Rund um die Erziehung

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Geschrieben von Mama Heike am 24.09.2006, 21:29 Uhr

barb31 - für deine kleine Anna

Hallo Barbara,

erst mal kurz ein bisschen Theorie vorne weg: Unser Denk- und Sprachsystem ist DUALISTISCH gestaltet (hell-dunkel, gut-böse usw.). Dieser „Tradition“ verdanken wir, dass wir das Licht, das Gute, das Schöne, das Wahre, das Sinnvolle erleben können und dadurch auch das Gegenteil wahrnehmen (ohne Licht keine Finsternis, ohne Sinnvolles keine Unsinn usw.). In östlicher und in westlicher Kultur ist das oberste Kraftprinzip, nach welchem die Welt gebaut ist, ausschließlich das GUTE.

Ich will diese „Erkenntnis“ jetzt nicht weiter auswalzen, denn wir kennen sie alle. Ich wollte nur daran erinnern, weil dir Anna im Moment zu „gut“ vorkommt. Aber ALLE Kinder kommen so „gut“ auf die Welt.

Ich will ein kurzes Beispiel nehmen: Wenn ein Kind gern in den Zoo gehen will und diesen Vorschlag in der Familie macht, möchte es mit seiner Familie eine schönen Tag haben. Wenn es nur um sein Ego ginge, könntest du ihm seine Eintrittskarte kaufen und es alleine losschicken. Ich kenne kein Kind, was damit glücklich wäre!
Die meisten Kinder erleben, dass die Eltern viel gelacht haben und alle miteinander zufrieden waren. Das Kind wird also einen weiteren Zoobesuch gern als Wunsch anbringen. Egoismus (Ich wiiillll aber in den Zoo!) entsteht ja beim Kind nur, wenn sich in seinem Leben alles nur noch um „Spaß haben“ dreht und die Eltern darauf hin „arbeiten“.

Warum bleibt nun Anna still und äußert beispielsweise keinen Wunsch nach einem Zoobesuch (Zoo dient nur als Beispiel)? Sie erlebt ihn einfach anders als ihr Bruder, der Feuer und Flamme ist. Vielleicht tun ihr die Tiere leid oder es sind ihr zu viele Sinneseindrücke oder alle sind so mit Schauen beschäftigt, dass sie die körperliche Nähe vermisst? Vielleicht nimmt sie auch wahr, dass der Papa lieber schwimmen gegangen wäre?

Den ganzen „Vielleicht-Fragen“ brauchst du nicht näher auf den Grund gehen, sie sind nur ein Beispiel. Ich wollte damit zum Ausdruck bringen, dass jedes Familienmitglied seine eigenen Wahrnehmungen hat. Aber alle Kinder wollen auf ihre Weise etwas „Gutes“ für die Familie beitragen. Man muss nur alle Seiten sehen, auch die „Stillen“, wie die von Anna.

Wenn sie dir zum Beispiel alles recht machen will, heißt das auf ihre Art: Mama soll weniger Arbeit haben! Dein Sohn empfindet das gar nicht, aber Anna sieht die Last des Alltages auf deinen Schultern. Auch schon Kinder haben ein unterschiedliches Einfühlungsvermögen und bei Anna scheint die Empathie besonders stark ausgeprägt zu sein.

Wenn Anna als Baby schon „leise“ war, hat sie sich dank ihrer Empathie angepasst. Das ist in gewisser Hinsicht Selbsterhaltungstrieb, denn nur wenn Muttern die Kräfte nicht versagen, bleibt auch sie am Leben. (Da ich selber ein „leises“ Baby war, mein Bruder hyperaktiv und meine Mutter erst 19 Jahre alt, weiß ich aus eigener Erfahrung, wovon ich rede.)

Eine starke Empathie ist ein großes Geschenk und Anna wird sie ihr ganzes Leben lang begleiten, sie wird damit viel Positives bewirken können. Mit einer ausgeprägte Empathie fühlt man nur irgendwie die Last der anderen mit. Und man will keinem zur Last fallen, schon gar nicht den Menschen, die man am meisten liebt. Im Moment ist es so, dass Anna ihre Wünsche gar nicht vortragen KANN. Sie würde genau fühlen, wenn es irgendeinem aus der Familie nicht passt und das will sie gar nicht provozieren. Sie liebt euch alle, also hält sie lieber den Mund.

Aber eine wichtige Sorge kann ich dir nehmen, leichter ausgenutzt wird man dadurch nicht. Ganz im Gegenteil, dank der starken Empathie erkennt man viel leichter, was der andere im „Schilde“ führt. Und die Kraft, sich davon zu distanzieren, bekommt man mit einem gesunden Selbstvertrauen automatisch. Und dass sich Anna´s Selbstvertrauen gut entwickelt, das ist Eltern-Aufgabe.

