist besonders schwer, kreativ zu sein, weil so wenige mitmachen und Rat geben können, und weil unsere Eltern mit uns auch nicht sonderlich kreativ waren sondern "einfach" erzogen haben! Außerdem ist es schwer kreativ zu sein, wenn wir in Stress-Situationen sind, weil wir da nur schnell eine Lösung wollen und dazu tendieren, nur zwei zu sehen ;-) Kreativität fließt erst, wenn wir losgelassen haben und uns von Gefühlen leiten lassen.

Ich für meinen Teil muss noch viel üben und lernen, und ich lerne viel durch Versuch und Irrtum. Eines der Irrtümer ist, wenn man versuchte, mit einem Kleinkind "vernünftig" zu reden – sagt Scott Noelle, und das trifft es genau, daher will ich es unbedingt hier wiedergeben. Es geht einfach nicht – das weiß jeder. Den Kindern geht es sehr viel mehr darum, was sich "gut" anfühlt, nicht, was "richtig" oder "falsch" ist. Und das ist eigentlich eine tolle Eigenschaft, die sich nutzen lässt, um – später – vernünftig zu handeln. ERST lernt das Kind, mit "gut" und "nicht gut" umzugehen. Dann, dass es für Menschen verschiedene guts und nicht guts gibt. Dann, wie sich gut und nicht gut mit anderen Menschen (und deren gut und nicht gut) vereinbaren lässt, gleichzeitig lernt es also auch "richtig" und "falsch", also auch mitunter Regeln usw., die das Zusammenleben erleichtern. Langsam lernt es unsere Kultur kennen.

Der Kontrast entsteht, weil unsere Kultur "Vernunft" ("richtiges Verhalten", sich dem "Anlass angemessen zu verhalten") weiter oben stellt als Gefühle. In den Ur-Kulturen, oder in der Kind-Kultur, dominieren aber die Gefühle. Das ist "richtig" so! Bis Vernunft überhaupt ausgebildet wird, dauert es noch ganz lange. Also sollten wir zuerst die Gefühle nutzen - vor allem unsere!, um uns quasi in die Gefühlswelt der Kinder "einzuwählen". Wir können diese Gefühle nutzen, nicht, um stattdessen "unvernünftig" zu sein, sondern um unsere Vernunft zu "führen" oder zu "lenken" (ihr findet doch Lenken so toll ;-) ). Wenn WIR, als Eltern, uns also "unwohl" fühlen, etwa, wenn wir sehen, dass unser Kind noch rutschen will, und der Angestellte Feierabend will, und wir das "ungute" Gefühl haben, dass unser Eingreifen irgendwie scheisse ausgehen wird, so können wir dieses Gefühl nehmen, als Rot-Signal, um unsere "Vernunft" in dem Moment in Frage zu stellen und die Gedanken in eine andere, bessere, Richtung zu lenken. Dafür sind überhaupt negative Gefühle gedacht, als Signale, dass das die "falsche Richtung" ist. Leider wurde uns das Befolgen unserer Gefühle während unserer Kindheit und Jugend ab-erzogen...

Dass du es so angenehm und gewaltfrei wie möglich machen wolltest, dir Gedanken gemacht hast, ob das wohl seine "Freiheit einschränkt" oder nicht, zeigt, dass du sehr wohl bereits sensibel bist und erkennen kannst, wenn das "Gefühl" ja sagt, das "Gesetz" aber nein. Es geht einfach darum, wie man mit seinen Kindern und überhaupt mit Menschen umgehen will. Was ist dir wichtiger? Das Gefühl deines Kindes und die Beziehung zwischen euch oder "das Gesetz" (die Öffnungszeiten, der Feierabend von sonst wen, das Verbot, den Rasen nicht zu betreten...). Man muss immer dran denken, das Gefühl ist eigentlich wichtiger als das Gesetz, und solange die Vernunft noch nicht abrufbar ist, ist es sinnlos und oft einfach nicht wichtig, das Gesetz zu beachten (solange keine wirkliche Gefahr besteht).

