Meine Tochter benimmt sich seltsam

 Christiane Schuster Frage an Christiane Schuster Sozialpädagogin

Frage: Meine Tochter benimmt sich seltsam

Hallo Frau Schuster, meine Tochter Julia wird im März 6 Jahre alt und kommt im Sommer in die Schule. Manchmal habe ich Befürchtungen, dass sie vom Sozial-und Konfliktlösungsverhalten noch nicht soweit ist. Gerade in letzter Zeit hat sie oft komisch reagiert, wenn ihr was nicht gepasst hat, was ich vorher so nicht von ihr kannte. Neulich sagte ich ihrer kleinen Schwester, sie könne mal ihren Labello ausleihen, das sie eine wunde Lippe hatte. Da hat sich Julia sehr aufgeregt, sie will ihren Labello nicht teilen, nie kann sie was für sich haben (was nicht stimmt), teilen ist blöd usw. Das ging bestimmt eine Stunde so. Wir haben sie immer so erzogen, dass wir gerne teilen, weil wir uns liebhaben usw. und ihr das auch vorgelebt. Am nächsten Morgen war wieder alles wie früher und sie gab den Labello ihrer Schwester. Heute im Kindergarten hat mir Julias Erzieherin entsetzt erzählt, dass sie sich unmöglich aufgeführt habe. Hat sich geweigert, im Regen unters Dach zu stellen, wollte daraufhin aus dem Kindergarten weglaufen ("zu Mama"), hat um sich getreten, als man sie daran hindern wollte, und ist dann drinnen auch sehr aggressiv aufgefallen, dass man sie irgendwann beim Stuhlkreis vor die Tür setzte (unter Aufsicht). Sie schimpfte immer, Kindergarten sei blöd, sie will da nicht mehr hin. (Sonst gefällt es ihr sehr gut dort). Solches Verhalten kenne ich von ihr gar nicht. Seit einiger Zeit verfällt sie manchmal, wenn gerade ein Konflikt besteht, sie was nicht tun soll oder will, in Baby- oder Puppensprache, also vereinfachte Sprache, hohe Stimmlage. Im Fußballtraining fing sie an zu weinen, weil ihr angeblich nicht gefiel, dass 3 mal das Spiel Schwarzer Mann gespielt wurde (obwohl sie darin wirklich gut war). Seitdem will sie nicht mehr zum Fußball. Sonst mag sie Fußball sehr gern, draußen ging sie immer gern hin, da machte man andere Aufwärmspiele. Im Winter ist es drinnen und sie will nicht mehr hin. Letzte Woche das gleiche im Kinderturnen ihrer kleinen Schwester (wo sie mitmusste, da sie ja nicht zum Fußball wollte (ist zeitgleich). Ihr gefiel ein Spiel nicht, sie fing an zu weinen und jammerte "Heim!" und "Das ist Babykram". Sonst mag sie das Turnen sehr gern, obwohl sie eigentlich zu alt dafür ist. Was mir noch in letzter Zeit auffällt, ist, dass sie oft ihr Gesicht verzieht, so als wenn sie in die Sonne guckt, also Augen kneifen, Mund breit. Sie sagt, sie merkt das gar nicht. Mit ihren Augen ist alles in Ordnung. Sie macht das für ca 1 Sekunde oder mehr, oftmals mehrmals hintereinander. Ist das ein Tic? Besondere Situationen dafür habe ich noch nicht entdeckt, und sie macht es nicht immer, also nicht den ganzen tag lang. Das geht ein paar Tage oder Wochen, dann ist es weg. Nun seit kurzem wieder da. Julia ist ein sehr intelligentes Mädchen, kann mit knapp 6 schon recht fließend lesen, gut schreiben, und ein bißchen rechnen, ( wir haben ihr das nicht eingepaukt, sie wollte es selbst). Aber sie war schon immer ein eher ängstliches, scheues Mädchen. Sie hat viele Freunde im Kindergarten und in der Nachbarschaft, aber bei fremden Kindern ist sie sehr ängstlich un meidet den Kontakt, was z.B. im Urlaub manchmal nicht so toll ist, wenn alle zusammen spielen und sie nur separat bei uns ist. Vielleicht habe ich in der Vergangenheit einiges nicht optimal gemacht mit der Erziehung, war zu ungeduldig, zu streng, ich weiß nicht. Ansonsten sind wir sehr liebevoll zu ihr, kuscheln viel, sagen, wie lieb wir uns haben usw. Ich weiß nicht, wie ich am besten mit ihrem seltsamen Verhalten umgehen soll, und wie ich sie stärker und sozial- und konflitktlösungskompetenter machen kann. Wenn sie einen Konflikt hat mit ihrer Schwester, versuche ich schon oft (nachdem sie es selbst nicht schaffen), sie zu einem Kompromiss hinzuführen, aber meist klappt es nicht, Julia ist da sehr egoistisch, wie ein Kleinkind. Sie kriegt auch schon kleine Aufgaben, wie beim Tischdecken /-abräumen helfen usw. macht diese aber sehr unzuverlässig, man muss sie ständig erinnern. Auch beim Anziehen ist sie sehr unselbständig, obwohl ich versucht habe, sie da anders zu erziehen. Sie zieht z.B. Schuhe an und wenn ich frage, worauf sie wartet, sagt sie, "Du hast mir doch nicht gesagt, dass ich die Jacke anziehen soll"... Vielen Dank schon mal und viele Grüße

