Gier/Egoismus?

 Christiane Schuster Frage an Christiane Schuster Sozialpädagogin

Frage: Gier/Egoismus?

Hallo Frau Schuster, auch ich brauche heute mal wieder einen Rat. Unsere beiden Mädels sind jetzt 6 + 9 Jahre alt, und gerade die Große verhält sich seit einiger Zeit sehr egoistisch. Nie ist es gut genug, was wir mit ihr bzw. für sie machen. Egal wie begründet es ist, daß ich für die Kleine etwas mitbringe (letztens waren es Zopfbänder, die ja ständig Mangelware sind)- sie rastet völlig aus, wenn sie nicht auch etwas bekommt. Wenn ich für beide etwas mitbringe, sind die Sachen der Schwester viel besser als ihre, und wie selbstverständlich wird dann auch mal eben der Zahnputzbecher durchgetauscht, da ihr der ja plötzlich viel besser gefällt als der eigene. Bringe ich mal nur der Großen etwas mit, merkt sie nicht einmal, das die Kleine ja auch mal leer ausgeht. Ich versuche schon so gerecht wie möglich zu sein, nur manchmal braucht der eine neue Schuhe und der andere eben noch nicht, und auf einem Flohmarkt findet man nicht immer gleichviel Teile für jedes Kind. Bald sind wir soweit, daß ich die Pommes auf dem Teller abzählen darf... ;-) Nein, Spaß bei Seite, wie kann ich da mehr Verständnis reinbringen? Es gibt soviele Situationen, in denen unsere Große nicht merkt, daß sie jetzt dran ist, aber wenn sie mal nicht dran ist, dann geht's los. Hat sie selbst keinen Spielbesuch, will sie bei den kleinen mitspielen. Hat die Kleine keinen Spielbesuch und will mitspielen, heißt es "Oh Mann, wir wollen alleine spielen". Die Liste ließe sich unendlich fortführen. Wenn man dann auch noch was zu meckern hat, heißt es gleich, wir hätten sie ja gar nicht lieb. Erwähnen sollte ich auch, daß unsere kleine Tochter solch ein Verhalten überhaupt nicht an den Tag legt und in diesen schwierigen Momenten den kleinen Engel spielt und auf "lieb und artig" schaltet. Damit fühlt sich die Große natürlich erst recht schlecht, aber sie setzt dann gern noch einen drauf. Ich bin jetzt schon sehr gespannt, welchen Tipp Sie für mich haben. Viele Grüße + Danke für Ihre tolle Arbeit hier! Kerstin

Mitglied inaktiv - 17.03.2010, 09:33



Antwort auf: Gier/Egoismus?

Hallo Kerstin Da kann ich BB's Worten nur zustimmen: Betonen Sie beiden Kindern, aber besonders gegenüber Ihrer "Großen" immer wieder, dass Sie sich stets um Gerechtigkeit bemühen, dass aber nicht beide Kinder immer das Gleiche bekommen, das Gleiche tun können usw. Führen Sie möglichst praktische Beispiele an, wann die Große mal bevorzugt etwas erhält (neue Schuhe) und wann dann aber auch mal die Kleine dran ist. Kinder in der Vorpubertät fühlen sich oft sehr ungerecht behandelt. Sie befinden sich in einem Zwischenstadium von dem Wunsch behütet zu werden, aber auch selbstständig zu sein. Gönnen Sie ihr darum möglichst viel Kontakte zu ca. Gleichaltrigen. Liebe Grüße und: bis bald?

von Christiane Schuster am 17.03.2010



Antwort auf: Gier/Egoismus?