Wenn dein Kind wirklich gleichberechtigt ist, dann könnten wir uns genauso gut vorstellen, es wäre ein anderer Erwachsener. Sagen wir, deine beste Freundin. Was hättest du denn dann gemacht, wenn das passiert wäre? Hättest du sie unter den Achseln gepackt und rausgetragen, dein Mann hätte bezahlt und dann hättest du deine Freundin mit Schaufenstern abgelenkt? Wie hätte sie sich gefühlt? Wie hättest du dich gefühlt? Wieso sollte sich dein Kind anders fühlen? Wieso fühlst du dich bei deinem Kind anders? Wieso respektierst du DEINE FREUNDIN mehr als dein Kind?? Sie wäre wohl stark genug gewesen, zurückzugehen, aber wenn man (als Kind) weiß, jemand hat sowieso Macht über mich, dann kann ich mich wohl auch gleich ablenken lassen, bringt ja nichts, zurückzugehen, ich werde immer wieder gezwungen werden. Dass die Ablenkung also "funktioniert" hat ist gar kein "Beweis", dass er das irgendwie "toll" fand, besser als die Rutsche, oder dass er sich wirklich "gut" gefühlt hat, sondern höchstens dafür, dass er bereits gelernt hat, zu resignieren :-( Hätte deine Freundin es aus Schwäche akzeptieren müssen, hätte sie sich zwar ablenken lassen, um den Schmerz zu überwinden, hätte sich aber trotzdem scheisse gefühlt und hätte dich auch ein bisschen blöder als zuvor gefunden - wenn nicht sogar ganz abgeschrieben (das passiert bei den eigenen Kindern zum Glück (oder zum Unglück der Kinder?) nicht so schnell...).

Höchstwahrscheinlich wäre es aber eher so gewesen: Freundin X, wir müssen gehen, der Laden macht zu. . Und dann? was hättest du dann gemacht? du hättest das wohl akzeptiert oder höchstens diskutiert. Warum kann man nicht mit nem Kind diskutieren? Man scheut die "Diskussionen" – die fand ich auch doof – aber eigentlich haben sie absolut Recht, zu diskutieren, zeigt sich doch oftmals, dass es doch so viele andere Wege gibt. Und bei der Freundin habe ich auch kein Recht, sie einfach zu packen und zu handeln. Es sei denn, sie handelt höchst unvernünftig und was weiß ich, will von oben aus der Rutsche springen statt zu rutschen und würde sich offensichtlich das Genick brechen, oder der Ladenbesitzer würde uns rausschmeissen und sie würde immer noch darauf beharren, da zu bleiben – dann würde man wohl auch bei der Freundin eingreifen.

Letztendlich hätte man *theoretisch* in Kauf nehmen können, dass ihr vom Personal rausgeschmissen werdet, sehr wahrscheinlich hätte dir dann dein Kind beim nächsten mal einfach geglaubt, dass der Laden wirklich schließt, wenn du es sagst. (das ist jetzt das Stück Text, das dann zitiert wird und worüber sich alle aufregen werden, obwohl ich gleich noch viel mehr Wege aufzeige...: )

Aber es gibt noch so viele andere Wege: Oh, du willst noch rutschen – ich frage Mal, ob es noch in Ordnung ist, weiter zu rutschen, obwohl sie zu machen. *Fragen, wie lange man noch bleiben könnte* So würdest du deinem Kind zeigen, dass du durchaus sein "gutes Gefühl" verstehst und respektierst und alles tust, um es ihm zu ermöglichen. Selbst wenn der Angestellte dann negativ geantwortet hätte – du hättest einen wesentlichen Beitrag zur Beziehung gemacht. Du hast einfach sowohl für dein Kind etwas entschieden, nämlich, dass ihr gehen müsst, als auch für das Personal was entschieden, nämlich, dass es "wahrscheinlich" unbedingt sofort Feierabend will. Aber wer weiß? wusstest du's? Vielleicht mag die Verkäuferin Kinder und wollte gerne sogar mitrutschen. Keine Ahnung! DU hättest Mal drauf klettern können und mitrutschen können, solange ihr noch konntet! Du hättest deine Angst erklären können "ich habe Angst, dass wir rausgeschmissen werden, das würde mir peinlich sein. Könnten wir was abmachen, dass für uns beide gut ist?" Wäre auf jeden Fall ehrlicher, als zu behaupten, man MÜSSE jetzt gehen, wenn es (noch) nicht stimmt.

Du hattest also schon ein bisschen im Gefühl, dass dein Kind gerade in einer andere "Kultur" lebt, in der Gefühlsbasierten Kultur, daher dachtest du irgendwann sicher "hmmm sehr wahrscheinlich wird er das jetzt nicht mögen... aber ich muss..." – diese Gedanken stehen im Gegensatz zu dem möglichen Gedanken (den man auch manchmal hat) oder eher Gefühl, dass irgendwas auf jeden Fall "funktionieren" wird, so eine Selbstsicherheit, ein tiefes Vertrauen, dass irgendwas einfach reibungslos klappen wird. Ein gutes Gefühl eben, dass man vor manchen Handlungen hat, wenn man weiß, es ist "richtig" UND "gut".

