Frage: Umgang mit autonomen Kind

Hallo Frau Ubbens! Vielleicht haben Sie ja noch Ideen, bestimmte Situationen anders zu gestalten... Meine große Tochter, 7, war schon immer selbstständig und freiheitsliebend. Sie möchte gerne „erwachsen“ behandelt werden. In vielen Bereichen mache ich das (dort, wo es niemandem schadet, kann sie Dinge allein entscheiden) und ich kann ihr bei vielem vertrauen, z.B. kann sie 2 Stunden allein zu Hause bleiben, unbegleitet zu Freunden laufen, vieles ausprobieren etc. Bei allem anderen eskaliert es regelmäßig. Zähne putzen, umziehen, ... für alles braucht sie zig Aufforderungen. Und wenn ich sie dann nach Ansage die Konsequenzen spüren lasse (z.B., dass sie jetzt leider nicht mit vorgelesen bekommt, weil sie immer noch nicht bettfertig ist) gibt es ein Heidentheater, mit Schreierei und Vorwürfen („Du liebst mich nicht!“ „Dir wäre es lieber, ich wäre tot!“). Genauso ist es, wenn sie ihre Schwester (4) ärgert. In gewissen Grenzen lasse ich sie das sogar machen, das gehört dazu bei Geschwistern, aber hauen und treten ist ein No-Go und wird von mir bestraft (oft mit IPad-Verbot, oder ich gehe mit ihrer Schwester in ein anderes Zimmer oder schicke sie raus). Heftige Schimpfwörter haben wir immerhin mit dieser Methode in den letzten Wochen in den Griff bekommen. Fast jeden Tag ist hier Schreierei, von ihrer Laune hängt der Familienfrieden ab, der in letzter Zeit täglich wackelt. Vor allem bräuchte ich Ideen, wie ich mit dem Vorwurf, ich würde sie nicht lieben, umgehen soll. Ich versuche, sie oft zu loben (das ist nicht schwer, sie ist ein tolles Kind mit vielen Fähigkeiten) und ihr möglichst viel Aufmerksamkeit zu schenken, aber sie ist diesbezüglich unersättlich. Auf ihre Schwester ist sie sehr eifersüchtig. Jedes Mal, wenn ich die Kleine lobe („Du hast da aber ein wunderschönes Bild gemalt.“) reagiert sie total über („Ach ja, und ich male nur Kack-Bilder oder was? Ich sag ja, du liebst mich nicht. Ich kann mich ja auch gleich töten!“, dabei hatte sie gar kein Bild gemalt und selbstverständlich lobe ich auch ihre Bilder). Selbstverständlich sage ich ihr, dass ich sie liebe, und wenn sie mir das vorwirft, antworte ich in der Regel „Ich liebe dich sehr, aber ich bin mit deinem Verhalten gerade nicht einverstanden.“ Vielen Dank!

von Lelo317 am 23.02.2021, 21:04



Antwort auf: Umgang mit autonomen Kind

Liebe Lelo317, Sie machen es schon genau richtig, nur mit wenigen Worten darauf einzugehen, wenn Ihre Tochter sagt, dass Sie sie nicht lieb haben oder sogar tot sein möchte. „Ich liebe dich sehr, aber ich bin mit deinem Verhalten gerade nicht einverstanden.“ Meine Vorrednerin hat dazu gute und richtige Erklärungen abgegeben, die ich hier nicht wiederhole. Vielleicht kann sich Ihre Tochter auf ein Belohnungssystem einlassen. Für jeden (halben) Tag, den sie es schafft, ihre Schwester nicht zu hauen oder zu treten, gibt es einen freundlichen Smily und bei 10 Smylies eine neue Haarspange, ein kleines Büchlein o.ä.. Gerne dürfen diese Smylies von Ihrer Tochter selbst auf ein Plakat gezeichnet werden. Grüne, fröhliche Gesichter oder auch rote, traurige Gesichter, wenn es zum Hauen oder Treten gekommen ist. So kann Ihre Tochter visualisieren, wie oft sie tatsächlich Ihre Schwester körperlich angreift. Bei den täglich anfallenden Tätigkeiten, die zu häufigen Aufforderungen führen, können Sie mit einer Sand- oder Eieruhr arbeiten. Ihre Tochter sollte dabei die ablaufende Zeit erkennen können. "Wenn du umgezogen bist, bevor die Uhr abgelaufen ist, können wir noch ein Buch lesen." So oder ähnlich können die täglichen Motivationen sein. Bleiben Sie bei den Tätigkeiten im selben Raum wie Ihre Tochter, ohne viele Worte zu verlieren, wenn sie nicht so "arbeitet" wie sie sollte. Am Anfang darf gerne zwischendurch ein kleiner Hinweis erfolgen, wenn die Zeit knapp wird, um noch lange zu warten. Wie viel Ausgleich hat Ihre Tochter derzeit? Sport, Musik, Schule usw. läuft gar nicht bzw. auf Sparflamme. Das macht die Gesamtsituation nicht einfacher. Die meisten Menschen werden oder sind innerlich angespannt. Mit diesem Ungleichgewicht muss auch Ihre Tochter irgendwo hin und es kann dadurch zu mehr unausgeglichenem Verhalten der Schwester gegenüber und auch zu entsprechenden Aussagen Ihnen gegenüber kommen. Gehen Sie viel mit den Kindern nach draußen. Fahrradtouren, auf den Spielplatz, in den Park usw. sorgt für Abwechslung und Entspannung. Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 25.02.2021



