Liebe Fr. Dr. Ubbens,
unsere Tochter, 14 Monate, hat seit einigen Wochen ständig Wutanfälle. Sie hat als Säugling schon exzessiv geschrien und schreit immer noch recht viel, laut und schnell, auch wenn es sich im Vergleich zum Anfang natürlich schon gebessert hat. Wir haben eigentlich immer versucht, auf sie einzugehen, sie immer viel herumgetragen und sofort getröstet (was manchmal gar nicht so einfach war, weil sie noch einen Zwilling hat, der aber wesentlich pflegeleichter ist). Nun kommen diese Wutanfälle, sobald ihr etwas nicht passt, z.B. wenn man ihr nach dem Zähneputzen die Zahnbürste wegnimmt, wenn ihr etwas beim Spielen nicht gelingt, wenn ihr Bruder gewickelt werden muss und sie keine Aufmerksamkeit bekommt. Sie schreit dann wie am Spieß, überstreckt sich, macht sich ganz steif und ist nur schwer zu beruhigen. Wie verhalten wir uns da am besten?
Bisher tragen wir sie dann herum oder versuchen sie abzulenken (zweiteres ist aber schwierig). Wenn man sie nur auf den Schoß nimmt und tröstet, ohne sie herumzutragen, stößt sie sich von einem weg und will nicht... Nun habe ich aber etwas Angst, dass sie sich dadurch wieder daran gewöhnt, ständig herumgetragen zu werden...
In dem Zusammenhang haben wir auch das Problem, dass sie allgemein sehr viel quengelt und ihre Frustrationstoleranz einfach seeehr niedrig ist... Sie ist oft schlecht drauf, und wenn ihr dann etwas nicht sofort gelingt, quengelt oder schreit sie sofort los oder schmeißt die Sachen hin u.ä. Sie erwartet sehr oft unsere Hilfe, bzw. dass wir dann die Sachen für sie holen oder aufheben - was wir dann auch oft tun, um einem weiteren Schreianfall vorzubeugen. Es ist ein bisschen wie ein Teufelskreis... Wie können wir unserer Tochter helfen, zufriedener zu werden und vor allem auch mehr Frustrationstoleranz zu erlangen??? Wie gehen wir am besten mit dem Quengeln und Schreien um? Mir war es immer sehr wichtig, sie nicht schreien zu lassen (Quengeln gab es bei ihr früher gar nicht, sie schrie immer sofort los), aus Angst vor den möglichen psychischen Folgen für sie, und eine gute und innige Beziehung aufzubauen, was mir, glaube ich, schon gelungen ist. Nun ist sie aber ja schon ein Kleinkind und wir haben ein bisschen Angst, dass sie “lernt“, dass sie nur zu schreien (oder quengeln) braucht und Mama und Papa dann springen, und dass sie so dann natürlich noch unzufriedener wird, weil sie dann ja auch weniger Erfolgserlebnisse hat...
Interessanterweise habe ich in der letzten Zeit das Gefühl, dass sie bei mir (Mama, sehr zugewandt und tröstend, vielleicht zu sehr?) oft mehr quengelt und auch mehr Wutanfälle hat als bei Papa, obwohl sie immer extremst mamafixiert war (sie ist es immer noch, aber nicht mehr ganz so extrem) und Papa sie bis vor Kurzem kaum auf den Arm nehmen durfte, wenn Mama dabei war... Wie passt das zusammen???
Entschuldigung, dass der Text so lang geworden ist und ganz lieben Dank im Voraus!
von
Chihiro
am 22.01.2018, 21:35
Antwort auf:
Wutanfälle und wenig Frustrationstoleranz
Liebe Chihiro,
die meisten Quengelkinder, später auch Trotzkinder, tun dies am meisten bei den engsten Bezugspersonen. Sie wissen, dass diese das aushalten und ihnen trotzdem weiterhin liebevoll zugewandt sind.