Scott Noelles Rat, wie man in solchen Situationen handeln soll, wäre also, dass man auf dieses "gute" Gefühl *wartet*, bevor man irgendwie handelt. Solange tue ich nichts, bevor ich mich nicht so gut fühle mit meiner Entscheidung. Warte, bis du dich sicher fühlst, sicher, dass es gut sein wird. Bis dahin machst du erst Mal nichts. Nicht warten, dass du dich mit deiner Handlung die du jetzt machen würdest, gut fühlst, sondern warten, dass eine gute Idee kommt, oder dass sich die Situation ändert, oder dass dein Kind sich gut fühlt mit dem Gedanken zu gehen.. oder... X. Das wäre also einfach "Geduld" :-)

Wenn man wartet, quasi auf Inspiration, oder auf den richtigen Moment, auf die richtigen Worte, auf eine Idee, nimmt man eine (geduldige) Haltung ein, die aber auch bereits selbstsicher ist (und somit eine gewisse Ausstrahlung hat), wenn du vertraust, dass das der bessere Weg ist. In dieser Haltung fühlt man sich nicht nur besser, man ist auch schon weniger gestresst, idealerweise völlig stressfrei. Nur ohne Stress, in einer positiven Haltung (in einer Vertrauenshaltung) fließen kreative Gedanken zur kreativen Lösungsfindung! Stress und Angst blockieren sie!.

Wenn man einfach ein bisschen Zeit vergehen lässt, bis man diese Selbstsicherheit fühlt, ändert sich erstaunlich oft schon von alleine was. Dann kommt vielleicht EH die Angestellte und sagt "ach, lassen Sie doch ruhig, ich liebe KInder" oder eben "wir müssen wirklich gleich schließen" (und das Kind versteht)... oder das Kind sagt "hey, rutsch noch ein Mal mit mir, dann will ich rüber zu den Schaufenstern" oder... du spielt Huckepack und ihr geht gemeinsam raus – oder eben, dir ist irgendwas tolles eingefallen, was du machen kannst, eher in der Art "Komm, wir spielen fangen!" oder keine Ahnung.

Gerade heute stellte ich mit Erstaunen fest, dass Geduld und warten auf "grün" soooo viel besser ist, als den Stress (rot) zu missachten. Meine Tochter schlug mehrere Aktivitäten vor und alles fand ich eigentlich irgendwie doof. Ich stand vor der Wahl, gar nichts mit ihr zu machen (doof) oder irgendwas (für mich) doofes mit ihr zu machen. Ich war irgendwie angepisst und wurde schlecht gelaunt. Ich lies mich auf ein doofes Spiel ein und wurde zunehmend ungeduldiger. Ich erinnerte mich an Stress=Rot und sagte offen "irgendwie fühle ich mich ‘nicht gut‘, ich bin irgendwie so... ich weiß nicht. Mir gefällt nicht, was wir machen... ich will das alles irgendwie nicht machen...." sie brach das Spiel ab. Wir überlegten gemeinsam, was wir machen konnten und bei mir kamen Zweifel auf: "ach, das klappt eh nicht, was soll mir jetzt noch einfallen, es geht einfach nichts, ich bin einfach schlecht drauf", dachte ich. Ich sagte: "ich mag halt lieber *echte* Sachen machen, kochen, backen, basteln, oder irgendwo hingehen, Schlittschuhfahren oder Bowlen oder so, aber alles kostet Geld.. Ich würde am liebsten mit dir jeden Tag irgendsowas cooles machen, aber es ist alles dann so teuer, wenn man es jeden Tag macht"... Sie meinte auch, so viel Geld hätten wir ja nicht und so. Dann lagen wir da rum und ich dachte mir "warte auf das richtige Gefühl..... nichts tun, keine Handlung, bis ich mich ‘gut' fühle".... und voilà – plötzlich hatte ich DIE IDEE! Wir würden uns eine Bowlingbahn basteln! Wir hatten schon für andere Projekte Klopapierrollen gesammelt, und hatten genau 9! Wir beklebten sie mit Geschenkpapier, meine Tochter dekorierte sie mit Federn, mit Krepp-Klebeband "zeichneten" wir eine "Bahn" auf den Boden, eine Ying-Kugel (diese mit den Glocken drin) diente als Bowlingkugel und es war ein Heidenspaß! Ich war so glücklich, sie war total glücklich und wir hatten beide was gefunden. Also - loslassen, dann fließen die Ideen! :-)

In so einem Fall wie im Laden ist es außerdem sicherlich besser, auf sanfte Weise (ab)zulenken und von mir aus zu "tricksen" – weil wir eben *nicht* im Dschungel sind und der Laden eben zu macht (natürliche Grenze), und das Kind nun Mal noch keine Vernunft versteht (was uns nicht davon abhalten sollte, selbstverständlich ein vernünftiges Gespräch zu versuchen oder wenigstens zu erklären, was passieren wird und warum, danach zu trösten etc.). Das heißt aber nicht, dass die beste oder gar einzige Option, die wir haben ist, das Kind "gewaltvoll" unter die Achseln zu packen und mitzunehmen. Denn was wird denn das Kind von dir denken? Was würde die Freundin von dir denken, wenn du so was mit ihr tun würdest?