Antwort auf: Umgang mit autonomen Kind

Huhu, bin nicht die Expertin, wollte aber als zweifache Mutter gern auch etwas dazu sagen. Meine Tochter (6 Jahre älter als ihr Bruder) ist auch sehr eifersüchtig auf ihren Bruder. Ich sag‘s mal ganz offen: Gegen Geschwister-Eifersucht ist noch kein Heilkraut gewachsen. Was man aber tun kann: sie nicht weiter befeuern. Es ist wichtig, das ältere, eifersüchtige Kind nicht zu bestrafen, wenn es das jüngere Kind angeht. Denn Strafen heizen die Eifersucht absolut zuverlässig an, und beim nächsten Mal bekommt das jüngere Kind das erst recht zu spüren. Ich weiß, es ist sehr schwer, nicht zu schimpfen oder zu strafen, wenn das stärkere Kind das schwächere angreift, gemein oder ungerecht etc. ist. Trotzdem sollte man neutral bleiben und nicht Partei ergreifen. Wichtig ist, dass Du die Kinder ablenkst oder das ältere Kind aus der Situation herausnimmst. Aber nicht aggressiv („Das hast du jetzt davon“), sondern gelassen und wie gesagt neutral. Deine Tochter ist eine kleine Drama-Queen, sie weiß genau, dass starke Worte (nicht liebhaben, wünschen, sie wäre tot) dramatisch klingen und beeindrucken. Die Tatsache, dass sie stark übertreibt (Kack-Bild, tot) zeigt sehr klar, dass sie absichtlich die Übertreibung wählt, auch wenn sie selbst nicht daran glaubt. Einfach weil sie eine bestimmte Wirkung erzielen will. Lass Dich daher davon nicht zu sehr beeindrucken, reagiere gelassen und eher etwas beiläufig. Ich würde daher auf solche Sätze nicht mehr mit vehementem Verneinen oder Abwehr oder Beteuerungen, wie sehr Du sie liebst, oder mit extra viel Lob reagieren. Sondern eher unbeeindruckt und freundlich. Sage nur knapp: „Doch, ich hab dich sehr lieb.“ Das reicht. Erkläre nicht, bemühe Dich nicht, rede gar nicht viel, dieser eine Satz reicht. Je mehr Aufmerksamkeit sie bei Dir mit diesen Sätzen erreicht, desto mehr werden sie verstärkt. Traue Deiner Tochter vielleicht etwas mehr zu: Traue ihr zu, dass sie die unvermeidliche Geschwister-Eifersucht ertragen kann. Traue ihr auch zu, dass sie natürlich weiß, dass sie geliebt wird und dass Du auch ihre Bilder schön findest - auch wenn sie dramatische Worte wählt (weil sie zwar eifersüchtig, zugleich aber auch klug und ein klitzekleines Bisschen manipulativ ist). Traue ihr zu, dass sie mütterliche Zurechtweisung aushält, das müssen alle Kinder manchmal. LG

von Windpferdchen am 24.02.2021, 14:55



Antwort auf: Umgang mit autonomen Kind

Vielen Dank! Das mit dem gelassenen Umgang mache ich schon, ich sage in der Regel wirklich nur diesen Satz und erkläre nichts weiter. Auf Gewalt und anhaltende Provoziererei keine klaren Konsequenzen folgen zu lassen, finde ich unfair gegenüber dem kleineren Kind, und auch unmöglich, weil das sofort die Sirene anwirft. Aus der Situation rausnehmen geht nicht, wenn sie Streit sucht, macht sie weiter und kommt immer wieder.

von Lelo317 am 24.02.2021, 19:31



Antwort auf: Umgang mit autonomen Kind

Vielen Dank für Ihre Antwort! Sie hilft mir wirklich - denn all das mache ich schon! Und es beruhigt mich ungemein, dass das offenbar ein guter Weg zu sein scheint. Dann fällt es wohl unter „Es ist nur eine Phase“, nicht unter „Ich mache als Mutter alles falsch“.

von Lelo317 am 25.02.2021, 20:18



Ähnliche Fragen ähnliche Fragen

Umgang mit Trotzanfall

Guten Tag, mein Sohn ist 15 Monate und seit ein paar Wochen trotzt er sehr stark. Er wirft sich bei Kleinigkeiten auf den Boden und schreit wie verrückt. Er ist dabei sehr laut und er tut mir leid. Wie kann ich mit der Trotzphase am besten umgehen? Gibt es konkrete Tipps? Zum Beispiel fahren wir oft mit seinem Dreirad. Wenn wir aber wohin müs...


