Sehr geehrter Herr Dr. Posth,
ab wann kann man aus dem Verhalten eines Säuglings/Kleinkindes Rückschlüsse über die Charaktereigenschaften desselbigen schließen? Bzw. Wenn ein 9-10 Monate älter Säugling in fremder Umgebung anfangs ehr zurückhaltend ist, nicht gern von Fremden sofort mitgenommen und gezeigt wird, sondern zuerst einmal den Körperkontakt der Mutter sucht (hier auch totale Ruhe und Zufriedenheit findet), ist es dann ein Zeichen für Schüchternheit bzw. weniger Mut? Gleichzeitig würde ich ihn als sehr impulsiv und willensstark
bezeichnen... Motorisch ist er ehr weit. läuft seit dem 7,5 LM an Gegenständen entlang, zieht sich überall hoch etc. Vielen Dank für Ihre Arbeit. Sie ist mir eine großartige Unterstützung.
von
Lomi
am 24.03.2014, 08:24
Antwort auf:
Persönlichkeit und Charakterentwicklung
Hallo, die anfänglichen Reaktions- und Verhaltensweisen des Säuglings bezeichnet man allgemein als sein Temperament. Dazu kommen Ursprungs- oder Grundgefühle, die lebensbezeichnend sind und ein individueller Antriebsausdruck. In diesen Charakteristika zeigen sich schon einige Eigenschaften, die später verhaltensprägend werden. Allerdings steht davor die Wechselwirkung mit der unittelbaren Lebensumgebung, sprich mit den Eltern und Ersatzbezugspersonen. Andere Personen fallen noch nicht so ins Gewicht.
Folglich wird, so jedenfalls sehe ich das, aus Temperament, Grundgefühl und Antrieb zusammen mit den Umwelteinflüssen, der Charakter eines Kindes. Die Anschauung lehrt uns die Genetik in Erweiterung durch die Epigenetik. Die Kinder werden darüber schon 1 bis 2 Jahre. Die Persönlichkeit, das sage ich gleich, ist genau genommen eine "Lebenswerk". Sie verändert sich permanent, allerdings in individuellen Grenzen. Von ihr spricht man denn auch erst in der Pubertät und Adoleszenz.
Was Sie von Ihrem Sohn beschreiben fällt also schon unter anfänglichen Charakter, wobei die Impulsivität dabei ein Temperamentsmerkmal ist. Die Willenstärke wiederum ist ein Ergebnis seiner Auseinadersetzung mit der Umwelt. Leider wird das im üblichen Sprachgebrauch alles durcheinandergeworfen. In meinem 3. Buch über die Erziehung gegen Gewalt habe ich ein ausführlicheres Kapitel dazu eingebaut. Viele Grüße und danke für Ihr Lob.
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 26.03.2014