Frage: Zweijähriger überfordert?

Liebe Sylvia Ubbens, ich bin traurig: Mein bald zweijähriger Sohn ist im Moment ständig in Rage. Wir tanzen den Tanz auf dünnem Eis. Er reagiert ständig wütend: Wenn etwas nicht funktioniert, wenn ich etwas "Falsches" mache oder er schlicht und ergreifend müde ist und alles doof findet. Er war noch nie ein Kuschelkind, aktuell mag er gar keine Streicheleinheiten. In der Kombination mit Anti-Mama-Tagen, die er jüngst immer wieder hatte, ist das eine emotionale Herausforderung für mich. Mich begleitet permanent das schlechte Gewissen: Ich habe wegen der Wutanfälle zu wenig Zeit für unseren 3 Monate alten Sohn und frage mich überdies, ob ich meinen Zweijährigen vielleicht schlicht und ergreifend überfordere. Er geht 4 Tage die Woche für je 4 Stunden zur Tagesmutter. Dort spielt er mit drei bis vier weiteren Kindern und ist Teil des normalen Familienalltags. Neulich rief er mit dem Namen der Tagesmutter nach mir. Das tat mir sehr weh und brachte mich auch zum Grübeln: Bekommt er den Spagat zwischen Alltag dort und Alltag zu Hause nicht hin? Ist das zu viel für Kopf, Herz und Seele? Morgens braucht er überdies eigentlich länger zum Wachwerden und Spielen. Dadurch, dass wir den Tagesmutter-Termin haben, müssen wir uns regelmäßig beeilen. Ich versuche schon, den Zeitdruck von den Kindern fernzuhalten, werde das aber mit Sicherheit dennoch ausstrahlen. Was raten Sie? Pause in Sachen Tagesmutter machen? Wutanfälle aushalten und auf eine bessere Phase hoffen? Vielleicht ist gerade alles zu viel für ihn: Bronchitis seit vier Wochen, die letzten Backenzähne kommen ... Danke Ihnen vorab und liebe Grüße Maria

von FroggyMan am 28.04.2016, 10:49



Antwort auf: Zweijähriger überfordert?

Liebe Maria, ich kann mich den Ausführungen meiner Vorrednerin nur anschließen und diese nicht noch einmal (mit anderen Worten) wiedergeben. Nur eine Frage: Können Sie die Zeiten bei der Tagesmutter nicht ein wenig verschieben oder ggfls. täglich um eine halbe Stunde kürzen, damit Sie morgens nicht wegen der vereinbarten Betreuungszeit in Streß geraten? Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 28.04.2016



Antwort auf: Zweijähriger überfordert?

