Hallo H. Dr. Posth,
Ergänzung zu meiner Frage vom 06.05./07:10: Ich lese Ihre Texte mit großem Interesse und verstehe, dass ein Säugling in keiner Weise eine „Schuld“ haben kann, da er lediglich seine Befindlichkeit äußern kann. Unser Wiegen und Singen dauert auch nicht an, wenn die Kleine sich dadurch nicht beruhigt. Entweder es hilft ihr und die Schreie lassen wie beschrieben nach, oder ich biete ihr die Brust an. Vielleicht wäre meine Frage besser so formuliert: Halten Sie es für möglich, dass das schlecht-entspannen-Können sich auch durch stärkeres Schreien äußert? Gestresst sind wir eher nicht. Wir haben, wenn sie schreit, bisher nur nichts Anderes als die Müdigkeit als mögliche Ursache ausmachen können. Wir wollen ihr Urvertrauen stärken und ihr helfen, sind an dieser Stelle nur leider ziemlich ratlos.
Danke im Voraus für Ihre Einschätzung und für Ihre wertvolle Arbeit hier im Forum.
VG,
Kirsten Fränkel
von
Ellie
am 13.05.2013, 07:10
Antwort auf:
Einschlafen tagsüber beim Säugling
Liebe Kirsten Fränkel, man wird einen Säugling niemals fragen können, was er empfindet, wenn ihm die Müdigkeit die Augen zudrückt, aber der Schlaf nicht kommen will. Offenbar ist es aber ein sehr belastendes Gefühl, das ihn aufwühlt und in Angst versetzt. Als Eltern muss einem das leid tun, und einen dazu veranlassen, alles Positive für das Kind zu unternehmen, ihm das Einschlafen so gut es geht zu ermöglichen. Wenn in dieser Phase geweint oder bei schwierigem Temperament auch geschrien wird, dann scheint das unvermeidbar zu sein. Behält man die Nerven und bleibt geduldig, gelingt es einem ja auch über kurz oder lang den Erregungszustand zu beenden. Erst jetzt kann der Säugling entspannt einschlafen. Und es ist anzunehmen, jedenfalls sprechen dafür alle empirischen Werte, dass der Säugling durch diese zeitlich begrenzte Belastung keinen Schaden nimmt, nicht an der Bindung und nicht im Urvertrauen. Die Schäden fangen erst jenseits aller sinnvollen und dem Kind zugewandten Beruhigungsmaßnahmen an.
Es gibt meines Erachtens keinen unbegrenzt anhaltenden Glückszustand beim Säugling und auch nicht beim älteren Kind. Dazu ist allein das Leben zu heterogen in seinen Angeboten und zu problematisch in seine Herausforderungen. Auch die besten Eltern schaffen diese Widersprüchlichkeit nicht aus der Welt. Aber das ist ein philosophisches Problem und kein psychologisches mehr. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 13.05.2013