Frage: Kurzzeitgedächtnis

Hallo Frau Ubbens, wie funktioniert das Kurzzeitgedächtnis bei 11 Monate alten Kindern? Das Langzeitgedächtnis muss ja schon ein Stück weit gut funktionieren, da sie sich an Personen erinnern oder an Abläufe bzw was man für was benötigt. (Wenn ich mich in die Babyschale lege, dann fahren wir Auto. Wenn ich meinen Latz anziehe dann gibt es essen. Wenn ich dies oder jeniges tu, dann sagt jemand "Nein") Aber funktioniert das Kurzzeitgedächtnis dann auch schon so gut, dass sie sich zB nach 10 Minuten noch an ein Ereignis erinnern können? Gibt es eine Methode das bei einem Kind wohlmöglich individuell herauszufinden? Viel sprechen können sie ja in dem Alter noch nicht, sodass man nicht fragen kann "weißt du noch...". Besten Dank vorab für Ihre Einschätzung und viele Grüße

von Dezemberbaby2019 am 23.11.2020, 23:36



Antwort auf: Kurzzeitgedächtnis

Liebe Dezemberbaby2019, meine Vorrednerin hat schon gut und ausführlich geantwortet. Da kann ich nichts Neues mehr hinzufügen. Bzgl. der "Konditionierung" wird es nicht in die richtige Richtung laufen. Ihre Tochter würde lernen, dass wenn sie nach Aufforderung vom Herd weggeht, sie eine Belohnung bekommt. Aus dem Lernerfolg wird vermutlich irgendwann werden, dass ich absichtlich zum Herd gehe und wenn ich dann auf die Aufforderung von Mama höre gibt es eine Belohnung. Kinder dürfen gerne erfahren, dass es Dinge gibt, die sie einfach nicht tun dürfen. Es schadet ihnen nicht. Möchten Sie nicht so häufig ein Nein aussprechen, hilft Ablenkung und Beschäftigung. So kommen Kinder erst gar nicht so häufig in die Verlegenheit etwas zu tun, bei dem die Eltern ein Nein aussprechen müssen. Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 24.11.2020



Antwort auf: Kurzzeitgedächtnis

Hat deine Frage einen bestimmten Hintergrund? Denn so pauschal kann man das nicht beantworten. Ganz grundsätzlich lernt und erfährt ein Baby bzw, Kind ab der Geburt immer wieder neue Dinge, Reize, Situationen. Mit jeder Erfahrung werden entsprechende Verbindungen im Gehirn zwischen den Zellen geknüpft. Daneben wächst das Gehirn auch noch, bildet also auch neue Zellen, die wiederum verknüpft werden durch lernen (Erfahrungen machen). Je öfter ich etwas mache wie zB Lätzchen = Essen, umso eher wird das verknüpft und abgespeichert. Das ist aber erst mal keine echte Erinnerung wie die an den zB Einkauf gestern - es ist eher eine Art Konditionierung oder eben Verknüpfung zweier Dinge, die offenbar zusammen gehören. Genau so wie Herd anfassen = Mama sagt "Nein" und holt mich da weg. Würde sich ein Kind daran wirklich bewusst erinnern und das auch entsprechend verarbeiten, würde es den Herd nicht 100 x anfassen und sich wegholen lassen ;-) Also grob gesagt erinnern so kleine Kinder sich nicht an etwas in der Art, wie du dich erinnerst - sie lernen durch Wiederholungen oder eben Erfahrungen und speichern das ab. Zum echten Erinnern können gehört die Fähigkeit, Dinge kognitiv zu begreifen und einordnen zu können. Das ein Kind wirklich erinnert "ach ja, an der Straße muss ich aufpassen" weil es die Gefahr auch verstanden hat, das dauert noch. Erst mal kommt das reine Abspeichern von wiederkehrenden Dingen wie Straße = an der Hand gehen, was ich eher als Automatismus oder eben in gewisser Weise "Konditionierung" beschreiben würde.