Hallo, bin keine Fachfrau, aber eine zweifache Mama. Wenn ich darf, würde ich deshalb auch gern etwas dazu kamellen. Ich glaube, Deinem Sohn geht es mit der Tagesmutter prima. Es ist gut für Kinder, wenn sie mehrere Bezugspersonen haben. Die einsame Mama-Kind-Symbiose, wie sie heute tagsüber die Regel ist, ist nicht kindgerecht. Kinder dürfen locker drei und mehr Bezugspersonen haben, so wie es früher war (mit Mama, Papa, Omas, Opas, Urgroßeltern, unverheirateten Tanten usw.), als die Großfamilien unter einem Dach wohnten. Das ist wesentlich natürlicher für ein Kind und sehr bereichernd. Es entlastet außerdem die Mutter. Dass Dein Kleiner neulich aus Versehen den Namen der Tagesmutter rief, zeigt nur, dass sie eine seiner Bezugspersonen ist. Es hat überhaupt keine negative Bedeutung! Sogar Eltern passiert es ja (das wirst Du noch merken, wenn Dein neues Baby älter ist), dass sie mal die Namen der Kinder verwechseln und aus Versehen den falschen Namen rufen. Das passiert andauernd und heißt nur, dass das Gehirn in der Eile mal daneben greift. Ich würde Deinen Sohn ruhig bei der Tagesmutter lassen. Gerade damit Du mit dem Baby entlastet bist - damit aber auch Dein Sohn mal Pause von der Eifersucht aufs Baby haben kann. Die plagt ihn natürlich sehr, auch wenn er das nur indirekt durch Wut und Trotz zeigen kann. Was die Wutanfälle angeht, würde ich versuchen, gelassen zu bleiben. Du musst nicht allzu sehr auf diese Anfälle einsteigen. Du musst auch nicht jeden Wunsch Deines Sohnes erfüllen, wenn dies gerade nicht möglich ist. Du musst ihm aber auch nicht viel erklären oder alles ausführlich diskutieren, wenn sein Wunsch nicht erfüllbar ist. Kleine Kinder kommen mit knappen Ansagen und kurzen Begründungen besser zurecht, ellenlange Ausführungen nehmen sie eh nicht auf. Wenn die Mutter einen klaren Standpunkt hat und dazu steht, ist es auch für das Kind einfacher, dies zu akzeptieren. Es darf dann aber auch einfach mal wütend sein. Wenn Dein Sohn keine Umarmungen möchte, kann es helfen, ihm nur freundlich die Hand auf die Schulter zu legen, wenn Du mit ihm sprichst. Meine Kinder hatten auch Phasen, in denen sie keine Umarmungen wollten, man muss sich dann wirklich bremsen und darf sie nicht "zwangsbeschmusen". Oft kommt das Bedürfnis nach mehr Nähe bei den Kindern wieder zurück, man darf sie aber nicht bedrängen. Ich finde, Dein Sohn verhält sich normal, dafür dass gerade ein Baby gekommen ist. Das ist für ihn eine große Herausforderung und nicht wirklich ein Grund zur Freude, auch wenn wir Erwachsenen das gern so sähen. "Alles zuviel" ist es für ihn aber nicht - Kinder sind von Natur aus in der Lage, die Ankunft von Geschwistern zu verkraften. Ebenso wie eine Zusatzbetreuung durch andere Bezugspersonen, wie die Tagesmutter. Erlaube Dir selbst, Dich durch die Tagesmutter entlastet zu fühlen. Die Situation wäre vermutlich noch anstrengender, wenn Du tagsüber ganz allein mit den Kindern wärest. Sei außerdem ein wenig liebevoller mit Dir selbst: Du musst nicht immer alles perfekt und richtig machen oder sofort Schuldgefühle bekommen, wenn Dein Kind seine üblichen Herausforderungen meistern oder Entwicklungshürden nehmen muss. Das müssen alle Kinder, und das können sie auch. Du bist eine gute Mutter, sogar dann, wenn Du mal entnervt bist! LG

von Bonnie am 28.04.2016, 11:12



Antwort auf: Zweijähriger überfordert?

Liebe Bonnie, naürlich darfst Du schreiben! Danke für Deine ausführliche Antwort und die aufbauenden Zeilen! Manche Tage/Zeiten sind wirklich hart für uns Mamas, finde ich. Ich habe mir früher immer vorgestellt, was für eine lockere, unkomplizierte, unkonventionelle Mama ich mal sein werde. Heute verstehe ich, das Theorie und Praxis manchmal ziemlich weit auseinander liegen. Dennoch habe ich mein altes Idealbild in meinem Kopf und bin dann doppelt geschockt, wenn ich plötzlich eher eine gestresste, genervte und kaputte Mama bin. Hinzu kommen all die Tipps, Ratschläge und Meinungen von außen, die einen auch irgendwie unter Druck setzen. Neulich sagte ein Nachbar zu mir: "Wieso geben sie denn ihren Jungen zur Tagesmutter ab? Sie sind doch zu Hause und haben Zeit!" Selbst, wenn meine Vernunft über diese altbackenen Sätze schmunzelt, ist mein Gefühl "Oh je, Rabenmutter!" An sich ist unser "Großer" wirklich ein Lieber und Süßer. Er kann schon vieles alleine, ist wahnsinnig kommunikativ, forscht gerne, ist lieb zu seinem kleinen Bruder. Vermutlich hast Du aber Recht: Früher waren ja nur er und ich ein Team, plötzlich liegt hier noch so ein Kleiner rum und gehört auch zur Mama. Das zu akzeptieren ist schon eine stramme Leistung für einen Zweijährigen. Gestern Nachmittag haben wir uns aber Zeit zu zweit gegönnt und sind zu seinem besten Freund zum Spielen gefahren. Das hat uns beiden irre gut getan. Werde ich wiederholen. In Sachen Wutanfälle müssen, glaube ich, vor allem mein Mann und ich noch mehr an einem Strang ziehen. Wir sind uns in der Umgehensweise mit dem Zorn nicht wirklich einig. Ich sehe es eher wie Du: Bisschen meckern lassen, bei wichtigen Dingen konsequent bleiben und bei Bedarf einfach in de Arm nehmen. Mein Mann hingegen redet und will eine Lösung erarbeiten oder zumindest das Problem verstehen. Ich glaube, die große Zeit dieser Taktik kommt später noch ... ;-) Ganz lieben Dank für den Zuspruch! Schönes Wochenende und liebe Grüße Maria

von FroggyMan am 29.04.2016, 14:40



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