4-Jährige extrem empathisch - wie damit umgehen?

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Frage an Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Diplom Sozialpädagogin

Frage: 4-Jährige extrem empathisch - wie damit umgehen?

Hallo, meine Tochter ist 4 Jahre und 2 Monate alt. Sie ist ein sehr aktives und, wenn ich das so sagen darf, auch kluges Kind. Allerdings, und deshalb schreibe ich hier, ist sie auch überaus sensibel. Nicht im Sinne von empfindlich, sondern einfach extrem empathisch. Besonders aufgefallen ist mir dies z.B., als sie kürzlich eine Folge des "Kleinen Maulwurfs" schauen durfte. In dieser Folge kamen Bulldozer in den Wald und holzten ihn ab. Da hielt sie sich die Augen zu, weil sie das nicht sehen mochte, weil der Maulwurf so traurig wurde. Dazu muss ich sagen, dass sie noch nicht viel Fernseh-Erfahrung hat. Sie darf ca. alle ein bis zwei Wochen eine Folge Conni oder eben eine Folge Maulwurf schauen. Sie verlangt auch gar nicht nach mehr. Auch bei Büchern sagt sie inzwischen, wenn wir eine Seite aufblättern, auf der Bilder zu sehen sind, die nicht die pure Harmonie ausstrahlen (z.B. eine grimmige alte Frau im Märchenbuch), dass wir beim Vorlesen die Stelle, die zu diesem Bild gehört, bitte überspringen sollen. Letzte Woche waren wir im Kindertheater, es gab Jim Knopf. Auch da hielt sie sich einige Male die Augen zu, obwohl die jeweiligen Szenen nicht im Mindesten bedrohlich waren. Wenn beim Rugby-Spiel ein Kind (egal, ob eigene oder gegnerische Mannschaft) auf dem Boden liegt und nicht direkt wieder aufsteht, kann sie in diesem Moment oftmals nicht weiterspielen, sondern schaut nur zu diesem Kind, ob es ihm auch gut geht. Beim Googlen bin ich auf das Stichwort Hochsensibilität gestoßen, das auf meine Tochter allerdings nur bedingt zutrifft. Extrem sensibel und empathisch ist sie, aber die hohe Stressanfälligkeit und schnelle Überforderung, die ebenfalls damit einher gehen sollen, zeigt sie überhaupt nicht; ganz im Gegenteil: Sie hat viele Hobbys, die sie alle voller Freude ausübt und auch auf keines verzichten möchte. Auch große laute Kindergruppen (Kindergarten, Tanzgruppe, Rugby-Mannschaft) machen ihr überhaupt nichts aus, sondern sie mischt meistens mittendrin mit. Daher scheint sie mir nicht so richtig zur Gruppe der Hochsensiblen zu gehören, sondern halt nur von der Empathie her. Ich frage mich nun, wie wir damit am besten umgehen sollten. Sollen wir sie ganz behutsam versuchen "abzuhärten", z.B. indem wir bewusst Medien (DVD oder Bücher) auswählen, die sie in dieser Hinsicht ein bisschen fordern? Und dann auch bitten, nicht die Augen zuzuhalten bzw. entsprechende Stellen im Buch mit vorlesen? Oder, wie bisher, darauf eingehen und versuchen, sie vor allem abzuschirmen, was sie sich selbst nicht zutraut? Aber wie lernt sie dann, auch damit umzugehen? Irgendwann muss es ja sein... Vielen Dank fürs Durchlesen und für Ratschläge! Liebe Grüße, Kilikina

von Kilikina am 11.12.2018, 12:17



Antwort auf: 4-Jährige extrem empathisch - wie damit umgehen?

Liebe Kilikina, Sie sind schon gut in Kommunikation getreten und meine Vorrednerin hat schon sehr gut geantwortet, so dass ich dem nichts mehr hinzufügen kann. Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 12.12.2018



Antwort auf: 4-Jährige extrem empathisch - wie damit umgehen?

