Frage: Bindungsverlust

Hallo Katrin, ich lese schon seit längerem still mit und glaube daher, mit meinem Anliegen bei Dir "richtig" zu sein. Ich habe einen 6 Monate alten Sohn, den ich über alles liebe. Wir verstehen uns prima und ich - denke zumindest - dass ich es mit ihm gelassen und ruhig angehe, mein Bauchgefühl ist mir ein guter "Ratgeber". Auf die Ratschläge anderer pfeife ich - eigentlich. Doch das Thema Bindung ist ein Thema, das mich echt beschäftigt, bei dem mich die Kommentare/Ratschläge anderer sehr verunsichern.. Bisher habe ich die Bedürfnisse meines Sohnes prompt und zuverlässig erfüllt, ihn nach Bedarf gestillt - tu ich immer noch -, ein Familienbett gebaut (entgegen sämtlicher Unkenrufe), mich Viel mit ihm beschäftigt usw. Ständig musste ich mir anhören, dass ich ihn verwöhne.. *augenroll* Nun fangen die Kommentare der anderen (Familie/Freunde) jedoch an, an mir zu nagen, da sich nun Kommentare hinsichtlich des bevorstehenden Krippenbesuches hinzutun. Es heißt, dass all meine Bemühungen eh umsonst seien, da mein Sohn in die Krippe gehen werde u damit einen Bindungsverlust erleide. Eine befreundete Psychotherapeutin meinte dies auch. Sie klärte mich über Trennungsangst und Objektkonstanz auf (ich musste noch mühevoll nachlesen, um es gänzlich zu verstehen). Kurz - mein Sohn sei mit 15 Monaten (Krippenbeginn) zu jung um diesen unbeschadet in bezug auf die bindung zu meistern. Es lässt mir keine Ruhe. Ich selbst bin mit 6 Wochen (!) in die Krippe gekommen (Erstgeborenenregelung, DDR-Zeiten) und weiß, dass dies definitiv "Schäden" bei mir hinterlassen hat. Ich habe zuerst sämtliche Nahrung verweigert, so dass ich ins KH musste, wo ich dann einen Hospitalismus entwickelte. Dieser gab sich erst, als ich in die Pubertät kam. Ich habe bis heute Verlassenheitsängste. Aufgrund dessen habe ich bereits eine Psychotherapie gemacht. Ich hatte geglaubt, dass es meinem Sohn mit 15 Monaten "gut" gehen würde, wenn er dann mit der Krippe startet und die Zeit davor mit mir verbringt. Nun aber die blöden Kommentare, das Gespräch mit der Psychotherapeuten-Freundin und Nachgelese (Psychotherapeuten sprechen sich für Fremdbetreuung ab 3 Jahren aus - das kriege ich finanziell niemals hin!). Wie siehst Du denn das? An meinem Text und dessen Länge ist meine Verunsicherung schon deutlich geworden, hm? Ich danke Dir sehr für Deine Zeit und freue mich auch über Antworten von interessierten Mitlesern. LG und Danke

