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Geschrieben von Dezemberbaby2012 am 07.04.2020, 16:45 Uhr

Update zu „Erfahrungen Grundschule OHNE Medikamente“

Hallo ihr Lieben,

vor langer, langer Zeit hatte ich Euch hier mal hilfesuchend nach Euren Erfahrungen zum oben genannten Thema gefragt. Es ging um meinen Sohn, bei dem kurz vor der Einschulung ADHS durch einen entsprechenden Test bestätigt wurde.

Mit der Einschulung traten dann große Schulprobleme auf. Nicht vom Wissen her, er ist sehr intelligent und auch sehr sprachbegabt, sondern bezüglich Sozial- und Arbeitsverhalten. Er störte massiv den Unterricht, ärgerte andere Kinder, kam zeitmässig bei der Bearbeitung der Aufgaben nicht mit, widersetzte sich Anweisungen etc. Die KJP-Ambulanz schlug daraufhin recht zügig eine Medikation vor, was ich aber erstmal vehement ablehnte.

Wer es nochmal nachlesen möchte: Mein Original-Beitrag war vom 19.10.2019.


Vielleicht interessiert den einen oder anderen, wie es weiterging und wofür wir uns letztlich erstmal entschieden haben. Zumal es hier ja vielleicht auch stille Mitleser gibt, deren Kinder ebenfalls kurz vor der Einschulung stehen.


Nach vielen schlaflosen Nächten und intensiven Gesprächen unter uns Eltern haben wir das Thema Medikamente nach und nach näher an uns rangelassen. Unser Sohn bekam immer mehr und deutlichere Probleme in der Schule, die Klassenlehrerin blieb zwar vordergründig freundlich, wirkte auf mich aber zunehmend ungeduldiger meinem Sohn gegenüber. Andere Lehrer schickten mir Briefe, ich möge meinem Sohn doch bitte klar machen, wie man sich in der Schule zu verhalten habe und liessen abfällige Bemerkungen über ihn vor der Klasse fallen.

Mein Sohn wurde zunehmend von den anderen Klassenkameraden ausgegrenzt. Niemand wollte mit ihm auf dem Schulhof spielen, auf dem Nachhauseweg wurde er weggejagt, bei zufälligen Begegnungen in der Freizeit wurde in unserer Hörweite gerufen, wie doof er wäre, und er soll abhauen. Eltern verboten ihren Kindern, sich mit meinem abzugeben. Und ich rede nicht von Verabredungen, sondern z.B. vom gemeinsamen Nachhauseweg. Ich habe das als beginnendes Mobbing (befeuert von den Eltern!) wahrgenommen. Es hat mir das Herz zerrissen.

Mein Sohn wurde immer depressiver, äusserte vermehrt, auch gegenüber der KJP, er wolle nicht auf der Welt sein. Zu Hause war sein Verhalten genauso schlimm, aufmüpfig, nervig, oft aggressiv. Aber niemals hätte ich ihm deswegen Medikamente gegeben. Ich kannte es schon lange nicht anders und ich sah ja auch hier und da Erfolge. Ich weiß auch, was für ein süßer Kerl er neben dem ADHS ist. Und als Mami hätte ich sowieso alles für ihn gegeben, auch meine letzte Kraft.

Aber zu sehen, wie die während der schon schwierigen KiGa-Zeit mühsam aufgebauten Freundschaften, die ihm soooo gutgetan hatten, in der Schule nicht durch neue Freundschaften ersetzt werden konnten (die zwei KiGa-Freunde gingen auf andere Schulen) und er mehr noch, sogar zunehmend aktiv ausgegrenzt wurde, war schlimm für mich anzusehen. Natürlich versuchte ich ihm zu helfen, mit Verhaltenstipps, Belohnungssystemen, Lern- und Arbeitshilfen usw., aber es wurde einfach nicht besser. Die zunehmende Ablehnung durch Kinder und Lehrer machte die ADHS-Symptomatik eher noch schlimmer. Ich sah die Verzweiflung in seinen Augen und spürte, wie sehr er selbst unter der ganzen Situation litt.

