Rund um die Erziehung

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Geschrieben von Mama Heike am 27.11.2006, 23:13 Uhr

Brainstorming

Hallo Johanna,

wir hatten hier im Forum mal eine sehr aufgebrachte Diskussion um das Wörtchen „Strafe“. (Leider ist in diesem Gerangel um ein kleines Wörtchen das eigentlich interessante Thema total untergegangen.)

Die Mißverständnisse kamen daher, weil Wörter in unserer Sprache NUR eine Bedeutung haben und keinen WERT.

Du suchst also nach einem anderen Wort für Erziehung, weil du ein bestimmtes inneres Bild von diesem Begriff hast. Du bewertest also dieses Wort.
Ich habe auch ein inneres Bild für Erziehung, so wie jeder seine eigenen Assoziationen hat, wenn er dieses Wort hört oder liest: Erziehung! Und manche schnappen sogar total über. :-)))
Was bedeutet denn nun dieses eine Wort "Erziehung"?

Du schreibst: „Es darf auf jeden Fall NICHT irgendwas mit "Erziehung/erziehen" heißen, denn obgleich manche eben auch das "Lenken" und "Bedingungen Schaffen" damit verbinden, so ist die "offizielle" Definition, oder EINE allgemeine Definition, eine menschenverachtende, siehe Duden-Definition.“

Und das (also menschenverachtend) ist die Duden-Definition eben nicht! Da machst du einen Denkfehler und mir ist wichtig, das zu klären, auch wenn es jetzt ziemlich theoretisch werden wird.
Die Definition im Duden ist völlig wertfrei! Du bist nur so von deinem inneren Bild so sehr befangen, dass du es nicht mehr siehst.

Im Duden steht (sinngemäß:
„Erziehen ist, wenn man den Geist und Charakter eines Kindes bildet.“
Ja, dass machen wir, aber schon allein dadurch, dass das Kind bei uns aufwächst. (Mehr Beispiele habe ich dazu schon in meinem letzten Posting gegeben.)
Etwas anderes wäre es, wenn im Duden stehen würde:
„Erziehen ist, wenn man versucht, den Geist und den Charakter eines Kindes -- gegen den Willen des Kindes -- zu bilden.“
Das wäre dann z.B. der Fall, wenn ich mein schüchternes Kind auffordern würde, etwas „Mutiges“ zu tun. Das wäre so nur ein frommer Wunsch und es ist auch nur ein Versuch, denn das Kind widersetzt sich, wenn jemand an seinem Stolz und seiner Würde kratzt.

Nun gehe ich mal einen Schritt weiter:
„Erziehen ist, wenn man versucht, den Geist und den Charakter eines Kindes gegen den Willen des Kindes zu bilden und Mittel nutzt, um den kindlichen Widerwillen zu bezwingen.“
Puhh, das klingt doch schon gewaltig oder? Ich würde dann mein schüchternes Kind ZWINGEN, etwas Mutiges zu tun.

Zu der weiteren Duden-Definiton verhält es sich analog: „Erziehen ist, das Kind zu einem bestimmten Verhalten anleiten.“ Auch das ist so formuliert völlig wertfrei!

Denn es steht nichts darüber, ob ich dazu Mittel benutze, die menschenverachtend sind. Man könnte mutmaßen, dass es sich um ein bewußtes Anleiten handelt. Selbst wenn ein bewußtes Anleiten gemeint ist, nimmt ein Kind keinen Schaden, solange ich keinen Druck und keine Gewalt (auch keine subtile) auf mein Kind ausübe. Es denkt sich höchstens seinen Teil. Ich gehe z. B. sehr bewußt mit Pflanzen und Tieren um. Mein Vater hätte kein Problem damit, eine Nacktschnecke über den Gartenzaun zu schmeißen oder zu zertreten, wenn meine Kinder dabei sind. Die Große wäre empört, aber die Kleine (2 Jahre) würde die „Geringschätzung“ der Schnecke wohl völlig normal finden. Ganz unbewußt läuft meist das Trösten ab, was auch ein Anleiten ist: „Wo tut´s denn am allermeisten weh?“ Das kleine Kind hört auf mit Brüllen (mehr aus Schreck, als aus Schmerz) und fühlt in seinem Körper nach, wo die Stelle ist.

Im Duden könnte aber auch stehen: „Erziehen ist, das Kind zu einem bestimmten Verhalten anleiten und das gewünschte Verhalten erzwingen. “ Aber so steht das eben nicht! Und das aus gutem Grund: Im Duden wird das Wort „Erziehung“ nur von seiner Bedeutung her geklärt, mehr nicht.

Alles andere Reininterpretieren ist „im Kaffesatz lesen“.

Es gibt kein anderes Wort dafür, was beschreiben könnte: Mir ist für eine gewisse Zeit ein Kind anvertraut und ich bin bereit, diese Verantwortung anzunehmen. Das ist Erziehung. Unzureichende Erziehung wäre Verwahrlosung und gar keine Erziehung wäre das Aufwachsen eines Kindes in einem Umfeld ohne Menschen.

So, ich hoffe, dass das jetzt nicht zu theoretisch war und es klärt auch ganz sicher nicht dein eigentliches Problem, dass Wort „Erziehung“ ersetzen zu wollen.
Aber ich kann dir da leider keine Hilfe sein, denn ich finde es völlig unnötig, ein geeignetes Wort zu ersetzen, man kann es ja beliebig ergänzen und damit Erziehung einen Wert geben.

Vielleicht würde ich an deiner Stelle doch auf einen englischen Begiff ausweichen, ich weiß es nicht. Da ist mir aber ehrlich gesagt der amerikanische „Wahnsinn“ zu präsent, für jedes Problem eine Selbsthilfegruppe zu gründen und das natürlich unter eigenem, unverwechselbaren Namen. Aber dieses Phänomen der „Grüppchenbildung“ ist wieder ein ganz anderes Thema.

Ich habe mich mittlerweile an „Nicht-Erziehung“ gewöhnt, so wie ich auch kein Problem habe „Konsequenz“ zu sagen statt „Strafe“ oder „Grenze“ statt „Verbot“. Man passt sich halt an.

Solange der gesunde Menschenverstand noch funktioniert und man nicht nur mit Nachplappern beschäftigt ist, sehe ich kein Problem.

In diesem Sinne - und für alle die bis hierher gekommen sind: Denkt mal drüber nach oder über was anderes. :-)))

Liebe Grüße
Heike

 
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