Ist dies eine unsichere Bindung gewesen und wurde sie repariert?

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Ist dies eine unsichere Bindung gewesen und wurde sie repariert?

Guten Tag, meine Zwillinge sind nun 3,5 Jahre alt. Ich bin noch in Elternzeit, aber sie besuchen die Kita ca. 5 Std. pro Tag, seitdem sie 2,5 sind. Mein Mann ist nur am Wochenende zu Hause und Familie, die helfen kann, haben und hatten wir nicht. Die Kinder lagen 8 Wochen im Brutkasten/Wärmebett und ich habe sie fast täglich besucht. Dabei könnte ich wegen Brustentzündung und Fieber und dem dauernden Abpumpen auch mal einen Tag nicht hin, es ging mir körperlich noch nicht gut. Ich habe dann aufgehört abzupumpen und sie bekamen ab da Milchpulver. Wenn ich da war hieß es auch manchmal jetzt solle ich sie schlafen lassen, sodass ich manchmal nur mit einer Hand im Brutkasten da saß. Um ehrlich zu sein war ich da rückwirkend auch noch etwas von den Ereignissen überrannt, ich habe nicht sofort gefühlt, dass das nun meine wunderbaren süßen Kinder sind. Im Nachhinein merkte ich, wie das von Tag zu Tag mehr wurde. Zuhause lief es dann ganz gut, da ich den Essensrythmus einhielt und wir somit gut "getaktet" waren. Im ersten Jahr und vor allem im Zweiten war ich dann rückblickend gesehen aber doch am Ende meiner Kräfte, einen Hund musste ich auch dauernd ausführen. Ich habe dann z.B. mal geduscht, auch wenn sie quengelten und dann weinten, oder auch mal eben Wäsche zu Ende gefaltet. Die Flasche bekamen sie nicht auf dem Arm sondern parallel in der Wippe liegend - sonst hätte diejenige gebrüllt, die gerade warten muss. Es lief sehr pragmatisch ab. Ich habe sie alleine einschlafen lassen und bin nur reingegangen wenn das Gejammere zu Weinen wurde. Meist haben sie schnell geschlafen und auch schon früh immer gut durchgeschlafen. Seit sie 3 sind wachen sie auf und kommen zu mir ins Bett, und das dürfen sie auch. Ich habe in den ersten zwei Jahren nicht immer gleich auf ihre Bedürfnisse reagiert, weil ich am Limit war. Ich habe dann auch eine Kur durchgeführt. Das eine Kind schien desinteressiert wenn ich ging und wiederkam (einmal die Woche kam der Babysitter) und sie ließ sich auch nicht von mir oder sonst jemandem auf dem Arm trösten, wenn sie müde war. Freundinnen meinten ich solle sie beim Schreien aus dem Wagen nehmen, aber dann wurde es nur schlimmer. Ließ ich sie im Wagen schlief sie schneller ein als wenn ich eingriff. Mich hat das damals stutzig gemacht, ich Habe das beobachtet und hatte das Gefühl, sie kämpfte stark gegen den Übergang in den Schlaf. Kuscheln wollte sie auch nicht - ich fing an mir Sorgen zu machen. Ich bin aus eigener Überforderung in den ersten 2,5 Jahren situativ auch mal laut geworden. Gleichzeitig habe ich aber auch viel Zeit mit ihnen verbracht und gespielt etc. und mein Mann ist auch sehr involviert und liebevoll am Wochenende. Ich beschreibe jetzt ja nur das Negative, das, was mir Sorgen macht. Heute, mit 3,5, scheint alles gut. Wir kuscheln gerne und sehr viel, auch mit derjenigen, die anfänglich ganz unkuschelig war, und haben viel Spaß miteinander und spielen viel, sind viel im Wald. Sie hängen sehr an mir und wirken wie ganz normal gebundene, glückliche kleine Mädchen. Wenn sie weinen beruhigen sie sich bei mir sehr schnell. Ich bin ihre absolute Hauptbezugsperson und danach mit Abstand kommt mein Mann. Es gibt mittlerweile auch nicht mehr so viel Streit um mich (Zwillingsmutterproblem?). Meine große Sorge: Man liest so viel über Bindungstheorie, dass ich mich immer und immer wieder Frage, ob die Frühgeburt und einhergehende räumliche Trennung und meine anschließende Überforderung und resultierende "Nichtverfügbarkeit" und teilweise Gereiztheit in den ersten 2,5 Jahren bleibenden Einfluss haben können. Man liest immer ganz zu Anfang werden die Gehirnstrukturen festgelegt und der Umgang mit Stress (Lungenreife bekamen sie auch noch) und das Urvertrauen bestimmt. Als die Kinder größer und verständiger wurden, weniger schrieen und die extreme Belastung nachließ wurde alles viel besser, aber reicht das? Vielleicht können sie mir sagen, ob gestörte Bindungen, falls vorhanden gewesen, repariert werden können. Vielen Dank Egoli

von Egoli am 13.02.2018, 21:42



Antwort auf: Ist dies eine unsichere Bindung gewesen und wurde sie repariert?

