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Geschrieben von Elisabeth mit Fumi & Temi am 05.01.2004, 13:07 Uhr

@tinai,.. zum beitrag wg kinderbetreuung , bildung etc....

Zitat:
"sei mir bitte nicht böse, aber das ist unfug!
zum einen,...hier oben im norden zahlt man mittlerweile für einen normalen kindergartenplatz OHNE essen! 140€(!) also über das doppelte!!!!einen kindergartentagesplatz kostet zwischen 260 und 300€! das sind bzw waren 600DM pro kind!
soviel muß man zuerst einmal verdienen!! >:o(
da sind die leute mit kindern im süden fast noch super dran!?"

In welchem Süden? Temis Kindergartenplatz kostet mich derzeit 450 Euro im Monat. Sein Krippenplatz hat mich zwei Jahre lang 520 Euro im Monat gekostet. Fumis Hortplatz kostet 120 Euro im Monat. Jeweils ohne Essen, das kostet 2,50 Euro extra pro Anwesenheitstag. Und warum? Weil es schlicht und einfach nicht genug Plätze gibt. Ein städtischer Platz wäre billiger gewesen, aber da sind die Wartezeiten 2 Jahre und mehr. Daß man sich das nicht antun will, dafür habe ich jedes Verständnis. Glaube mir, ich habe manchmal wirklich Lust, alles hinzuschmeißen, eine KiGa-Platz und einen Hortplatz freizumachen und von Sozialhilfe zu leben. Es geht ja nicht nur ums Geld - natürlich hätten wir dann weniger (wenn auch nicht viel), es geht auch um den Ärger, überhaupt mal einen Platz zu finden, dann die Ferienzeiten von zwei verschiedenen Einrichtungen mit meinem Urlaub zum koordinieren, die Öffnungszeiten einzuhalten und ein Notfallnetzwerk aufzubauen.

"soviel mir bekannt ist, bekommen sozialschwache bzw sozialhilfeempfänger den kindergartenbetrag bezuschußt bzw voll finanziert ob JA oder SoziAmt, kommt auf das jeweilige bundesland an!"

Ja, es kommt auf das Bundesland an. Und manchmal reicht es trotzdem nicht. Hier in München sind die Lebenshaltungskosten enorm, trotzdem werden einem für die Berechnung der Zuschüsse nur 600 Euro bei zwei Kindern für die Miete angerechnet. In ganz München ist für 600 Euro gerade mal eine Einzimmerwohnung zu mieten. Die Berechnungsgrundlagen sind schlicht und einfach unrealistisch.

"warum diese familien leztendlich ihre kinder also abmelden, so meine ganz persönliche auffassung, hat wohl demnach einen ganz anderen hintergrund! ich nenne es vornehm ausgedrückt bequemlichkeit,...es ist ja NÙR der kindergarten, da verpaßt er/sie/es eh nicht soooooo viel im leben!!!! >:O((((("

Das ist sicher - auch - ein Faktor. Aber es wird den Eltern hier ja auch leicht gemacht, Kindergarten unter "nice to have" abzuhaken. Ich bin DEFINITIV für eine Kindergarten- oder wenigstens Vorschulpflicht für alle. Aber dann müßte man diese Einrichtungen ja kostenlos anbieten, und will man das wirklich?
Als ich Temi für den 5. Kindergarten angemeldet habe (das war im Herbst 2003, da war er gerade mal 1,5 Jahre alt), saß in der "Anmeldeschlange" vor mir ein Vater, Rumäne, der seinen fast 6jährigen Sohn ebenfalls für den Kindergarten anmelden wollte. Er war völlig von den Socken, daß er in dem Schuljahr keinen Platz mehr bekommen würde, und nächstes Jahr würde sein Sohn dann eingeschult. Das hat ihm keiner gesagt!!! Wer sich nicht aktiv kümmert, weiß zumindest hier in München nichts von Anmeldefrsten, Gebürgenermäßigungen, Schnuppertagen, Wartelisten und dem ganzen Hickhack. Ist es denn so schwer, wenigstens die Eltern anzuschreiben, deren Kinder im laufenden Schuljahr drei werden, und Ihnen eine Liste der Kindergärten mit den dazugehörigen Anmeldetagen beizulegen? Die Listen gibt es, sie liegen im Jugenamt aus, aber man muß aktiv danach suchen.