Geduld ist nicht einfach in unserem System, in unserer Gesellschaft oder Kultur, wie auch immer man es nennt. Es geht oft darum, wie man möglichst effizient arbeitet, wie man möglichst wenig Zeit verliert. Das haben Kinder einfach nicht. Warum auch? Gefühle sind halt langsamer als Berechnungen und Regeln (vor allem, wenn man nicht damit lernt umzugehen und sie von Kind auf lernt zu verheimlichen, zu negieren, zu ignorieren oder dazu gezwungen wird: "jetzt heul nicht schon wieder" "da brauchst du doch nicht zu weinen" "ach das war doch nichts"). Daher ist es so schwer für uns – aber "eigentlich" ist es der "richtigere", "natürlichere" Weg, zu dem wir Menschen gemacht sind.

Wenn die Vernunft dann da ist, dann können wir ja über Zeitmanagement, Effizienz und so weiter mit unseren Kindern diskutieren, und sie werden selbst langsam – im EIGENEN Tempo – lernen, damit umzugehen. Bis dahin sollten wir versuchen, die Gefühle ernst zu nehmen, Geduld zu haben und es unseren Kindern so gut es geht möglich zu machen, ihr Leben von Gefühlen leiten zu lassen – sie haben ja auch sonst nichts, wie freiheiteinschränkend denn noch!? Keine Vernunft, kein Gefühl, nur auf meine Eltern hören soll ich. Kein Wunder, dass sie sich wehren und "gröhlen"!

Es macht auch keinen Sinn, erst die Instinkte durch Erziehung fast abzutöten und dann mühsam im Erwachsenenalter mit Ratgebern wieder zu lernen, mehr auf unsere Gefühle zu achten! Wie viele Ratgeber und Artikel in Zeitschriften wie Psychologie Heute oder Frauenzeitschriften gibt es von wegen "sich von Instinkten leiten lassen" "Gefühle sind wichtig" "auch negative Gefühle haben ihren Sinn" und wie viel besser das sei und blahblah....

Wie gesagt, das ist nicht einfach, und auch ich kann das alles am besten in Theorie :-) Aber ich glaube fest daran und arbeite daran täglich, stündlich, minütlich. Ich bin mir absolut darüber im Klaren, dass ich das nicht gleich perfekt kann, und ich mache täglich Fehler, aber ich mache auch täglich Fortschritte – meine Tochter hilft mir dabei, geleitet von ihrem GEFÜHL, das ist nicht mehr negiere ("ich bin nicht gemein").

Am besten man übt an einfachen Situationen, wenn man sich wirklich (eigentlich echt) Zeit lassen kann, nicht unbedingt an Notfällen! Man wird nicht von heute auf morgen alles anders machen, es ist ein jahrelanger Lernprozess, man muss üben und man muss sich Mühe geben und sich selbst in Frage stellen! Man kann nicht erwarten, dass wenn man schon in einfachen Situationen nicht optimal laut Gefühl verhalten kann, dass man dann auch die Notfälle handhaben kann. Trotzdem bringt ihr immer wieder Notfälle als Beispiele, auf die wir (Nichterzieher) dann Antworten geben sollen: "Aber was ist wenn..... < . . . >" ;-)

Je mehr man Gefühlsdominiertes Handeln übt, desto mehr kann man solche Situationen auch einfach vermeiden. Wenn man merkt, dass die Rutsche immer zu Stress führt und man das nicht oder noch nicht handhaben kann, dann geht man vielleicht das nächste Mal alleine hin und der andere Partner bleibt mit dem Kind da. Oder man geht früher. Oder man sieht wenn man im neuen Laden reingeht sofort die Rutsche und geht sofort zur Rutsche und der andere kauft ein und man handelt sofort mit dem Kind aus, wie lange man spielen kann und warum und überhaupt. Oder man geht am WE. Oder X. Wenn man geübt hat, dann wird man auf die Gefühle schon achten, bevor es überhaupt ein Notfall wird.