Tragen sie Ihre Tochter bei Wutanfällen gerne herum. Sie wird es nicht ausnutzen und aus dem Grund wieder vermehrt auf den Arm wollen. Ihre Tochter wird dies klar unterscheiden.
Ihre Tochter wird weniger Quengeln/eine höhere Frustrationstoleranz zeigen, wenn sie mehr kann. Sie wird zufriedener sein, wenn das Türmchen auch mal stehen bleibt, wenn sie laufen kann (falls sie es noch nicht macht) und sie sich so viele Dinge holen kann, die sie haben möchte usw..
Gerne dürfen Sie Ihre Tochter noch "verwöhnen" und ihr die Dinge bringen, sie ablenken, sie auf den Arm nehmen usw.. Im Laufe der kommenden Monate wird das Quengeln sicherlich weniger werden.
Viele Grüße Sylvia
von
Sylvia Ubbens
am 24.01.2018
Antwort auf:
Wutanfälle und wenig Frustrationstoleranz
Liebe Sylvia,
vielen Dank für die Antwort. In den letzten Tagen hat sich die Lage leider noch weiter zugespitzt: Meine Tochter hat nun STÄNDIG Wutanfälle, wenn ich dabei bin, auch ohne ersichtlichen Grund (bei Papa wie gesagt nur selten und mit konkretem Grund, z.B. beim Zähneputzen) und möchte permanent auf meinen Arm und herumgetragen werden. Auf dem Boden bleiben und Ablenken bringt nichts, sie beruhigt sich nur beim Herumgetragenwerden (oder im Kinderwagen, wie ich heute gemerkt habe - da ich aber Zwillinge habe, ist es nicht wirklich praktikabel, bei jedem Wutanfall einen Spaziergang zu machen). Setze ich sie nach einer Weile dann wieder auf den Boden, geht oft direkt der nächste Wutanfall wieder los. Es ist fast, als würde sie die Wutanfälle oft aus dem Grund bekommen, weil ich sie in dem jeweiligen Moment gerade nicht herumtrage! Deswegen muss ich noch einmal nachfragen: Soll ich sie wirklich die ganze Zeit, jedes Mal, wenn sie das möchte/braucht (und ansonsten eben schreit), herumtragen? Heute wären das dann sicher 3/4 des Tages gewesen. Aber vielleicht ist das ja nur, weil sie gerade so eine anhängliche Phase hat und das momentan einfach wirklich braucht? Dann möchte ich ihr das natürlich auch nicht verwehren. Bedürfnis- und Bindungsorientierung sind eigentlich meine wichtigsten Grundsätze, aber ich will natürlich auch kein Kind heranziehen, das immer seinen Willen bekommt und keine Grenzen kennt - aber für solche Bedenken ist es wahrscheinlich noch zu früh bzw. sie noch zu jung?
Viele Freunde und Bekannte warten bei Wutanfällen der Kleinkinder im ähnlichen Alter in der Nähe der Kinder einfach ab, bis diese sich wieder von selbst beruhigt haben. Allerdings sind das auch keine (ehemaligen)“Schreibabys“. Was halten Sie von diesem Vorgehen? Ich habe das auch schon ein paar Mal probiert, allerdings wohl etwas halbherzig - unsere Tochter ist dann halt jedes Mal sooo schlimm außer sich, überstreckt sich, macht sich steif, brüllt wie am Spieß, rollt auf dem Boden herum und stößt sich den Kopf am Boden...so dass ich sie dann nach meist max. 10-15 Minuten doch wieder auf den Arm genommen habe, weil sie mir so leid getan hat und ich diese Situation so furchtbar fand. Obwohl es ganz sicher auch objektiv eine schreckliche Szene war, bin ich, glaube ich, aber auch wirklich etwas zu “weich“, da zu mitfühlend mit den Kindern, im Vergleich zu anderen Eltern...wenn die Kinder schreien, ist das wirklich immer ganz schlimm für mich, vielleicht aufgrund der “Schreivergangenheit“ unserer Tochter...
Herzlichen Dank für eine erneute Antwort!
von
Chihiro
am 26.01.2018, 22:33