Liebe Frau Ubbens,
Meine fast jährige schreit den ganzen Tag. Nichts ist ihr Recht. Ein paar Beispiele:
Möchte ich sie in den Hochstuhl setzen zum Essen, steht sie auf, schreit, protestiert, haut den Kopf nach hinten. Ich nehme sie dann auf den Schoß, da geht es genauso weiter. Ich lasse sie selbst entscheiden, ob sie essen möchte, möchte sie nichts, versuche ich sie in den Laufstall, direkt neben mich zu setzen, sie protestiert so lange weiter bis ich sie hochnehme. Ergo komme ich so gut wie nie zum Essen.
Nächstes Beispiel, wickeln, anziehen, baden, egal, wie ich es mache, Wickeltisch, Sofa, Bett, Boden, sie schreit als ginge es um ihr Leben, klammert sich an mir fest. Es dauert über Stunden bis wir fertig sind. Und ich muss sie leider dabei fest halten.
Nächstes Beispiel: sie schreit, wenn ich zur Toilette gehe, etwas esse, schlägt mir Getränke und Essen aus der Hand, weil ich nur essen kann, wenn entweder mein Mann mit ihr rausgeht oder ich habe jetzt versucht, sie auf meinen Schoß beim Essen zu nehmen.
Sobald mein Mann und ich uns unterhalten, schreit sie sofort laut los.
Ergo, es gibt keine gemeinsamen Mahlzeiten am Tisch als Familie, ich gehe abends mit der Tochter zu Bett, die schläft nur mit Körperkontakt.
Unsere Ehe und das gesamte Familienleben leiden extrem darunter . Ich bin nervlich am Ende. Ich habe sie vorhin das erste mal 5 oder 10 Minuten schreien lassen. Ich musste den Raum verlassen, ich war so wütend, habe eine Haarbürste an meinem eigenen Kopf zerschlagen, Meine Arme aufgekratzt. Ich kenne mich so gar nicht.
Eine andere Userin sowie Frau Höfel haben mir schon gute Tipps in einer ähnlichen Situation gegeben. Haben Sie eine Adresse, an die ich mich wenden kann?
Vielen Dank
MfG Fleur
von
Fleur85
am 06.05.2020, 10:24
Antwort auf:
Fast 1jährige schreit den ganzen Tag, ich kann nicht mehr
Liebe Fleur,
haben Sie Verwandte oder Freunde in der Nähe wohnen, die regelmäßig vielleicht zumindest mit Ihrer Tochter spazieren gehen können? Dann hätten Sie auch mal Zeit für sich und können sich ein wenig ausruhen. Ansonsten können auch Sie viel und regelmäßig mit Ihrer Tochter spazieren gehen. Nutzen Sie die Zeit für sich als Auszeit, ohne unter Druck zu stehen, dass Ihre Tochter doch während des Spaziergangs schlafen soll. Der Spaziergang soll für Sie sein.
Wie viele Stunden schläft Ihre Tochter in 24 Stunden? Führen Sie vielleicht zwei Wochen lang ein Schlafprotokoll. Wann hat Ihre Tochter wie lange geschlafen. Daraus können Sie den tatsächlichen Schlafbedarf ermitteln und Ihre Tochter entsprechend später oder früher schlafen legen, damit sie nicht so viele und lange nächtliche Wachzeiten hat.
Einen besseren Schlaf werden Sie und Ihre Tochter sicherlich auch haben, wenn Sie sie in der Nacht abstillen. Mit einem Jahr benötigt Ihre Tochter in der Nacht keine Mahlzeit mehr. Sie hat gelernt, die Brust als Beruhigungsmittel zu nutzen. Das wäre grundsätzlich auch in Ordnung. Nur Sie müssen wieder zu sich kommen können und das wird mit weiterem Schlafentzug und der nervlichen Belastung am Tag nicht funktionieren. Trauen Sie sich und Ihrer Tochter gerne zu, gerade in der Nacht, ohne Brust wieder in den Schlaf zu finden. Die ersten Nächte werden anstrengend werden, doch mit Ihrer liebevollen Konsequenz werden Sie und Ihre Tochter dies gut meistern.
