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Geschrieben von Hase67 am 12.09.2020, 10:02 Uhr

Moria

Ich wollte dir ja noch antworten, das tue ich hiermit.

"- ohne den Asylstatus geklärt zu haben ( wozu überhaupt Asylverfahren, wenn das Ergebnis des Asylverfahrens praktisch keinen Einfluss darauf hat ob die Person bleibt, es finden praktisch keine Abschiebungen statt im Moment )"

Das "praktisch keine" Abschiebungen statt finden, stimmt nicht. Sie sind insgesamt in den letzten Jahren zurückgegangen (aus verschiedenen Gründen, es gibt auch faktische Gründe, zu denen mittlerweile auch gehört, dass Geflüchtete hier Ausbildungen beginnen können, und in diesem Jahr auch Corona-bedingt), aber es finden weiterhin Abschiebungen statt, sowohl zurück in Balkanstaaten als auch nach Westafrika, Afghanistan... Gerade bei Rückführungen nach Westafrika funktioniert auch einiges über Finanzhilfen für den Aufbau von Mikrobetrieben o.ä.

Und gerade Abschiebungen in die berüchtigten Maghreb-Staaten haben seit der Flüchtlingskrise 2015 massiv zugenommen. Aktuelle Zahlen habe ich dazu nicht (auch hier wird vermutlich einiges von Corona überschattet), aber zuletzt las ich 2018, dass die Quote um 35% zugenommen hat.

"- ohne sich zu fragen, was mit den Brandstiftern passiert, die ein paar tausend Menschen obdachlos gemacht haben, willst Du die auch in Mitteleuropa haben?"

Das wiederum ist natürlich eine Frage der Sichtweise. Strafrechtlich gesehen sind das Brandstifter, die 13.000 Menschen obdachlos gemacht und somit auch erpresserisch gehandelt haben. Du bist nicht die einzige, die so argumentiert, auch Griechenland argumentiert so und etliche rechtskonservative Politiker in der EU auch, auch in Deutschland. Und man will diese Straftat nicht "belohnen", indem man der Erpressung jetzt nachgibt.
Die andere Seite ist, dass Moria seit langem eine unbeschreibliche Katastrophe und eine Zumutung für die Bewohner ist. Wie lange hören wir uns jetzt schon die Berichte von Reportern, Ärzten und Hilfsorganisationen vor Ort an und gucken zu, ohne dass sich etwas ändert? Die sind jetzt außerdem seit März in Quarantäne. Ich weiß nicht mehr, wo ich das gehört oder gelesen habe, aber in Moria hat umgerechnet jeder Mensch ungefähr einen halben Quadratmeter für sich. Und wenn ich die Bevölkerungsdichte auf meine eigene Stadt umrechnen würde (ich rechne jetzt mal mit 200.000, weil das einfacher ist), würden in Freiburg über 12 Millionen Menschen leben. Man muss sich m. E. mal bewusst machen, was das heißt, gerade in Pandemiezeiten. Und da mutet es für mich geradezu zynisch an, wenn europäische Politiker sich an der Straftat der Brandstifter hochziehen und mit der Moralkeule draufhauen, dass diese Leute "Familien, die in Sicherheit waren, obdachlos gemacht" hätten. Das ist so unfassbar verlogen, dass es zum Erbrechen ist.
Die Frage "Willst du die auch in Mitteleuropa haben?" impliziert ja ein "einmal Querulant und Brandstifter, immer Querulant und Brandstifter" und "Wir holen uns hier potenzielle Gefährder ins eigene Haus." Aber stimmt diese Argumentation? Woher willst du das wissen? Wieso ist es naiv und gutgläubig, diese Brandstiftung als Verzweiflungstat zu werten?

"Im Übrigen bin ich sehr dafür zu helfen, Zelte und Infrastruktur liefern, beim Aufbauen können die Migranten helfen, grossflächige Corona Tests finanzieren auf Lesbos, Asylverfahren durchführen, rückführen oder nach Europa fliegen."

Warum so? Weil man die Leute damit den restlichen EU-Staaten vom Leib hält? Lauch hat es oben beschrieben, das Geld, das an Griechenland für die Verbesserung der Zustände in den griechischen Lagern gezahlt wurde, ist größtenteils (vermutlich in den Taschen von Staatsdienern) versickert. Mir ist auch nicht bekannt, ob Griechenland jemals wirklich in Erfahrung gebracht hat, wer genau sich da die Taschen vollgemacht hat, hier in der deutschen Presse ist das m. W. nicht angekommen. Fakt ist, es hat sich vor Ort nichts geändert. Griechenland ist seit der Griechenlandkrise von der "Bevormundung" besonders durch Deutschland genervt und fühlt sich mit der Flüchtlingsproblematik genauso wie Italien im Stich gelassen, andererseits war man scheinbar auch nicht in der Lage, der heimischen Korruption und Vetterleswirtschaft in den Griff zu bekommen. Mit der hochgelobten neuen Regierung soll ja vieles anders werden, aber anders wird vor allem, dass ich Griechenland wieder auf sich selbst besinnt, der Wirtschaft größere Zugeständnisse gemacht werden und man einen harten Kurs gegen Flüchtlinge fährt, die vom türkischen Festland kommen (die Pushbacks). Du erwartest nicht ernsthaft, dass sich die Lage der Flüchtlinge auf Lesbos oder den anderen Lagern jetzt verbessert, wenn man Moria einfach wieder neu aufbaut?

Ich finde, man muss sich in Sachen Flüchtlingsfrage und EU einfach eingestehen, dass die Flüchtlingsproblematik daran scheitert, dass die EU keine Wertegemeinschaft ist und ein Gros der Staaten es auch ablehnen, da gemeinsam zu handeln. Das gilt übrigens nicht nur für Ungarn, Polen und die Tschechische Republik, die immer zuerst genannt werden, sondern es sind auch Dänemark, Spanien, Schweden, die massiv mauern - und auch wenn Macron sich jetzt bereiterklärt hat, wie Deutschland Geflüchtete aufzunehmen, sind das nur Minimalzugeständnisse. Da wo nicht schon Rechtspopulisten in der Regierung sitzen, da regieren sie heimlich mit - in Frankreich, aber auch hier. Die Bedrohung durch die AfD hängt immer wie ein Damoklesschwert über allem, was die CDU/CSU entscheidet.

Fakt ist: Im Prinzip könnte Deutschland vermutlich sogar alle Leute aus Lesbos aufnehmen, stehen nicht inzwischen auch etliche Aufnahmelager in D fast leer? Unsere "Obergrenze" für Geflüchtete von 180.000?, die Seehofer festgelegt hat, haben wir noch nie auch nur annähernd ausgeschöpft, in diesem Jahr meines Wissens noch nicht mal zur Hälfte. Viele Ministerpräsidenten haben ja auch schon ihre Bereitschaft signalisiert, sogar Entwicklungsminister Gerd Müller von der CSU (!) hält die Aufnahme von 4.000 Geflüchteten für machbar. Aber in einem politischen Klima, wo die Leute schon Zeter und Mordio schreien, wenn mit einem Rettungsschiff 40, 50 Leute aus dem Mittelmeer gefischt und an Land gebracht werden, da kann man das natürlich nicht bringen. Weil dann wieder die Argumentation kommt, wir würden uns nur Probleme ins Land holen.

 
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