Um Kind sein zu dürfen müssen Kinder in Sicherheit ihre Umgebung erkunden können, dazu sind sie einfach (offensichtlich) programmiert. Idealerweise sind wir mit Kindern also in Umgebungen, wo sie sich frei bewegen können, ansonsten müssten sie ihre natürlichen Instinkte ausschalten und das wäre nicht so gut für ihre optimale Entwicklung. Wir suchen also Umgebungen, die "Ja! zum Kind" sagen, nicht ständig "nein" Und wann immer es möglich ist, sollte man Nein-Umgebungen vermeiden. Das bringt mit sich, dass wir mitunter "unangenehmerweise" uns lieber mit dem Freund im Park treffen, weil bei ihm zu Hause lauter teure Vasen stehen und Dinge, die die Kinder nicht anfassen dürfen und ihm diese Dinge sehr wichtig sind – eine "Nein-Umgebung" (in der ständig gesagt würde "nein.... das nicht anfassen..."

Wenn man also irgendwie... "eingewählt" bleibt auf der Gefühlslinie, ist man eine Art Puffer. Wir versuchen dann einen Weg, ja zu sagen, ohne dass es irgendwelche Probleme verursacht. Das kann sehr erfüllend sein, wenn man in der Lage war, Ja zu sagen, und das Kind irgendwelche Dinge selbst erkunden kann, und wir einfach da sind für Notfälle (also nicht präventiv!). Anstatt nein zu sagen, wenn das Kind die teure Vase des Nachbarn in die Hand nimmt (wir also trotz Übung bereits in einer Notfallsituation sind), sagen wir "Ja, super, wie interessant, was? komm, wir machen das zusammen." Du bist dann da und ihr schaut euch das zusammen an. Wenn das Kind irgendwie anfängt, die Vase herumzuschleudern oder keine Ahnung, drauf zu kicken, dann können wir sanft "schau, wir machen das anders" sagen oder so. Am besten, man würde gar nichts sagen, und Besitz wäre nicht so wichtig, und sie könnten die Vase einfach zerschmettern und sehen, was dann passiert, damit sie das nicht mit der nächsten Vase wieder ausprobieren müssen – aber wenn es nun Mal jemanden anderes gehört und man es nicht vermeiden konnte, so ist das das kleinere Übel, sie da zu korrigieren und notfalls – NOTFALLS – von der Vase zu trennen.

Diese Haltung ist eine die sagt "Ich weiß, dass du (im Grunde) vernünftig/kompetent bist, und ich weiß, dass während des Prozesses, Kompetenz zu entwickeln, Unfälle/Pannen unvermeidlich sind (ich bin dann auf jeden Fall für dich da)". Das Kind wird es auf jeden fall mögen, so betrachtet zu werden – es stimmt ja auch und ist auf jeden Fall besser – selbst wenn es eine Erziehungsmethode (zu der Frage, ob Nichterziehung eine Methode ist, später irgendwann Mal mehr) wäre – als "du bist (noch) nicht "richtig", ich muss noch was mit dir "machen", damit du "richtig wirst", du bist nicht vernünftig genug, daher übernehme ich das, obwohl du von dir selbst eigentlich glaubst, dass du es bist"... Du magst es sicher auch, wenn dein Lehrer oder Chef, oder deine Eltern oder keine Ahnung jemand, zu dem du hinaufschaust, in deine Kompetenz, in deine Fähigkeiten vertrauen hat (oder in die Fähigkeit, diese zu erwerben). Das wirkt wie ein "Engels"kreis. Dein Kind mag es, dass du ihm vertraust, und will es noch besser machen – du erlangst mehr Vertrauen in das Können des Kindes – das Kind will es noch besser machen, irgendwann vertraust du einfach und brauchst nicht mehr zu beobachten und immer helfend zur Hand sein, das wird wiederum auch vom Kind gemocht und so weiter...

***

***Womit wir bei der - mit Verlaub - seltsamsten Begründung aller Zeiten wären: "... Wenn sie Mal eine Party macht mit lauter Musik, oder einfach so laute Musik hört, so gilt es, damit klar zu kommen, dass wir alle gleichberechtigt im Hause sind und daher weder mein Kind ein "höheres" Recht (und damit ich "Pech") hat, laut Musik zu hören, noch ich ein "höheres" Recht, zu schlafen oder ein ander Mal laute Musik zu machen. Warum sollte mein Bedürfnis, zu schlafen, "höher" stehen, als ihr Bedürfnis, Musik zu hören? ..."

BITTTTTEEEEE????