Obwohl ihr Text sehr ausführlich ist, gibt es eine kurze Antwort. Jein. Will heissen, dass das Vergangene geschehen ist und sie ihre Energien darauf richten müssen, was heute geht, wie sie heute ihre Beziehung positiv beeinflussen können. Sie haben getan was sie konnten, mehr ging nicht. Winnicott sprach von der hinreichend guten Mutter, keinem Idealbild. Und das Ergebnis ist aus heutiger Sicht ok, sie haben guten Kontakt, nehmen und geben. Jetzt sollten nicht Schuldgefühle ihre Handlungen leiten, sondern ihre Freude an ihren Kindern, an der Familie, am Erreichten. Jedes Bindungsmuster ist verbesserbar und die Beziehung ist der Weg dahin. Ich wünsche ihnen viel Freude mit ihren beiden. Ludger Nohr

von Dr. med. Ludger Nohr am 14.02.2018



Ähnliche Fragen ähnliche Fragen

Sichere Bindung? LL?

Teil 2: kleiner Mann.Er erkundet gerne die Umgebung (kehrt aber immer wieder zu mir zurück) und ist recht extrovertiert.Wenn ihm eine fremde Person sympathisch ist,läuft er auch schon mal wiederholt hin,um die Person anzulächeln.Sucht aber zwischenzeitlich immer wieder Augenkontakt zu mir.Ansonsten kuschelt er sich auf meinem Arm auch schon mal an...


Fremdeln und sichere Bindung?

Hallo Dr. Posth, mit gr. Interesse verfolge ich Ihr Forum, habe ihr Buch gel. Unser kleiner ist 17 Mon. Ist ein lieber, verschmuster aber fordernes Baby. In ersten Mon ein Schreib., wir haben ihn nie schreiengel., viel getragen, auf der Brust schlafen gel., nach Bedarf gestillt, leider gab es Sit., da wir es nicht geschafft haben, ihn zu beruhige...


Sichere Bindung? Wie dann Brustentwöhnung?

Hallo Herr Dr. Posth, m. Tochter, 9,5 Monate, forumgsgem. Betreut, zZt. immer noch bis zu 90% gestillt, noch keine Zähne,, sitzt u. robbt seit Anf. Mai, krabbelt seit Anf. Juni und zieht sich jetzt überall hoch. Mittags max. 100 g Gem-Fleisch-Brei, nachmittags max 50 g Frü-Getr-Brei abends max. 100 g Hirse o. Griesbrei o. Milch. Kommt teilweise a...


Woran erkennt man eine sichere Bindung

Hallo Dr. Posth, Mein Sohn ist nun 15 Monate alt, vor zwei Wochen war er zum ersten Mal ohne Mama und Papa für 2 h bei seiner Patentante und ihrem 6 Monate älteren Sohn zum spielen,beide kennt er seit seinem 2. Lebensmonat u. sieht sie 1-4 mal die Woche. Beim Abschied war der kleine Mann auf dem Arm der Tante wir sagten ihm tschüß, gaben ihm eine...


Sichere Bindung? Sohn 12 Monate

Hallo, ich frage mich, ob mein Sohn sicher gebund. ist. Er ist temperamentv., war ab. kein Schreibaby u er wird immer ausgeglichener. Fremdeln mal mehr, mal weniger, Familienbett u wird forumsgemäß erzogen (allerdings habe ich wenige Male die Geduld verloren u reagierte etwas überspannt). Vater stets s. einfühlsam u wird seit ca. 2,5 Monaten auch w...


Haben wir eine sichere Bindung? Mutter nach postpartaler Depression

Sehr geehrter Herr Dr. Post, ich litt eine Zeit lang nach der Geburt an PPD und habe mein Kind nicht als solches annehmen können obwohl es ein absolutes Wunschkind war (entstand nach Icsi,Frühchen,traumatische Sectio).Ich war stark überfordert und ließ sie einige Male weinen während ich weinend neben ihr lag.Nun ist sie knapp 1 Jahr und meine PpD ...


Sichere Bindung

Anz. für sich. Bindung:u.A. Anhänglichk. u. Weinen,w. Mu. Raum verl. Tochter 9 Mt.ist nur s.selten anhängl.Weint auch nicht,w. ich Raum verlasse.Ist z. Bsp.bei Tante zufried., wenn ich Raum verl.,obw. sie diese nur s. selten sieht (wenn sie mich ab. hört,ruft sie mich manchm.) Im Fam.bett: benöt. keinen Körperkont. Fremdeln: krit. Blick,s. selten W...


Hat er eine sichere Bindung?

Lieber Hr Dr. Posth, mein Sohn ist 10,5 M alt. Ich bin AE. Er wird noch recht häufig gestillt. Familienbett, nie schreien gelassen, wird viel auf dem Rücken getragen. Fremdeln war/ist nicht sehr ausgeprägt. Er versteckt sein Gesicht kurz darauf lächelt er meistens wieder. Er ist schon sehr mobil. Krabbeln und versucht einige Schritte zu laufen....


Sichere Bindung?

Hallo Herr Posth, mein Sohn 5 1/2 Monate (Notkaiserschnitt,3Monatskoliken,voll gestillt,viel Tragetuch)schläft nur noch im Tragetuch ein, wenn man ihn seitlich im Arm schaukelt, weint er.Lässt sich selten ablegen zum Schlafen.Spielt auch mal alleine auf Spieldecke,weint nicht wenn ich raus gehe,manchmal lässt sich nicht zum Spielen ablegen-dann Tra...


Sichere Bindung?

Hallo Herr Posth, danke für die letzte Antwort. Weiche Zeichen fürs Fremdeln ist mir mit 3 Monaten aufgefallen.Zwischendurch schaut er Fremde skeptisch an, lacht aber dann.Aber bei manche lacht er gleich.Wie ist das zu erklären?Einmal hat in meine Freundin aus dem Kinderwagen geholt, ich war in einem anderen Raum, er hat schnell stark geweint und s...