Solange ihr mit eurem Verhalten klar zum Ausdruck bringt: „Du bist so genau richtig!“ stärkt ihr das Selbstvertrauen von Anna. Wenn du sie drängst: „Du kannst doch auch mal was entscheiden oder du kannst auch mal frech sein.“ gibst du ihr das Gefühl, dass sie so, wie sie jetzt ist, nicht „richtig“ ist.

Einfältige und gutgläubige Menschen können ausgenutzt werden. Gutgläubig ist man aber nur, wenn man NICHT weiß, was gut für einen selbst ist. Anna weiß sehr gut, was gut für sie ist und sie weiß es (unbewusst) sogar für die ANDEREN Familienmitglieder. Du solltest diesen wertvollen Impuls aufgreifen und genau „lauschen“, was sie für die Familien „Gutes“ tun will.

Ich rate dir Folgendes:

1. Überdenke deinen Alltag.
2. Spricht mit deinem Mann und appellieren an sein Vorbild.
3. Stärke die Kommunikation zwischen dir und Anna.

Zu 1.: Da Anna jede „Last“ genau fühlt, wird sie dir auch nie zu Last fallen wollen. Aber es liegt an dir, diese Last auf deinen Schultern auf ein Minimum zu reduzieren. Du kannst versuchen, jeder Arbeit ein wenig Freude abzugewinnen, also mit einem fröhlichen Trällern den Küchenabwasch erledigen. Man kann sich auch von allen helfen lassen, das stärkt das Gemeinschaftsgefühl.
Wenn du eher der aktive Typ bist, versuche um Anne mehr Ruhe zu bekommen, also die Zeit um deine Tochter künstlich zu verlangsamen. Wenn du redest, dann mit mehreren Pausen und viel Blickkontakt, beweg dich langsamer mit mehr innerer Anteilnahme.
Vielleicht musst du auch deinem Männe aufmunternd unter die Arme greifen, wenn er an seinem „Säcklein“ schwer zu tragen hat. Kommen deine Bedenken eigentlich hauptsächlich wegen deinem Mann, du schreibst: „Mein Mann hat genauso ein großes Herz (daß es schon nicht mehr schön ist).“?

Aber ich finde, so viel "Last" erlebt sie in eurer Familie gar nicht, denn sie ist nach deinen Worten ein gutgelauntes Kängeruh und du schreibst, die Freunde von Anne lassen sich gern von ihr führen. Sie ist also weder in sich gekehrt und auch nicht eigenbrödlerisch, sie nimmt fröhlich am Leben teil und von daher macht ihr aus meiner Sicht bereits alles super.

Zu 2: Ich denke, dass ich das nicht weiter erläutern brauche.

zu 3. Ich halte es für wichtig, dass du dich darauf besinnst, dass die beste und wichtigste Kommunikation zwischen deiner Tochter die ist, die OHNE viele Worte funktioniert. Vielleicht läßt es sich organisieren, dass du abends eine viertel Stunde nur für sie alleine da bist. Sie findet es vielleicht schön, wenn du ihren Bauch sanft einölst oder die Füße massierst. Man muss dabei nicht viel reden, aber durch den Körperkontakt schaffst du eine „Hülle“, die Anna in ihrem Dasein enorm bestärken kann.

Du stärkst Anna auch mit kleinen Geschenken, die „von Herzen“ kommen, ein kleines „Stück Mama“ also. Was an kleinen Geschenken für deine Tochter passt, weißt du sicher am besten. Bei uns sind es die ganz einfachen Dinge: ein lachendes Gesicht auf dem belegten Butterbrot, ein geheimnisvoller Edelstein, eine brennende Kerze zum Gute-Nacht-Sagen, eine Blüte in einer kleine Vase, ein gemalter Gute-Nacht-Stern oder Mond-Bild für den Schlafplatz …

Meine Große ist sicher ein ganz anderer Typ als Anna, aber sie fragt auch heute noch gelegentlich, ob sie mein Nicky-Tuch in der Schulzeit ummachen darf. Und sie fragt nicht, weil sie es besonders modern findet, sondern einfach deshalb, weil sie an manchen Tagen das Gefühl hat, ein „Stück Mama“ müsste sie begleiten.

Schön ist auch, wenn man abends Zeit für ein Gespräch mit seinem Kind findet. Man kann das Kind fragen (aber ohne Drängen), was schön am Tag war und was nicht so schön war. Es entwickelt sich so ein sehr großes Vertrauensverhältnis, was auch die Hektik und das Getrenntsein am Tag ausgleicht.

Und mit einem regelmäßigen Gespräch und einem "Stück Mama" für den hektischen Alltag schafft es Anna bestimmt auch bald besser, sich dir gegenüber auszudrücken.

Liebe Grüße
Heike

 
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