Ist es normal das mein Kind noch nicht von selbst einschläft?

Dr. med. Rüdiger Posth Frage an Dr. med. Rüdiger Posth Facharzt für Kinderheilkunde, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

Frage: Ist es normal das mein Kind noch nicht von selbst einschläft?

Sehr geehrter Herr Dr. Posth, meine Tochter Magdalena ist mittlerweile 4 Monate alt und sie hat seit Geburt Einschlafprobleme. Deshalb hätte ich ein paar kurze Fragen: a) Ist es normal, dass sie mit 4 Monaten noch nicht von selbst einschlafen kann, sondern nur durch tragen bzw. stillen? b) Ab wann kann man versuchen, mit ihr das selbständige Einschlafen zu üben, ggf. auch durch schreien lassen? Ist sie da mit 4 Monaten noch zu klein? c) Auffallend ist, dass sie abends meist so zwischen 22 und 23 Uhr einschläft und genau (!!!) nach einer Stunde wieder aufwacht und schreit. Manchmal schaffe ich es, sie wieder zum schlafen zu bringen, entweder durch stillen oder tragen, manchmal jedoch auch nicht und dann sind wir so bis 2 Uhr morgens wach. Woran kann das liegen, dass sie immer genau nach einer Stunde wieder aufwacht? Das ist nur beim Abend- bzw. Nachtschlaf so, tagsüber schafft sie es, länger als diese eine Stunde ohne Probleme zu schlafen. Danke! Mfg Brigitte Wagner

von Brigitte78 am 28.11.2011, 10:51



Antwort auf: Ist es normal das mein Kind noch nicht von selbst einschläft?

Hallo, zu Frage a) ja, das ist nicht nur normal, sondern von der Natur gezielt so eingerichtet. Denn gerade der Übergang vom Wachsein zum Schlaf und umgekehrt ist emotional ein kritischer Augenblick. Zuwendung und Nähe schaffen hier die sichere Bindung im Besonderen. Das Märchen vom Säugling oder Kleinkind, das alleine einschläft, entstammt der Zeit der autoritären Erziehung, als es darum ging, Kinder fürhzeitig emotional hart zu machen. zu Frage b) die Antwort ergibt sich aus der vorigen. Es kann überhaupt keine erzieherisches Ziel sein, einen Säugling oder ein Kleinkind allein einschlafen zu lassen. Seit jahrtausenden Menschheitsgeschichte gehört die Einschlafbegleitung von kleinen Kindern zur alltäglichen familiären Praxis. In der Kulturgeschichte gibt es dafür zahllose Beispiele. Es ist nachweislich auch weltweit nur in den westlichen Industrienationen so, dass es eine Forderung nach einem Alleine-Einschlafen von kleinen Kindern gibt. Das hängt sehr stark mit unserer total verplanten Lebensweise zusammen und mit der Verdrängung einen Platzes für Kinder. Das Kind ist zum Störfaktor in der glatt funktionierenden Büro- und Freizeitwelt unserer modernen Lebensperspektive geworden. Einige Bücher bedienen dieses Prinzip - auf Kosten der Kinder. zur Frage c) nach einer Stunde wechselt der erste Tiefschlaf in den Traumschlaf. Bei Säuglingen ist die Tiefschlafphase kürzer als bei Erwachsenen. Der Säugling wird dann vorübergehend halb wach, um zu kontrollieren, ob die schützende Bezugsperson noch da ist. Ist sie es, kann er ruhig weiterschlafen, ist sie es nicht schreit er nach ihr. Das angeborene Temperament bestimmt mit, wie schnell und heftig der Säugling schreit. Je sicherer sich der Säugling fühlt und je besser sein Schlafverhalten von Natur ist, desto leichter überschläft er die ersten Traumschlafphasen. Das heißt, Ihre prompte Präsenz eröffnet die Aussicht auf eine schnelle Besserung. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 03.12.2011