Ja, aber selbstverständlich steht MEIN Bedürfnis nach Schlaf weit weit weit vor dem Bedürfnis meines Kindes (oder meines Nachbarn oder meines Mannes oder wem auch immer) laut nachts Musik zu hören! Schlaf ist nämlich ein Grundbedürfnis, Musik hören nicht. Ich muß morgens zur Arbeit und möchte daher ausgeruht sein, da wird mein Kind (oder wer auch immer) Rücksicht drauf zu nehmen haben. Ein ganz anderer Fall und da hat er Freiheit bis zum Exitus wäre, wenn ich die Musik nicht mitbekommen würde und er trotzdem laut Musik hören will nachts. Wenn er morgens zur Schule muß und absolut unausgeschlafen sein möchte - bitte! Nicht mein Problem, stört mich nicht - seine freie Entscheidung (Korrektur: doch, es würde mich stören und ich würde ihn vermutlich darauf hinweisen, aber mehr nicht).***

Ach ich weiß nicht. Ich verstehe schon, was du meinst, und kann nachvollziehen, dass Schlaf irgendwie eine höhere Priorität hat als Musik hören, aber weit, weit, weit, weit weiiiit nicht unbedingt. Das kannst du einfach nicht wissen, wie die Prioritäten des einzelnen liegen. Für DICH ist die Priorität, zu schlafen, für den anderen offensichtlich nicht.

1. Kannst du ohne Musik leben? Irgendwie ist es schon ein "Grundbedürfnis", wenn man keine Musik HAT, dann MACHT man welche, das beweisen sämtliche Kulturen der Welt, es gibt KEINE ohne Musik. Bzw, das habe ich nicht nachgeprüft aber ich bin mir so was von 1000%ig sicher, ich kann es mir gar nicht vorstellen, dass es eine Kultur ohne Musik gibt – so natürlich ist Musik ;-)

2. Hier geht es wieder darum, die versteckten Bedürfnisse zu sehen: Warum will das Kind laut Musik hören? Vielleicht Liebeskummer und will einfach Mal sonst "nichts hören können"? Dann wäre ich eigentlich froh, IRGENDWAS machen zu können, was ihr hilft, und wenn es mal sein muss, dass ich Ohropax anziehe. Würde sie vielleicht gerne in Diskos gehen, aber darf nicht, daher macht sie ihre eigene ? Möchte sie den Freunden imponieren? Möchte sie dich absichtlich stören – warum? keine Ahnung, da müsste man einfach Mal tiefer graben und schauen, was da los ist.

Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ein Kind, dass mit Respekt begegnet wurde, "einfach so" respektlos und rücksichtslos ist, weil es eben Lust hat ohne besonderen Grund. Entweder es gibt einen Grund, oder es versteht sofort, wenn ich sage, ich möchte schlafen. Wenn es einen Grund gibt, dann finden wir schon raus, was man machen könnte, damit alle wieder glücklich sind und keiner (wenigstens langfristig nicht) verzichten muss.

***Und diese Wortklauberei gefällt mir trotz allem nicht. Denn dadurch kommen doch immer wieder Widersprüche zum Vorschein, die vielleicht gar nicht so gemeint sind.***

LOL – eben das meine ich ja :-) Daher müssen wir als Basis etwas "allgemein akzeptiertes" nehmen und nicht DEINE Definition von Erziehung. Ich glaube der Duden ist allgemein akzeptiert. Daher betreibst eigentlich nur du die Wortklauberei, weil du darauf pochst, eine eigene Definition von Erziehung haben zu dürfen. Darfst du ja und kannst ja machen was du willst – aber wundere dich nicht, wenn es dann Missverständnisse gibt.

***Denn in der "heißen" Diskussion hast du (oder vina?) doch immer wieder darauf hingewiesen, daß Nicht-erzogene Kinder auch nicht viel weniger Enttäuschungen erleben, da man diese natürlich nicht ersparen kann. Es ginge vielmehr um die richtige Erklärung, um das "die Wahl lassen" durch die Darstellung der Auswirkungen von irgendwas (einer Tat in irgendeiner Form). Und oben schreibst du, daß Harmonie ggf. "das Ziel" wäre, was ja auch logisch ist und verständlich, schließlich lebt man in einem Miteinander. Ja, aber WO ist denn dann der Unterschied zu meiner Erziehung z.B.? Und da ist wieder der Punkt, wo man nicht eine Definition von Erziehung als Ausgangspunkt nehmen kann, denn ich lasse mich nicht über den "mund zu beim essen" "selbstvertrauen" "selbstbewusstsein" "teilen" "freundlich sein" "respektvoll sein" "bitte und danke sagen" "sich bei Tisch soundso verhalten" "grosszügig sein" "kein Sex vor der Ehe/einem bestimmten Alter" "kein Alkohol" "verantwortungsbewusstsein" etc..."-Kamm scheren (wie vermutlich einige aus diesem Forum).***

Ich kann dir nicht genau sagen, wo der Unterschied zwischen meiner und deiner Art ist, mit unseren Kindern zu leben. Ich kenne dich nur ganz wenig :-) Was bis jetzt zum Vorschein kam, kommt mir so vor, als wären unsere Ansichten weitestgehend gleich, nur dass du meinst, es gäbe – vielleicht seltener als bei anderen erziehenden Eltern – Situationen, in denen "Gesetz" nun Mal wichtiger ist als das "Gefühl", daher das Kind "falsch" ist und du irgendwie die Situation in die Hand nehmen musst, "weil es nicht anders geht", notfalls "musst" du das Gefühl ignorieren, so Leid es dir auch tut.