Den letzten Ausschlag gab dann ein anderes Mädchen aus seiner Klasse, die scheinbar auch stärkeres ADHS hatte. Bei ihr war wohl vor allem dadurch bedingte Aggressivität ein großes Problem, jedenfalls eskalierten mehrmals verschiedene Kind-Kind-Situationen und auch Kind-Lehrer-Situationen. Ich habe davon zunächst gar nichts mitbekommen, mein Sohn erzählte auch nie etwas zu Hause, aber als ich zufällig die Mutter einmal beim Einkaufen traf, kamen wir ins Gespräch und so erfuhr ich vom ADHS und den massiven Problemen ihrer Tochter in der Klasse. Sie erzählte mir, die Klassenlehrerin und auch die Direktorin würden sie als Mutter massiv unter Druck setzen, würden die ADHS-Diagnose anzweifeln (wie bei uns ja auch) und nähmen sie überhaupt nicht ernst. Sie erzählte mir Vorfälle, wo ich einfach nur noch entsetzt war.

Ich war von Anfang an proaktiv auf Direktorin und Klassenlehrerin zugegangen (dazu hatte ich hier glaube ich auch mal um Rat gefragt bzgl. vom ADHS in der neuen Schule freiwillig erzählen oder nicht?). Ich hatte noch vor Schulstart die möglichen Probleme meines Sohnes angedeutet und auch versucht klarzumachen, dass wir uns seiner Probleme bewusst sind und aktiv daran arbeiten. Und sie mich bitte bei auftretenden Problemen sofort kontaktieren sollen. Wir haben bei den ersten Beschwerden offen reagiert, dabei immer versucht klarzumachen, dass wir als Eltern die Experten für die Schwierigkeiten unseres Kindes sind, aber gleichzeitig zur Zusammenarbeit zwischen uns und den Lehrern aufgerufen. Dazu bin ich nicht auf den Mund gefallen, kann bei Bedarf mit Fachwörtern um mich werfen und so ist es mir wohl glücklicherweise gelungen, dass die Schule uns gegenüber grundsätzlich etwas „wohlgesonnen“ war und mich als Mutter auch respektiert hat.

Die andere ADHS-Mutter ist alleinerziehend, mit „einfachem Job“, teilweise ausländischem Hintergrund und kann sich leider nicht so gewählt ausdrücken. Sie ist aber (soweit ich das beurteilen kann) natürlich sehr wohl eine liebevolle und auch in der Erziehung engagierte Mutter. Da ging seitens der Schule aber offensichtlich eine Vorurteilsmaschine an (ADHS= Erziehungsproblem). Jedenfalls verloren Schulleitung und Klassenlehrerin schon wenige Wochen nach der Einschulung die Geduld für deren „unangepasstes Kind“, gingen (meiner Meinung nach) nicht angemessen auf das Kind und seine besonderen Bedürfnisse ein, mobilisierten die Elternvertretung (!), informierten das Jugendamt (!) und machten soviel Druck, dass das Kind schliesslich aus der Klasse „verschwand“. Die Mutter wurde zu einem längeren stationären Aufenthalt ihres Kindes (mit medizinisch begründetem Kontaktverbot) gedrängt, wo es dem Kind nach meinen letzten Informationen gar nicht gut ging (kann sicher grundsätzlich helfen, aber nicht unter diesen Vorzeichen). Schulhelfer o.ä. als Alternative wurden übrigens lt. Mutter von der Schule abgelehnt.

Nachdem ich das irgendwie hilflos mit angeschaut hatte und mein Kind wie gesagt immer trauriger wurde und sein Selbstvertrauen immer weiter runter ging, war mir klar: Dazu möchte ich es bei uns nicht kommen lassen. Mit dieser Gesamtsituation darf es für meinen Sohn nicht weitergehen, keinen einzigen Tag mehr.