von Mamminka am 12.01.2018, 00:24



Antwort auf: Bindungsverlust

Liebe Mamminka, vielen Dank für Deinen einfühlsamen und persönlichen Beitrag :). Ich möchte Dir sagen, dass Dein Baby eine großartige Mutter bei sich hat! Du fühlst so sensibel in Dich hinein und suchst nach einer Antwort/ einer Stärkung dessen, was Dich bewegt... Und Du bist Dir gewiss bei dem, was Dich unruhig werden lässt bzw. tust alles, um Dein Baby in Geborgenheit zu halten. Mit all diesen Erkenntnissen und Auseinandersetzungen hast Du für Dein Baby und Dich DEN Weg der Bindung längst begonnen bzw. abgeschlossen :))! Ich kann mich dem Beitrag meiner Vorrednerin bedingungslos anschließen und habe den Eindruck, dass Ihr beide Euch ganz nah in diesem Thema seid. Aus meiner Perspektive hat sich die befreundete Psychologenfrachfrau Dir gegenüber leider nicht besonders empathisch verhalten bzw. Dir eine Verunsicherung mitgegeben, die in Dir diese Ängste auslöst, welche Du sorgsam und mit viel Engagement und einer klaren Haltung bearbeitet hast. Es ist unfair und trifft nicht DEINE Situation. Denn, es wäre zu erwarten, dass eine Therapeutin ressourcenorientiert arbeitet und schaut, was Du und Dein Baby für ein Band und Kräfte miteinander habt, um diese in Eurem nächsten neuen Abschnitt zu nutzen und Euch einfach darauf zu verlassen. Zudem kann bei einer Ablösung von Mutter/Kind ab drei Jahren in den Kindergartenalltag oftmals sehr deutlich werden, OB eine gute Bindung vorherrscht oder nicht; selbst wenn drei gemeinsame Jahre im häuslichen Umfeld stattgefunden haben. Wichtig ist, dass ein Kind, welches die Krippe besucht, seine Eltern immer authentisch erlebt und spürt, dass alles richtig ist, so wie es ist. Das Kind sollte nicht erlebt, dass ein " schlechtes Gewissen" der Eltern vorherrscht und dieses kompensiert wird durch z.B. übermäßiges beschenken, bespaßen oder Grenzlosigkeit.... Der Krippenalltag gehört nun eben dazu und wird nach einer sensiblen Eingewöhnungszeit eine gute Zeit für Euch werden. Fragen, Unmut o.ä. bitte immer zeitnah in der Kita besprechen....:). Und ich bin ganz gespannt, wie es für Deine kleine und Dich werden wird! Bis bald und liebe Grüße von Katrin

von Katrin Simon am 12.01.2018



Antwort auf: Bindungsverlust

Hallo Mamminka, Ich hoffe es ist ok, dass ich antworte. Ich habe mich ein bisschen angesprochen gefühlt, da ich selber einige Bindungsprobleme in meiner Kindheit hatte und Bindung bei mir und meiner Tochter ein großes Thema ist. Es ist wie bei dir auch mein wunder Punkt - ich gebe alles dafür, dass unsere Bindung stimmt. Wir sind eben "gebrannte Kinder". Du bist dadurch empfänglicher für solche Ratschläge und es geht direkt unter die Haut. Vorab möchte ich dir sagen, dass ein RIESEN Unterschied zwischen Krippeneintritt mit 6 Wochen und 15 Monaten liegt. Dass dein Kind dasselbe wie du durchmachen muss, ist ausgeschlossen. So, nun etwas fachlicher Hintergrund: Im ersten Lebensjahr geht es eigentlich nur um Bindung. Die Entwicklungspsychologie spricht von Urvertrauen vs. Urmisstrauen. Du tust bereits alles, damit dein Kind sein Urvertrauen entwickeln kann und sich sicher binden kann. Das Bindungsmuster entsteht das ganze erste Jahr über. So wie ich es gelesen habe, gibst du deinem Kind alles um eine sichere Bindung zu bekommen: Du bist immer da und reagierst prompt auf die Bedürfnisse. Du machst das toll so! Lass die Unken also rufen wie sie wollen. Dein Kind wird also mit 15 Monaten in die Krippe kommen. Das ist früh - ja sicherlich, aber es wird deinem Baby nicht schaden. Dein Kind hat zu diesem Zeitpunkt schon eine feste Bindung zu dir aufgebaut. Du wirst die Eingewöhnung sicherlich liebevoll begleiten und deinem Kind helfen, diese Veränderung zu wuppen. Höre auch da auf dein Gefühl! Manchen Kindern tut ein paar Stunden Krippe am Tag übrigens sehr gut. Ich nehme an, es geht finanziell nicht, noch ein paar Monate zuhause zu bleiben? Vielleicht könntest du als Ausgleich einfach noch ein bisschen länger stillen, weiterhin im Familienbett schlafen, dann kann dein Kind "Mama tanken" und du "Baby tanken". Es ist ja toll, wenn ein Elternteil zuhause beim Kind bleiben kann. Tatsächlich geht das aber nicht immer, und manchmal MUSS Krippe einfach sein. Wenn es irgendwie geht, würde ICH versuchen die Zeit dort so gering wie möglich zu halten. Du musst keinen Schaden im Sinne einer Bindungsstörung befürchten - du kannst eher damit rechnen, dass sich dein Kind auf dich stürzen wird, wenn ihr wieder zusammen seid. Da muss dann ordentlich nachgeholt werden, aber so wie ich das verstanden habe, würdest du das dein Kind absolut ausleben lassen :) Die Ansagen deiner Psychotherapeuten-Freundin finde ich im übrigen nicht nett und zielführend. Statt Ängste zu verschlimmern, sollte sie doch helfen diese abzubauen und neue Situationen zu meistern. Grummel. LG