Grundsätzlich versuche ich davon auszugehen, dass das Gefühl *immer richtig* ist, und auf jeden Fall wichtiger als das Gesetz, daher sich das Kind nur "falsch" aus der Perspektive des "Gesetzes" verhält und daher das Gesetz (die Regel, das Verbot, die Öffnungszeiten, der Feierabend, ...) in Frage zu stellen ist.

In Frage zu stellen bedeutet für mich nicht à la Punk zu sagen "fuck the system", alles scheisse hier etc, sondern mich zu fragen – ob ich nicht DOCH noch 5 Minuten weiter bleiben kann. Ob es nicht DOCH einen anderen Weg gibt (Angestellte fragen, statt zu entscheiden, was sie wahrscheinlich fühlt und daraufhin meine Entscheidung das Kind betreffend zu fällen oder so zu tun als ob das ausschlaggebend sei und.... Machte der Laden um 19:30 zu oder vielleicht erst um 20:00? Konnte man versprechen, dass man morgen wiederkehrt – und würde man das wirklich machen? Ob man bei so was nicht DOCH nächstes Mal viel früher kommen kann. etc... etc.) Es ist mein Job, das vermeintlich "falsche" Verhalten als eigentlich "richtig" zu erkennen, und dies im Einklang mit unserer "falschen" Gesellschaft zu bringen, falsch im Sinne von "unnatürlich" im Sinne von wir Menschen sind für diese Art von Gesellschaft noch nicht besonders geeignet (siehe Stress, Krankheiten, Hirnkranke etc...). 

***Wobei mir dieses „ich kann ja wegsehen, wenn mein Kind mit offenem Mund am Tisch sitzt (oder eben amerikanische Kollegen)“ auch sehr fuchst. Wie weit gehst du in dieser Art Freiheit? Und wenn irgendein Dödeldepp mitten auf dem Kinderspielplatz den Drang verspürt, sich einen runter zu holen, dann kannst du ja wegsehen? Klar, ist wieder extrem, aber auch Freiheit ist relativ, denn jeder hat so seine Vorstellung davon.***

Verstehe ich nicht. Was machst DU denn, wenn ein Dödeldepp mitten auf dem Kinderspielplatz ... ? Ich glaube ich würde einfach echt weggehen. Willst du da noch groß rumdiskutieren und den "erziehen" oder was?? Meinst du das bringt was? Ich würde wohl die Polizei holen oder so, oder echt einfach gehen und mich darauf konzentrieren, wie ich meinem Kind das erkläre :-)

Keine Ahnung, aber das tut eigentlich sowieso nichts zur Sache, denn Menschen, die so was machen, haben weit größere Probleme und – was willst du damit eigentlich sagen? Dass Nichterziehung solche Menschen hervorbringen kann, wenn man sie nicht rechtzeitig "zügelt"? Ich wäre gespannt auf eine Studie oder einfach Statistik darüber, wie viel Prozent der Gewalttäter, Dödeldeppen, Mörder, Diebe, Vergewaltiger etc. wirklich – WIRKLICH –nichterzogen wurden (d.h. nicht vernachlässigt!)! Ich gebe Mal einen Tipp ab: 0%!

Wie weit gehe ich? Ich weiß nicht genau was du meinst. Ob ich mein Kind davon abhalten würde, sich auf dem Kinderspielplatz einen runterzuholen? *Kopfkratz*

++++

Bei solchen Dingen wie der offene Mund ist auch einfach Geduld angesagt. Es ist völlig unnötig, in der Jahren der "Unvernunft" tausend mal zu sagen "mund zu beim essen" und noch Mal tausend Mal "ich hab dir doch schon tausend Mal gesagt das..." (oh, mir fällt gerade auf, welch ein Segen, diesen Satz haben ich schon seit MONATEN nicht mehr gesagt :-D). Es ist auch danach unnötig, weil jeder einfach selbst entscheiden kann, wie er essen will. Wenn das Kind es will, weil es sieht, dass es besser ankommt, dass alle es machen, weil es gerne in feine Restaurants essen will, weil in Filmen niemand mit offenen Mund isst keine Ahnung – dann wird es das lernen, und zwar sehr schnell. Dann wird es reichen, die Information zu haben, dass es bei uns "so gemacht" wird, um eine Entscheidung zu treffen, die – wenn nicht auferzwungen – sehr wahrscheinlich von ganz allein so sein wird, wie allgemein "erwartet", einfach, weil das Kind von Grund auf sozial ist und gar keinen Grund hat, sich von der Gesellschaft abzuwenden, wenn es von ihr so akzeptiert wird, wie es ist.

