Mein Kind kann einfach nicht hören

 Christiane Schuster Frage an Christiane Schuster Sozialpädagogin

Frage: Mein Kind kann einfach nicht hören

Ich möchte mich erst mal kurz vorstellen: Ich heiße Carola, bin 36 Jahre alt und habe am 1.2.96 mein erstes Kind, Alina, bekommen. Alina war ein liebes Baby bis sie mit etwa 1 1/2 J. ins Trotzalter gekommen ist. Ich habe schon immer viel Literatur über Kindererziehung etc. gelesen, da ich eine "gute" Mutter sein möchte. Trotzdem entscheide ich auch vieles "aus dem Bauch heraus". Ich liebe meine Tochter sehr, und habe immer versucht, dem Kind Regeln, Ge- und Verbote zu erklären. Daß Konsequenz in der Erziehung eines Kindes wichtig ist, ist mir sehr bewußt und ich finde es fürchterlich, wenn Mütter erst neun Mal etwas verneinen "Nein, es gibt kein 3. Eis mehr...." und bei 10. Mal doch wieder nachgiebig werden. Trotzdem gehe ich auch ab und zu mal Kompromisse ein, damit mein Kind lernt, auch mal ihren Willen durchzusetzen. Das sind dann aber Kleinigkeiten z.B. wenn ich sage, daß ich ihr noch eine Geschichte vorlese, sie aber noch eine zweite hören will. Wenn ich keine Zeit habe, bleibt es bei meinem NEIN, wenn sie aber manchmal um eine zweite bittet und ich noch etwas Zeit habe, so laß ich mich erweichen - aber auch eben nur manchmal. Deshalb kann ich im großen und ganzen sagen, daß ich mein Kind "normal" erziehe. Ich diskutiere - wie bereits erwähnt - oft mit anderen Müttern darüber und da sind wir uns grundsätzlich ähnlich. Trotzdem hört mein Kind auf Aufforderungen und "Befehle" meist erst mal gar nicht; ich habe sogar manchmal das Gefühl, daß sie es einfach bewußt provoziert, mich zu ärgern. Sag ich etwas oder schimpfe ich sie, heißt es gleich:"Ich hab Dich nicht mehr lieb, wenn Du mit mir schimpfst!" oder "Ist mir doch egal" oder geht einfach weg oder hält sich die Ohren zu. Tja und nun einige Beispiele, was sie an EINEM Tag anstellt: Sie holt sich Faschingsschminke aus dem Badezimmerschrank, malt sich an, obwohl sie weiß, daß wir bald einen Arzttermin haben und da sie sich vor dem Schlafzimmerschrank schminkt, werden auch gleich Spiegel und heller Teppichboden mit angemalt. Mit dem Nagelstudio-Set, das sie zu Weihnachten geschenkt bekommen hat, malt sie nicht nur sich selbst, sondern auch ihrem kleinen Bruder die Fingernägel an und bestreut seine Haare und den Boden dann mit Goldflitter. Und als wir uns über Silvester unterhalten, holt sie das Konfetti aus der Schublade und probt schon mal. Abends beim Baden gibt es eine Überschwemmung und die Spiegel werden mit Wasser vollgespritzt. Nachdem ich ihr die Spritzpistole weggenommen und ihr zum hundertsten Mal erklärt habe, warum sie das sein lassen soll, saugt sie das Wasser mit dem Mund auf und spritzt weiter. Beim Spielen am Computer stürzt dieser ab, weil sie mal wieder voller Übermut auf der Tastatur Klavier gespielt hat (sie kann aber auch eine Stunde konzentriert daran spielen). Und auch beim gemeinsamen Spielen (z.B. Mensch-ärgere-Dich nicht oder 4 Gewinnt) kann sie keine Ruhe geben und will die Spielregeln selbst aufstellen oder wirft dann alles um, wenn sie nicht gewinnt. Sich zügig im Bad fertig zu machen, klappt auch recht selten bei ihr. Ständig muß ich sie ermahnen, nicht wieder irgendwelche Schränke auszuräumen, sondern sich die Zähne weiter zu putzen. So geht es Tag für Tag. Sie will entscheiden, was im Supermarkt für den Haushalt notwendig ist. Komme ich an die Kasse, hat sie sicher wieder etwas in den Einkaufswagen "reingeschmuggelt" und es gibt wieder endlose Diskussionen, daß das nicht notwendig ist. Sage ich, daß wir gehen müssen, von zu Hause irgendwo hin oder von einer Freundin wieder nach Hause, geht das auch nie ohne Kämpfe.Und irgendwelche Verbote (Fernsehverbot, keine Geschichte abends, aufs Zimmer gehen) tangiert sie gar nicht. Da geht es am nächsten Tag weiter. Ich bin es manchmal echt leid, immer nur zu ermahnen, zu diskutieren, zu schimpfen....manchmal fahre ich dann aus der Haut und schrei sie so an, daß es mir richtig leid tut, weil sie dann wirklich mal so erschreckt ist, daß sie nichts mehr darauf erwidert. Mir ist natürlich auch schon mal die Hand ausgerutscht, auch wenn es nur z.B. ein Klaps auf die Finger war, wenn sie nicht hören wollte, daß man die Computertastatur nicht als Klavier benutzt oder im Wutanfall alles umherwirft. Trotzdem kann sie manchmal auch soooo lieb sein: hilft mir beim Wäsche aufhängen oder Tisch decken, spielt brav mit ihrem Bruder - ist wie ausgewechselt. Sie ist recht intelligent, schreibt schon einige Wörter, lernt Englisch am Computer, malt gerne, ist sehr sozial eingestellt und hat andere positive Eigenschaften - aber trotzdem hat sie wiederum ständig neue Ideen, wie man Mama und Papa auf die "Palme bringen kann". Es kann sicher nicht daran liegen, daß wir uns zu wenig um sie kümmern. Im Gegenteil, seit der Geburt unseres Sohnes widme ich mich ihr noch bewußter. Und was Eifersucht etc. anbelangt, hatten wir auch keine großen Probleme. Zum Glück hat sie es bisher noch nicht auf ihren Bruder abgesehen, obwohl sie auch ihn ständig bevormunden will. Ich habe vier Freundinnen mit Töchtern gleichen Alters; und die hören einfach bzw. kommen nicht ständig auf solch blöde Ideen. Und diese Mütter handhaben die Erziehung ähnlich wie ich. Eine 5. Mutter - die meiner Meinung nach sehr streng und konsequent ist, hat ebenso eine Tochter, die sich ständig wiedersetzt. Die ist wahrscheinlich durch das ständige Schimpfen schon "abgehärtet". Also denke ich manchmal, daß es wirklich Kinder gibt, die einfach "Lausebengel" sind und wo es dann fast egal ist, ob man autoritär ist oder nicht??????? Deren Willen zu brechen ist schier unmöglich, oder doch nicht???