von FräuleinMotte am 12.01.2018, 14:06



Antwort auf: Bindungsverlust

Liebe FräuleinMotte, vielen lieben Dank für Deinen Beitrag. Ich hab mich sehr gefreut, dass Du geschrieben hast. Deine Worte haben irgendwie gut getan, obwohl ich Dich nicht kenne. Ich rede sonst mit niemandem darüber, wie es mir als Baby ergangen ist und welche Auswirkungen dies bis heute hat, da ich befürchte, auf wenig Verständnis zu stoßen. Mein Eindruck ist, dass sich nicht allzu viele Menschen Gedanken um Bindung machen bzw. viele sich nur schwer vorstellen können, dass frühe Beziehungsabbrüche, wie bei mir geschehen, lebenslange Konsequenzen haben (... ist doch schon so lange her). Du allerdings hast mich verstanden. Danke dafür! Ich kann tatsächlich nicht länger Zuhause bleiben, da ich - neben den üblichen laufenden Kosten - ein berufsbegleitendes Studium bezahle. Mein Mann zahlt Unterhalt für seine Kinder aus erster Ehe.. Ich bin finanziell wirklich darauf angewiesen, wieder arbeiten zu gehen, wenn mein Kleiner 15 Monate alt ist. ABER: Ich habe meine Stunden drastisch gekürzt, so dass er nicht so lange in der KiTa bleiben muss und wir nachmittags Viel Zeit miteinander haben. Das Geld ist dann knapp, aber es langt. Alles Gute für Dich und Deine Maus! Herzliche Grüße :-)

von Mamminka am 12.01.2018, 19:46



Antwort auf: Bindungsverlust

Liebe Katrin, auch Dir vielen Dank für Deinen Beitrag. Ich bin wirklich beruhigt, Deine Worte haben Eindrücke hinterlassen. Ich habe sie erst einmal ein wenig sacken lassen und denke, ich bin auf dem besten Wege meinen Blick von der Angst hin zur Zuversicht zu richten. Gerne gebe ich eine Rückmeldung, wie es uns ergangen ist. Dies wird allerdings erst im September sein.. Ob Du Dich dann noch erinnern kannst? Hab vielen Dank für Deine tolle Arbeit hier! Viele liebe Grüße und bis September.. :-)

von Mamminka am 12.01.2018, 19:53



Antwort auf: Bindungsverlust

Wenn jeder frühe Krippenbesuch automatisch bei allen Kindern zu Bindungsstörungen führen würde, dann müssten 95% der Franzosen/Belgier/Luxemburger gestört sein. In den Ländern ist es schon seit jahrzehnten üblich, dass die Kinder früh (vollzeit) fremdbetreut werden. Früh (aus deutscher Sicht) heiß in diesem Kontext mit 2-3 Monaten. Die Kinder binden sich dennoch an ihre Eltern, genauso wie sich die jetzigen Elterngeneration sich als Kind an ihre Eltern gebunden hatte. Das, was als früh/spät, angemessen oder normal angesehen wird, unterscheidet sich ziemlich je nach Umfeld.

von Vilja am 19.01.2018, 00:33



Antwort auf: Bindungsverlust

Hallo, nun ja, das könnte doch sein, dass satte 95% der von Dir genannten Bevölkerung Bindungsprobleme hat..?! Nur weil etwas üblich ist heißt das ja nicht, dass es auch gut und gesund ist.. LG

von Mamminka am 20.01.2018, 22:06