Warum sollte man da mit Erziehung eingreifen? Genauso verhält es sich mit dem berühmten "Teilen" – SuzanneZ gab kürzlich ein Kommentar ab darüber, wie ihr Vater einfach Vorbild war. Immer wieder erstaunlich, wie toll Dinge funktioniert haben in Bereichen, wo die Eltern einfach losgelassen haben. Das hat der Vater nicht wirklich, wenn er "Vorbild" mit erzieherischer Absicht war (also von sich aus selbst eigentlich nicht geteilt hätte), trotzdem hat es als "Methode" gewirkt. Es hätte auch "gewirkt" (oder eben nicht – das kann man nie wissen!), wenn er das ohne erzieherische Absicht getan hätte – ich wünsche, er hat es so getan – denn Susanne wäre trotzdem oder umso mehr beeindruckt durch dieses Verhalten gewesen und hätte es nachgeahmt. Es muss nicht erzwungen werden!

***Und dann (und da bin ich eher noch extremer) ist da noch die Sache mit diesen „öffentlichen“ Grenzen (z.B. Öffnungszeiten, Schule etc.). Wieso sind diese Grenzen einzuhalten im Sinne von „es geht ja nicht anders“? Ich antworte mal fast nach meinem Motto: es geht IMMER auch anders.. In diesem Sinne wäre ich, was Freiheit des einzelnen betrifft, ja dann ein ziemlich schlechtes Vorbild. Und ich bin gut darin, mir diverse Schranken nicht auferlegen zu lassen (Arzttermine z.B., aber da wird man firm mit nem kranken Kind und Mann) und möchte (durchaus als Erziehungsziel), dass Raphael mitbekommt, dass man sich Schranken eben nicht immer auferlegen lassen muß … das ist doch auch ein guter Ansatz ;-))***

Bei Öffnungszeiten kannst du gerne mit deinem nichterzogenen Kind einfach warten, bis ihr rausgeschmissen werdet. Ich bin gespannt auf so ein Experiment, ernsthaft. Was würde passieren, wenn die Eltern immer warten, bis sie mit dem Kind rausgeschmissen werden? Ob das Kind nach höchstens 3 Mal wohl von allein gelernt hätte, dass der Laden zu macht und das nächste Mal sogar fleht "Mama, lass uns schon Mal gehen, sonst werden wir wieder rausgeschmissen!" ;-) Ehrlich, ich würde es echt Mal darauf ankommen lassen.

Ansonsten gibt es wie immer tausend Möglichkeiten, mit solchen Situationen umzugehen, und wenn man halt schon in einer solchen von außen eingeschränkten Situation ist, muss man als Nichterzieher das Beste draus machen und da kommen die eigenen Schmerzgrenzen, wie Vina schon erklärte, zu Tage.

Natürlich wäre Nichterziehung viel besser durchzuführen in einer Welt, in der es keine Öffnungszeiten gibt und keine Schulen (sowieso!) und keine sonstigen willkürlichen Regeln, und in einer kleinen überschaubaren Gesellschaft – also z.B. im Dschungel, aber da wir hier bleiben wollen, bleibt nichts anderes übrig als das Beste daraus zu machen. Das ist halt unser "Kreis" (Schmerzgrenze) – der Kreis, die Grenze, die um uns herum gemalt ist. Wir leben gemeinsam, gleichberechtigt und müssen eben sehen, wie wir miteinander am besten zurecht kommen. Extrembeispiel - wenn ich 6 Kinder hätte und wir würden abstimmen und alle 6 stimmen gegen uns 2 dafür, dass wir alle in den Busch ziehen - wenn wir wirklich konsequente Nichterzieher sind und wirklich an Gleichberechtigung glauben, dann ziehen wir in den Busch oder finden eine Lösung, wie wir diesen Wunsch unseren Kindern ermöglichen können. Und ja – es geht immer irgendwie anders: Bei uns steht tatsächlich zur Diskussion, ob wir von Deutschland wegziehen, wenn wir keinen Platz in der Freien Schule kriegen!

Dass man sich Schranken nicht immer auferlegen lassen muss – das weiß Raphael schon :-) bitte nimm ihn diese Sicherheit nicht weg.

Gruß
Johanna

 
Unten die bisherigen Antworten. Sie befinden sich in dem Beitrag mit dem grünen Pfeil.
Die letzten 10 Beiträge
Mobile Ansicht

Impressum Über uns Neutralitätsversprechen Mediadaten Nutzungsbedingungen Datenschutz Forenarchiv

© Copyright 1998-2024 by USMedia.   Alle Rechte vorbehalten.