Umgang mit Regeln und Grenzen

Hallo Frau Ubbens, meine Kleine (17. Monate alt) Wir haben folgendes Problem, was mir oftmals passiert. Heute war die Familie mit den Kindern bei uns. Papas und Kinder waren auf dem Spielplatz, doch als sie wieder zurückkamen hatten alle Kinder einen Eis und meine Tochter hatte einen Keks in der Hand. Da sie etwas erkältet ist wollte mein Mann fü...


Frage zu Verhalten und Umgang Vater

Guten Tag liebe Frau Ubbens, Situation bei Umgang Vater : 1. Er zeigt Kindern, 2 Jahre alt, das man z. B. ein Stofftier oder Luftballon in den Mund nimmt und damit wild von rechts nach links wie ein Hund schüttelt - war geschockt 2. Er sagt zu den Kindern - "Im Kindergarten sind dann Erzieherinnen und andere Kinder, da ist die Mama nicht meh...


Umgang mit Wut

Guten Morgen! Ich bin am verzweifeln und brauche eure Hilfe bzw ernst gemeinte Ratschläge. Meine fast 7 jährige Tochter Sophie hat Probleme mit ihrer Wut umzugehen. Sie ist im Vergleich zu ihrer älteren Schwester Karla schnell aufbrausend und lässt es denn in Form von Schreien, Hauen, etc an andere aus. Ich habe schon Ratschläge gegeben wie sie...


Umgang mit Trotzphase mit 3 jährigen

Hallo Frau Ubbens, unsere Tochter ist 3 Jahre alt und momentan sehr sehr anstrengend. Es geht um folgendes also egal was ich sage oder von ihr möchte wird grundsätzlich nicht gemacht. Ich komme mir auch manchmal vor wie wenn sie das mit Absicht macht den wenn sie z.B. abends mit meinem Mann allein ist wenn ich nicht da bin wird ohne Problem...


Unsicher im Umgang mit anderen Kindern

Guten Tag Frau Ubbens! Meine Tochter, 4 Jahre 8 Monate alt, hat schon als Baby sehr stark gefremdelt und sie ist bis heute ein eher zurückhaltendes und schüchternes Kind (gegenüber Kindern als auch ggü. Erwachsenen). Sie kam mit genau drei Jahren in den Kindergarten, die Eingewöhnung war mit wenig Tränen verbunden. Bei der Trennung am Morgen, v...


Entwicklung kleinkinder/ kindergarten umgang

Hallo, Ich bin Mutter von zwei Kindern. Meine Tochter ist 5 Jahre alt und mein Sohn ist 4. in den letzten Wochen kam es wiederholt zu unschönen Ereignissen im kiga. Ein Junge aus der Gruppe meiner Kinder hatte meine Tochter befohlen ihre Geschlechtsteile zu zeigen.. er sagte „zeig mir deine mumu“ „Zeig mir dein po“ woraufhin sie sagte „Nein l...


Umgang mit Freundschaften

Hallo Frau Ubbens, ich befinde mich in einer Situation die mich überfordert.mein Sohn ist in paar Wochen 5. wir haben ein Kind in direkter Nachbarschaft, quasi ein Haus weiter, der ist 5&halb. Die beiden spielen sehr oft zusammen.allerdings sind wir sehr unterschiede Familien.und haben komplett unterschiedliche Erziehungsvorstellungen. Auch Lebenss...


Welcher Umgang mit Handy bei einjähriger?

Guten Tag, meine Tochter ist nun etwas über ein Jahr alt und leider sehr interessiert an meinem Handy. Ich habe meinen Umgang vor ihr mit dem Handy schon Komplet eingeschränkt, aber oft reicht nur ein kurzer Blick drauf aus und meine Tochter will es sofort haben. Oft schalte ich es dann schnell aus, aber sie liebt es darauf herum zu drücken und wis...


Umgang mit meinem Kind

Hallo, der ältere Cousin meines Kindes hat Down Syndrom, mein Kind ist 3 Jahre alt. Das Kind mit Behinderung hatte immer Angst vor meinem Kind. Früher, weil es ein Baby war, dann weil es nicht richtig sprechen konnte. Das war unheimlich für das behinderte Kind. Bei Besuchen versteckt sich das Kind vor meinem Kind, oder die Erwachsenen trösten es...