"ich kann dir nur aus eigener erfahrung berichten, dass arbeitssuchende ae-frau/mann nur ein anrecht auf arbeitslosengeld/hilfe haben, wenn sie einen geeigneten "unterbringungsort" für die sprößlinge aufweisen können, und diesen auch noch selbst aus eigenen kräften finanzieren müssen! warum sollte also nicht auch so bei sozialhilfeempfängern verfahren werden?"

Sozialhilfeempfänger sind ja genau deswegen Sozialhilfeempfänger und keine AlHi-Empfänger, weil sie keine geeignete Unterbringung haben. Außerdem sind es bei weitem nicht nur Sozialhilfeempfänger, die ihre Kinder lieber zu Hause betreuen als sich den KiGa-Heckmeck auszusetzen. Es sind auch sehr oft "Nur-Mütter", deren Ehemänner arbeiten. Wenn die sowieso zu Hause sind - weil z.B. noch ein kleineres Kind zu betreuen ist - behalten sie lieber die großen Kinder auch zu Hause, als die KiGa-Gebühren zu zahlen. Nicht richtig, aber verständlich.

"ich denke bildung beginnt nicht nur im kindergarten und geht in der schule weiter, sondern sie fängt im elternhaus bereits an und wird durch die anderen institutionen geformt und gefördert!"

Richtig, aber leider sind nicht alle Elternhäuser in der Lage, diesen Bildungsauftrag zu erfüllen. Das hat doch die Pisa-Studie bewiesen: Nirgendwo anders in Europa ist der Bildungsunterschied zwischen Kindern aus "sozial benachteiligten" und "bessergestellten" Familien so groß. Man kann ziemlich viel darüber jammern, daß Eltern heurzutage nicht in der Lage sind, ihre Kinder zu erziehen, aber jammern hat noch nie geholfen. Wenn wir - also die Gesellschaft - nicht in 20 Jahren unter ungebildeten Arbeitnehmern leiden wollen, müssen wir - also die Gesellschaft - etwas dagegen tun.

Ich bin im Elternbeirat von Fumis Hort. Der Hort bietet eine Hausaufgabenbetreuung, die aber leider aufgrund mangelnder Kapazität nicht den Erfordernissen banchteiligter Schüler gerecht werden kann. Also bieten einige engagierte Eltern Unterstützung an. Und was wir da erleben, ist ein Trauerspiel. Kinder, die in der 3. Klasse noch nicht eine Zeile fehlerfrei lesen können. Kinder, die in der 2. Klasse schon sitzenbleiben, weil sie noch nicht alle Buchstaben kennen. Kinder, die nicht mal die einfachsten Additionen im Zahlenraum bis 20 hinbekommen - in der 4. Klasse. Und was sind das für Kinder? Das sind die Kinder, deren Eltern ihnen das zu Hause nicht zeigen können. Diese Kinder sind nicht dumm. Wenn man sich mit denen jeden Tag eine Stunde hinsetzt, haben sie das Versäumte nicht immer, aber meistens, schnell aufgeholt. Was für eine Verschwendung von Potential - mal gesamtwirtschaftlich betrachtet. Können wir als Gesamtheit der Menschen in Deutschland uns das wirklich leisten?

Ich erlebe das auch aus einer anderen Perspektive:
Fumi hat ADS mit Hypoaktivität. Sie ist hochbegabt, liegt beim Lesen aber im 10. Perzentil. Das Ergebnis ist, daß Hausaufgaben ein Theater sind, das drei Stunden dauert. Sie braucht spezielle Förderung und viel Zeit und Geduld.
Fumi hat Glück. Sie hat eine engagierte Lehrerin, die die Probleme früh erkannt hat. Sie hat Eltern, die sich kümmern wollen und können (! - es ist finanziell und zeitlich eine Belastung). Und sie hat einen kompetenten Kinderarzt. Wenn nur einer dieses Faktoren gefehlt hätte, wäre Fumi in 10 Jahren wahrscheinlich auch so eine Schulversagerin ohne Abschluß.

Wir alle kümmern uns zu wenig um unsere Kinder. Und wieder mal ist es Zeit für eines meiner afrikanischen Lieblingssprichwörter: "It takes a village, to raise a child!" Es ist zu leicht und bequem, alles auf die Eltern abzuschieben. Und gerade hier in D wird es Eltern oft schwergemacht, Hilfe zu suchen - eben weil die "Schuld" erstmal bei den Eltern gesucht wird.

Puh, Elisabeth hat mal wieder ein Megaposting geschrieben und darin mindestens 20 ihrer Lieblings-Streitthemen breitgetreten *grins*. Danke an alle, die bis hierher durchgehalten haben ;-).

Schöne Grüße,
Elisabeth.

 
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