von moppelinchen am 05.02.2013, 18:53



Antwort auf: Meine Tochter benimmt sich seltsam

Hallo moppelinchen Bezüglich des Labello hätte Ihre Tochter vermutlich selbst gerne ihrer Schwester geholfen ohne dass Sie sich "an ihrem Eigentum vergriffen hätten". Sie war vermutlich eher verärgert über Ihr Verhalten und hat dieser Tatsache unreflektiert "Luft gemacht", was für 6-Jährige durchaus altersgerecht ist. Im Kindergarten hätte sie sicherlich ebenfalls gerne selbst bestimmt ob sie sich nun mit unter das Dach stellt oder nicht. Sie dann zu "bevormunden" obwohl der Wunsch nach Selbstständigkeit in diesem Alter recht groß ist und generell ja auch erwünscht wird, hat Julia wiederum wütend gemacht. Sie dann auch noch zu bestrafen obwohl sie sich vermutlich im Recht gefühlt hat, halte ich ebenfalls für eine ungeeignete Erziehnungsmethode.- Ihre Tochter weiß im Moment selbst nicht genau ob sie nun noch klein oder schon "groß" ist, da ganz unterschiedliche Ansprüche an sie gestellt werden. Dieses "Selbst mit sich uneins Sein" erzeugt vorübergehend sicherlich auch dieses Zukneifen der Augen. Versuchen Sie diese Entwicklungsphase möglichst gelassen zu sehen (und zu überstehen) und wecken Sie den Ehrgeiz Ihrer Tochter zu möglichst großer Selbstständigkeit. Viel Erfolg, liebe Grüße und: bis bald?

von Christiane Schuster am 06.02.2013



Antwort auf: Meine Tochter benimmt sich seltsam

Vielen Dank, Frau Schuster, für Ihre Antwort. Das hört sich alles logisch und nachvollziehbar an, was sie schreiben. Da hätte ich auch selbst drauf kommen können... Manchmal ist man irgendwie "betriebsblind" ;-) Diese Kindergartengeschichte war halt insofern blöd, als es ziemlich anfing zu regnen, und durch den ganzen Terz war Julias Jacke dann komplett durchgeweicht, also das Unters Dach stellen wäre schon sinnvoll gewesen, die Erzieherinnen wollen ja nicht, dass die Kinder krank werden. Julia macht Regen nichts aus, neulich fuhr sie auch vor dem Haus im Regen Fahrrad. Aber ich glaube nicht, dass sich die Erzieherinnen sich darauf einlassen würden und könnten, sie allein im Regen spielen zu lassen. Vor die Tür gesetzt wurde sie, weil sie wirklich sehr gestört hat und regelrecht ausgeflippt ist und ein normaler Gruppenbetrieb nicht möglich war. Eigentlich sind die Erzieherinnen wesentlich weniger streng als in anderen Kindergärten, es ist ein Waldorfkindergarten, wo wirklich nur selten geschimpft wird. Ich habe mit Julia diese Geschichte auch besprochen, dass sie auf keinen Fall aus dem Kindergarten weglaufen darf, auch wenn sie den Weg allein gehen kann (ist nur 3 min durch die Spielstraße), und dass das, was die Erzieherinnen sagen, durchaus seinen Sinn hat. Ich denke, ich werde mich auch noch mit Julias Erzieherin zusammensetzen. Sie hat auch den Eindruck, dass sie gerade einen Entwicklungsschritt macht, weil sie nun bald ein Schulkind sein wird, Selbstbewusstsein entdeckt, Grenzen testet usw. Also nochmal vielen Dank für ihren Rat. Viele Grüße moppelinchen

von moppelinchen am 06.02.2013, 18:30