Hallo, ich habe auch zwei Kinder, die sich gegenseitig kaum das Schwarze unter'm Nagel gönnen, deshalb wollte ich auch gern etwas dazu sagen, wenn Du magst. Wir Erwachsenen sind ja oft zu vorschnell mit unseren Bewertungen bei der Hand. Wir knallen unseren Kindern bei unerwünschtem Verhalten schnell negative Stempel aufs Haupt, wie zum Beispiel Gier, Egoismus, Rücksichtslosigkeit, Uneinsichtigkeit, Bockigkeit, den Wunsch, uns zu schikanieren, zu ärgern, zu provozieren. Mit solchen Wertungen verstellen wir uns aber selbst den Blick für den wirklichen Grund des Verhaltens. Und der ist in diesem Fall schlicht und einfach die stinknormale und unvermeidliche Geschwister-Eifersucht. Geschwister achten ja immer höllisch genau darauf, was der andere bekommt und nicht bekommt, das ist nicht nur bei Euch so, sondern in allen Familien mit mehreren Kindern. Kinder gucken immer genau, ob das, was der andere bekommt, "mehr" ist oder weniger, "besser" oder "weniger wert". Mit objektiven Tatsachen oder einer realistischen Einschätzung hat dies gar nichts zu tun, es ist eine reine Gefühlssache. Denn in Wahrheit geht es gar nicht um die Dinge an sich - sondern um die Frage: Haben Mama und Papa mich wirklich genau so lieb wie meinen Bruder / meine Schwester? Und diese Frage wird (unter anderem) leider auch am Vergleich derjenigen Sachen beantwortet, die der jeweils andere bekommt. Da können wir noch so oft sagen, dass wir beide Kinder gleich lieb haben, das ändert am misstrauischen Vergleichen nichts. Deshalb kommen rationale Erklärungen (Deine Schwester brauchte aber jetzt die neue Jacke, während Deine noch passt) kaum beim Kind an. Trotzdem finde ich, dass Kinder lernen können, dass absolute Gleichheit nicht erreichbar ist, dass also mal der eine, mal der andere etwas erhält. Ich selbst mache es so, dass ich unterscheide: Bei notwendigen Sachen (Kleidung) kaufe ich nicht immer beiden etwas, sondern nur dem Kind, das die Sache momentan auch wirklich braucht. Natürlich ist das andere Kind dann manchmal frustriert, aber ich finde, das kann es aushalten. Bei kleinen Geschenken oder Überraschungen aber, die nicht notwendig sind und die ich z. B. vom Bäcker oder vom Einkaufen mitbringe, achte ich darauf, dass immer beide etwas bekommen, und zwar möglichst auch noch in ähnlicher Größe (schwierig, ich weiß, seufz...). Denn solche Dinge werden von den Kindern noch eher als "Liebesgaben" verstanden, daher ist weitmögliche Gleichheit hier besonders wichtig. Wie gesagt, zu weit lasse ich mich aber vom Gleichheitsfimmel der Kinder nicht treiben. Zum Beispiel bekommt das andere Kind kein Trostgeschenk, wenn das eine Kind Geburtstag hat. Und das jüngere Kind erhielt auch keine kleine Schultüte, nur weil das ältere Kind eingeschult wurde und eine große Schultüte hatte. Jedes Kind kommt einmal dran mit Geburtstagsgeschenken oder Schultüte, Warten gehört im Leben auch dazu. Denn auch die Eltern, die sich hier ein Bein ausreißen, um nur ja niemals das andere Kind zu frustrieren, erziehen sich erst recht unzufriedene Kinder. Denn trotz aller Mühe werden sie niemals erreichen, dass sich wirklich beide immer gleich behandelt fühlen. LG BB

Mitglied inaktiv - 17.03.2010, 11:36



Antwort auf: Gier/Egoismus?

Hallo Bonniebee und hallo Frau Schuster, vielen Dank für den ausführlichen Beitrag - und, ja, natürlich finde ich es in Ordnung, wenn andere Mütter sich zu Wort melden. Hilft ja schon, wenn man merkt, daß man nicht alleine in der Situation steckt. Mir scheint, ich brauche momentan selbst eine Spur mehr Gelassenheit bei diesem Thema. Im großen und ganzen versuche ich ähnlich zu handeln wie Du (neue Schuhe für den wer's braucht, kein extra Geb.-Geschenk, keine Extra-Schultüte etc.- Ausnahme wenn ich beim Flohmarkt bin, dann gibt's auch mal was einfach so) aber selbst das führt schon zu Streitereien, und oftmals kommen dann die Großeltern mit der Extra-Schultüte an. Da muß ich mir die Verwandten wohl gleich mit erziehen. ;-) Wie gesagt, vielen Dank für die Kommentare - ich versuche den Blickwinkel zu ändern und gelassener zu werden und vielleicht sollte ich beiden Kindern einfach auch noch öfter sagen, daß ich sie lieb habe. Schönen Abend noch! Viele Grüße Kerstin

Mitglied inaktiv - 17.03.2010, 19:18



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