Frage: Ich schreie

Sehr geehrte Frau Ubbens, mein kleiner Sohn (fast 2) ist, wie ich als Kind, sehr temperamentvoll. Das finden wir meistens positiv, aber es hat eben auch Schattenseiten. Er macht so viel Unsinn: reißt Dinge vom Tisch, wirft eigentlich bei jeder Mahlzeit den Teller, wenn er etwas nicht will, vom Tisch. Essen am Boden. Wirft Steinchen nach dem Hund, isst das Katzenfutter, versucht jede Tür zu öffnen und raus in den Garten zu kommen, haut und kratzt schon mal nach Mama und Papa, Zähneputzen und inhalieren geht nur mit Kinderliedern auf dem Laptop. Tippt auf Spülmaschine, Waschmaschine und Wäschetrockner herum, versucht den Ofen zu öffnen... wenn es etwas gefährliches gibt, findet er es. Er will eigentlich entweder herumtoben oder auf dem Arm sein. Ich versuche es immer mit einem kurzen Nein und ihn wegzunehmen, aber er kann Dinge eigentlich unendlich oft wiederholen und windet sich aus dem Griff. Mitunter reißt mir dann der Geduldsfaden und ich schreie "NEIN" oder seinen Namen. Ich schreie eher weniger aus Wut mehr aus Erschrecken wenn sich zB der Kaffee über uns ergießt. Es bleibt dann auch bei dem einen Wort und es tut mir danach unendlich leid, weil es manchmal sehr laut und schrill ist, wenn er zB plötzlich auf dem Sessel steht und Richhtung Heizung kippt. Ich schaffe es einfach nicht ihn von Dingen abzuhalten, er ist blitzschnell, und habe ein sehr schlechtes Gewissen. Zum einen, weil ich laut werde, zum anderen weil ich ihm kein gutes Vorbild bin und hektisch und fahrig werde, umso länger der Tag so geht. Auch die Fahrt in die Kita, wo er 4 Stunden ist, ist mit Geschrei verbunden, er möchte lieber zu Hause bleiben. Mir laufen jedesmal beim rausgehen die Tränen, weil er sich so wehrt und herzzerreißend weint. Dann dort spielt er mit den anderen Kindern, ist aber auch froh, wenn ich dann wieder komme und ihn hole. Wir haben auch sehr viel Spaß zusammen und er wächst eigentlich schön auf, mit vielen Tieren, schläft bei uns im Bett was wir sehr schön finden und kuscheln viel, aber es gibt hier eben auch viele Gefahren und meine Nerven liegen an manchen Tagen blank. Wie kann ich ein temperamentvolles Kind erziehen, dass alles ausprobieren muss, auch den stromgeladenen Koppelzaun? Verkraftet es die Psyche eines Kindes, wenn man als Mutter vor Schreck aufschreit? Relativ häufig? Ihn scheint das nicht richtig zu stören und meist nehme ich ihn dann gleich hoch und entschuldige mich. Der Opa meint, es wäre gut mit einem Po-Klaps mal Grenzen zu setzen, aber das wollen wir natürlich nicht und können ihn deshalb auch nicht allein beim Papa lassen. Manchmal denke ich aber, mein Laut-werden ist eigentlich genauso gewaltvoll... Hilfe...

von FamilieW am 10.05.2022, 09:17



Antwort auf: Ich schreie

Liebe FamilieW, meine Vorrednerin hat schon gut und ausführlich geantwortet. Ich werde die Worte hier nicht wiederholen, nur ein wenig ergänzen. Achten Sie darauf, dass die Türen immer geschlossen sind, so dass Ihr Sohn nicht ohne ihr Zutun an die Waschmaschine kann, während Sie sich z.B. im Wohnzimmer aufhalten, stellen den Kaffee so weit nach hinten auf den Tisch, so dass Ihr Sohn die Tasse nicht vom Tisch fegen kann usw.. Vermeiden Sie so gerne Situationen, in denen Sie Nein sagen (schreien) müssen. Ihr Sohn braucht viel Bewegung. Ihm wird es sicherlich nichts ausmachen, ganze Nachmittage draußen zu verbringen. Er wird anschließend entspannter im Haus sein und kann sich dann bestimmt auch auf ruhigere Spiele und Kuscheleinheiten einlassen. Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 11.05.2022



Antwort auf: Ich schreie

Ich glaube, du musst insgesamt etwas gelassener werden. Bist du selber ein ängstlicher Typ? Wenn ja, versuche das mal in den Hintergrund zu schieben. Vieles von dem, was du schreibst, ist nicht wirklich gefährlich. Was könnte denn passieren an der Spül- oder Waschmaschine? Nix - idR setzt sich ein Programm eh nur in Bewegung, wenn vorher x andere Dinge passiert sind. Und selbst wenn - dann mach es halt wieder aus und gut is ;-) Laptop oder so sind keine gefährlichen Dinge - nur welcher, an die er nicht rangehen soll. Ich würde erst mal schauen, welche Dinge er auf keine Fall haben soll, weil entweder teuer oder gefährlich. Diese dann wegräumen - erleichtert das Leben ungemein für euch alle. Das ist normal in dieser Phase. Wir hatten dann auch keine Vasen auf dem Tisch stehen oder unsere Läppis in Griffhöhe. Bei allem anderen wie zB Ofen - es gibt Kindersicherungen. Wenn ihr die nicht wollt, muss dir klar sein, dass es eben mit 10 x nein-sagen nicht getan ist. Eher mit 100 x und jedesmal wegholen dort. "Nein, das ist heiß" und wegholen. Versuch dich selber mal aus dem Angstmodus zu holen - denn es ist eher etwas kontraproduktiv, wenn du einerseits "nein" rufst/schreist? und dich dann erst mal entschuldigst. Das versteht er nicht wirklich und verwirrt ihn ja noch mehr. Du hebst damit dein "Nein" ein Stück weit wieder auf. Das so etwas wie Zähneputzen, Inhalieren zeitweise nur mit Ablenkung geht, ist auch normal. KiGa: er spürt natürlich, dass du nicht wirklich dahinter stehst und das verunsichert ihn entweder oder bestärkt ihn darin, dass möglichst viel Theater machen von dir mit Trösten etc gekontert wird. Bleib ganz klar und ruhig in der Aussage "du gehts in den KiGa und ich gehe arbeiten (oder was auch immer)" - fertig. Ich habe insgesamt den Eindruck, dass du selbst sehr unsicher bist oder auch ängstlich und sehr darauf bedacht, wirklich alles alles richtig zu machen und dich evt. auch fragst, warum deine ganzen Bemühungen nicht endlich fruchten. Er ist 2 - die Engländer sagen dazu "the terrible two" - nicht ohne Grund :-) Dein Kind ist ganz normal - aber es braucht eine Mutter/Eltern, die sich selbst ihrer Sache sicher sind und ein Stück weit mehr Gelassenheit gegenüber der Erkundungsfreude kleiner Kinder. Du tust deinem Kind nicht an, wenn du auch mal energischer wirst oder eben zum 50.ten mal "nein" sagst und er wütend rumschreit, tobt etc - das ist normal und hat nichts mit mangelnder Erziehungsfähigkeit oder so zu tun. Zum Vorschlag des Opas brauch ich wohl nichts sagen ...

von cube am 10.05.2022, 13:32