Bin Mutter zweier sehr sensibler Kinder, deshalb wollte ich auch gern etwas dazu schreiben. Jedes Kind ist einzigartig. Wir sollten unseren Kindern deshalb keine Stempel geben, wie z. B. „hochsensibel“ und sie in irgendwelche Kategorien oder Schubladen einordnen wollen. Dass das nicht klappt, hast Du ja selbst schon festgestellt: Sie hat einige hochsensible Züge, aber nicht überall. Ein Kind entspricht in Wirklichkeit nie einem Muster oder einem Katalog von Eigenschaften. Sondern es ist genau so, wie es ist. Und das Allerwichtigste: Es ist perfekt so, wie es ist! Deine Tochter hat keine Defizite oder Schwächen. Auch eine große Empathie ist etwas Normales und nichts, das man ändern müsste. Ebenso wie es auch normal ist, ein dickes Fell zu haben oder gar nicht sensibel zu sein. Menschen sind sehr unterschiedlich, das ist ja gerade das Spannende. Versuche ihr zu vermitteln, dass sie wunderbar und genau richtig ist, so wie sie ist. Das ist wichtig. Denn DAS macht sie stark. Akzeptanz ist das Einzige, was kleine Menschen wirklich fürs Leben fit macht. Denn wenn Mama und Papa einen wunderbar finden, dann mag man sich selbst auch - und dann kann man mit seinen Veranlagungen auch prima umgehen. „Abhärtung“ dagegen ist keine gute Idee! Da sie schon von recht harmlosen Szenen überfordert ist, sich aber zugleich auf perfekte Weise selbst dagegen schützt (mit Wegsehen), sollte man sie nicht noch mehr überfordern. Und ihre gut ausgeprägte Fähigkeit zum Selbstschutz damit unterlaufen. Das wäre wirklich schädlich, denn ihre Schutzmechanismen würden hierfür noch nicht ausreichen. Bitte macht das auf keinen Fall. Das Leben (und keine DVD!) hält nach und nach genügend fordernde Situationen für Kinder bereit, man muss das nicht künstlich forcieren. Im Gegenteil, Kinder brauchen einen geschützten Raum, indem sie gedeihen und stärker werden können. Sie wachsen so ganz allmählich von selbst in mehr Resilienz hinein, und nicht, weil sie gezwungen würden. LG

von Jorinde17 am 11.12.2018, 20:51



Antwort auf: 4-Jährige extrem empathisch - wie damit umgehen?

Liebe Jorinde, ich danke dir für deine ausführliche Antwort! Du hast völlig Recht, meine Tochter ist perfekt so, wie sie ist. Dies sagen und zeigen mein Mann und ich ihr auch wahrscheinlich eher zu viel als zu wenig, denn sie hat ein sehr ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Mein Post sollte auch keinesfalls ausdrücken, dass ich das auch nur im entferntesten anders sehen würde, oder dass ich mich nur auf „Defizite“ konzentrieren würde. Ganz im Gegenteil: Ich persönlich liebe sogar ihr so ausgeprägtes Mitgefühl ganz besonders. Ich schaue diesbezüglich nur leider sorgenvoll in die Zukunft der realen Welt und frage mich, wie das damit weitergehen soll. Denn ewig lässt sich ja nun leider nicht alles Angsteinflößende und Böse von ihr fernhalten. Daher war mein Gedanke, ob es vielleicht besser ist, sie daran wohl dosiert im geschützten Rahmen zu gewöhnen, als dass sie früher oder später anderswo ins kalte Wasser geworfen wird und damit ganz allein fertig werden muss. Ich denke z.B. an einen Besuch bei ihrem besten Freund, der bereits mit 3 Jahren Filme wie Ice Age etc. schauen durfte. Wenn sie dort mal zu Besuch sein sollte und seine Mutter den beiden nun eine Freude machen will und sie so etwas schauen lässt. Oder dieses Jahr waren die Vorschulkinder des Kindergartens im Kino. Wenn sie so weit ist, möchte ich sie ungern als einzige von dieser Unternehmung ausschließen. Andererseits könnte ich sie auch unmöglich guten Gewissens mitgehen lassen, wenn sie sich jede auch nur annähernd traurige oder beängstigende Szene so sehr zu Herzen nimmt. Dies nur als Erklärung, warum ich überhaupt auf den Gedanken gekommen bin, ob eine „Abhärtung“ vielleicht sinnvoll sein könnte. Denn eigentlich ist mein Herz auch der Meinung, dieses so wunderbar sensible Kind mit so etwas in Ruhe zu lassen. Nur mein Kopf sagt dann immer „Und wie soll das weitergehen?“ Aber dein letzter Absatz sagt mir, wie es weitergehen wird: „Das Leben hält genügend fordernde Situationen bereit“ – da hast du natürlich völlig Recht! Und wenn sie bis zum Kinobesuch der Vorschulkinder noch nicht so weit ist, dann sind wir höchstwahrscheinlich just in dieser Woche leider leider im Urlaub… ;-) DANKE! Liebe Grüße, Kilikina

von Kilikina am 12.12.2018, 06:42