Achten Sie auf genügend Abstand zwischen den Mahlzeiten, damit Ihre Tochter auch tatsächlich Hunger hat und dann die Geduld aufbringen kann, am Tisch zu sitzen. Machen Sie Ihrer Tochter deutlich, dass sie zwar nicht am Tisch sitzen muss, um zu essen, Sie dies aber dennoch tun. Natürlich fällt es schwer, selbst in Ruhe zu essen, wenn das Kind schreit, doch Ihre Tochter wird daraus lernen, dass sie nicht schreien muss, da Sie trotzdem essen. Überlegen Sie sich, ob Sie Ihre Tochter dazu neben sich auf den Boden setzen oder sie von vorneherein auf den Schoß nehmen. Ihre Tochter darf erfahren, dass wenn Essenszeit für Mama ist, sie kurz warten darf. Da Ihre Tochter sowieso protestiert, brauchen Sie in den wenigen Minuten auch nicht zu probieren, sie zu beruhigen. Sie sind in ihrer Nähe. Das ist wichtig und mehr muss für die Zeit nicht sein.
Ihre Tochter protestiert beim Wickeln. Das macht sie, wenn Sie sie gleich wickeln und das macht sie, wenn Sie sie erst eine Stunde versuchen zu beruhigen. Versuchen Sie zügig zu handeln und leider mit festhalten. Da es nicht ohne geht, ist es völlig in Ordnung.
Ist Ihr Mann zu Hause, versuchen Sie erst gar nicht, sich auf dem Sofa auszuruhen. Verlassen Sie das Haus. Gehen Sie spazieren oder Fahrrad fahren. Nehmen Sie sich Zeit für sich, um vielleicht für eine halbe Stunde durchzuatmen. Das brauchen Sie für sich und entsprechend wird dies der ganzen Familie gut tun.
Ihre Tochter findet weder tags noch nachts zur Ruhe. Empfehlen kann ich einen Besuch bei einem Osteopathen. Auch wenn das KISS-Syndrom behandelt wurde, können weiterhin kleine Verspannungen vorliegen, die Ihre Tochter nicht zur Ruhe kommen lassen.
Für Sie empfehle ich eine Familienberatung. Bei den Städten und Landkreisen werden diese kostenlos angeboten.
Viele Grüße Sylvia
von
Sylvia Ubbens
am 07.05.2020
Antwort auf:
Fast 1jährige schreit den ganzen Tag, ich kann nicht mehr
Liebe Fleur85, lass dich erst einmal ganz fest drücken!
Du musst dir darüber klar werden, dass nur du die Situation ändern kannst. Keine Mami sollte (bei einem gesunden) Kind soweit kommen, dass sie nichts zu essen bekommt, oder nicht auf die Toilette gehen kann.
Ich habe den Eindruck, dass bisher einzig und alleine deine Tochter den Ton angegeben hat und dich und deinen Mann voll im Griff hat. Mache dir bitte klar, dass du keine schlechte Mutter bist, wenn dein Kind mal weint (was es jetzt ja auch tut). Es ist ein großer Unterschied, ob ein Kind weint/schreit weil es und seine Bedürfnisse einfach ignoriert wird, oder ob es weint weil die Mama daneben sitzt und isst! Du bist ja trotzdem bei ihr, kannst mit ihr sprechen und ihr erklären, dass die Mama jetzt Hunger hat und essen muss. Eltern müssen nun einmal erziehen, dafür sind sie da und dass das den Kindern nicht immer gefällt, ist auch klar.
Kann es vielleicht sein, dass ihr länger auf eure Tochter warten musstet und nach ihrer Geburt vor lauter Glück einfach alles gemacht habt, damit sie bloß keinen Mucks von sich gibt?
Am Besten besprichst du dich mit deinem Mann und ihr steckt eure künftigen Grenzen ab, damit ihr gemeinsam an einem Strang ziehen könnt. Sonst spielt die Kleine euch ganz schnell gegeneinander aus. Du wirst eine Menge Konsequenz und Durchhaltevermögen brauchen, aber es wird besser werden!
Wende dich sonst an eine Familienberatung, die können dir jemanden vermitteln, der von außen auf euch schaut und dir Erziehungstipps gibt.
von
KielSprotte
am 07.05.2020, 20:29