von cube am 24.11.2020, 14:24



Antwort auf: Kurzzeitgedächtnis

das die Sache mit dem echten Erinnern nicht so simpel zu beantworten ist, sondern da verschiedene Faktoren zusammen kommen. Kuckuck-Spiel: du nimmst die Hände vor´s Gesicht oder versteckst dich hinter dem Vorhang, nimmst das wieder weg, "Kuckuck" und Kind freut sich wie Bolle :-) Kennt wohl jeder. Dein Kind findet das so lustig, weil es noch keine Objektpermanenz besitzt. Obwohl du da bist und es dich vor 3 Sekunden noch gesehen hat, bist du am dem Moment, wo dein Gesicht und du ganz kurz nicht mehr zu sehen ist, weg. Wirklich weg. Dein Kind erinnert sich NICHT daran, dass du ja eigentlich da bist. Bleibst du hinter dem Vorhang, könnte dein Kind auch anfangen zu weinen. Es erinnert sich eben nicht daran, dass du doch eigentlich hinter dem Vorhang stehst weil es den Zusammenhang noch nicht begreifen kann. Ab dem Moment, wo es VERSTEHT, dass du nur nicht mehr zu sehen bist, erinnert es sich sozusagen daran, dass du ja eigentlich da bist. Jetzt ist die Objektpermanenz da - also das kognitive Begreifen eines Zusammenhanges von dem, was da passiert gerade passiert ist. Und wenn du jetzt hinter dem Vorhang bleibst, wird dein Kind dich suchen - es erinnert sich, wo es dich eben noch gesehen hat.

von cube am 24.11.2020, 14:58



Antwort auf: Kurzzeitgedächtnis

Danke cube für deine Erklärung. Das erklärt es echt gut :-) Das heißt im Umkehrschluss dass Kinder in dem alter noch kein "richtiges" Kurz- oder Langzeitgedächtnis besitzen, sondern es sich aktuell durch die kognitiven Einflüsse erst bildet? Sie erkennt ja zB auch schon den Hund als "Wuff", wenn ich den Nachbarshund erwähne zeigt sie aus dem Fenster an die Stelle an der er immer sitzt. Dh es bildet sich ein Langzeitgedächtnis? Die Erklärung mit dem Vorhang ist gut getroffen, passiert das dann von einem auf den anderen Tag? Also dass das Kind sich erinnert, dass man ja noch anwesend ist. Kann man das ganze auf irgendeine Art fördern? Ich finde deine Erklärung echt toll und finde es sehr spannend mich damit auseinander zu setzen. Du scheinst auch "vom Fach" zu sein, kannst du mir hierzu vielleicht Literatur empfehlen? Ich empfand Psychologie und Pädagogik bisher als eher langweilig, wenn ich es mal so ausdrücken darf. Aber vielleicht nur weil ich es noch nie am "lebenden Objekt" erleben durfte...

von Dezemberbaby2019 am 24.11.2020, 18:12



Antwort auf: Kurzzeitgedächtnis

Da fällt mir noch eine Frage ein. Wäre es "schädlich" für das Kind zu erziehen indem man die klassische Konditionierung anwendet? Also zB sagen "geh weg vom Herd" und geht das Kind weg zB einen Keks zu geben? Oder geht das zu weit, bzw vermittelt das die falschen Rückschlüsse? Das soll jetzt nicht nach "Rabenmutter" klingen, nur so als Ansatz wie man ohne schimpfen oder Erklärungen (die ja in dem Alter noch nicht wirklich funktionieren, da man ja auch nicht weiß wie viel Sprache das Kind schon versteht) dem Kind Dinge vermitteln kann. Es soll kein Versuchskaninchen (oder Versuchs"ratte") sein, also bitte nicht falsch verstehen.

von Dezemberbaby2019 am 24.11.2020, 18:17