Mitglied inaktiv - 29.12.1999, 23:32



Antwort auf: Mein Kind kann einfach nicht hören

Hallo Carola, Sie haben ganz recht, wenn Sie sagen, dass es temperamentvolle und weniger temperamentvolle Kinder gibt. Ihre Tochter zählt Ihrer Beschreibung nach zu der 1. Kategorie. Mit fast 4 Jahren hat sie schon eine eigene Persönlichkeit entwickelt und ihr Drang nach Neuem scheint recht groß zu sein. Für Sie ist das natürlich alles andere als einfach: Sie haben die Aufgabe, mehrere Personen als einzelne Persönlichkeiten zu akzeptieren und in die Selbstständigkeit zu führen, aber auch in einer Kleingruppe (Familie) für harmonisches Zusammenleben zu sorgen. Versuchen Sie - ganz besonders Ihrer Tochter ALina - einige Regeln aufzustellen, die sie unbedingt einzuhalten hat, da sonst Konsequenzen erfolgen: Geben Sie ihr zum Beispiel einen bestimmten Ort an, an dem sie sich schminken kann. Erwischen Sie sie woanders, wird die Schminke eingeschlossen und zwar dauerhaft. Reden Sie voher mit ihr über diese Konsequenz. Spielt sie Klavier auf der Tastatur Ihres PC, kann sie ihn leider für einige Zeit nicht mehr nutzen. Bei Alinas Wissensdurst wird sie bald merken, dass sie nur weiterkommt, wenn sie sich an gewisse "Spielregeln" hält. Geht sie eigentlich in den Kindergarten? Dort kann sie sich mit Gleichaltrigen auseinandersetzen und die Grenzen vielleicht eher akzeptieren lernen? Starke Nerven, Durchhaltevermögen und: bis bald? Chr. Schuster

von Christiane Schuster am 30.12.1999



Antwort auf: Mein Kind kann einfach nicht hören

Hallo Carola, ich hab Dir noch ein super Buch (habe nämlich selber eine sehr erfinderische Tochter): "Jedes Kind kann Regeln lernen", Annette Kast-Zahn, 1997 Oberstebrink Verlag GmbH, ISBN 3-9804493-1-9 Es hat mir ausserordentlich geholfen. Viel Erfolg und weiterhin gute Nerven wünscht Maria Bosin

Mitglied inaktiv - 31.12.1999, 21:49



Antwort auf: Mein Kind kann einfach nicht hören

Liebe Carola. Bei meiner Arbeit mit Kindern im Kigaalter habe ich folgendes immer wieder festgestellt: Oft fordern sie Erklärungen oder Ermahnungen immer wieder heraus, wenn sie merken,daß man sich auf Wiederholungen einlässt. Sie kennen die Grenzen, die sie nicht überschreiten sollen, meist sehr genau und versuchen diese Grenzen immer wieder auszutesten, wenn die Eltern Regeln und Ermahnungen OFT WIEDERHOLEN. In diesem Fall ist es eine Möglichkeit, Regeln und Ermahnungen nur EINMAL auszusprechen und dann zu handeln. Dies klingt zwar sehr streng, aber die Kinder lernen so, Regeln zu akzeptieren und wissen bald, daß man sich nicht immer wieder auf die gleichen Diskussionen einlässt. Ciao Brigitte

Mitglied inaktiv - 01.01.2000, 22:15