Beim nächsten Termin mit der KJP sprachen wir noch einmal offen über ihre Einschätzung der Situation, ließen uns umfassend zu Medikationsmöglichkeiten beraten und begannen dann nach unserer Entscheidung, in die wir letztendlich auch unser Kind mit einbezogen hatten, recht zügig mit Medikinet. Zunächst einschleichend, dann ein kurzer Schlenker zu Ritalin und schließlich zu Medikinet Retard.

Was soll ich sagen: Die Schulprobleme sind viel besser geworden, die Lehrerin lobt ihn, hat auch gute Ideen, lässt sich auf ihn und seine noch immer vorhandenen „besonderen Harausforderungen“ ein. Wir arbeiten gut zusammen, mein Sohn, die Lehrerin und ich. Endlich konnte sie erkennen, was für tolle Seiten mein Sohn hat: Fantasie, Wissbegierigkeit, Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit .... Mit den anderen Kindern klappt es auch zunehmend besser. Er hat noch keinen wirklichen Freund gefunden, aber immerhin waren fast alle eingeladenen Kinder bei seinem Geburtstag und eine erste Geburtstagseinladung hat er selbst auch schon bekommen.

Keine Ahnung, wie es weitergeht. Es ist erst die 1. Klasse. Aber wir haben die Entscheidung für Medikamente bisher nicht bereut. Unser Sohn blüht richtig auf. Die Medikamente wirken nur ungefähr bis Schulschluß, zu Hause ist es also wie immer, d.h. anstrengend. Aber wir haben uns ja nicht für uns so entschieden, sondern für unseren Sohn. Und zu Hause können wir weiterhin versuchen, ihn mit Verhaltenstraining, Entspannung und ähnlichem zu unterstützen.

Ich denke immer noch, dass jede Familie ihren ganz individuellen Weg mit ADHS finden muss. Ob mit oder ohne Medikamente. Mein Bericht ist nur als ein möglicher Baustein in der Entscheidungsfindung für andere gedacht. Vielleicht ist er für manche hilfreich. Ich wollte unsere Erfahrungen einfach in diesem Forum mitteilen, weil ich hier auch schon so viele wertvolle Tipps und Gedankenanregungen bekommen habe.

Liebe Grüße

Dezemberbaby

 
4 Antworten:

Re: Update zu „Erfahrungen Grundschule OHNE Medikamente“

Antwort von desireekk am 08.04.2020, 16:03 Uhr

Hallo,

Das ist quasi unsere Geschichte vor 14 Jahren!

Nachdem unsere aus so schnell verstoffwechseln, haben wir dann noch unretardiert am Nachmittag dazugegeben. dafür kann dann aus unserer Erfahrung (viel) niedriger sein:
Retard: 30, später 40 mg, unretardiert reichten 10 mg.

Jetzt ist unser Großer auf der Uni, hat gute Noten, braucht aber immer noch Unterstützung durch Medikamente, gehört aber zu den besten 10% seines Jahrgangs, es geht also :-)

Der "Kleine" (jetzt auch schon 18), ist seit einem Jahr von Medis weg. Nicht ideal, hat aber andere Gründe warum er aufgehört hat. Es geht aber besser als gedacht (aber Medis würden definitiv helfen, bei ihm ist es vorallem Frustrationstoleranz)

Die Medikamente sind halt ur ein Hilfsmittel um die eigentlichen Therapien und Verhaltensmuster zu lernen, nicht die Therapie an sich.

Alles Gute!

D

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Re: Update zu „Erfahrungen Grundschule OHNE Medikamente“

Antwort von Dezemberbaby2012 am 08.04.2020, 16:44 Uhr

Danke für dein Feedback! Das macht mir Hoffnung, dass es bei euch schulisch und sogar in der Uni geklappt hat.

War bei euch auch die Wirkung des Retard schon mittags weg? Eigentlich soll es ja so 6-8 Stunden anhalten, aber bei uns ist nach 5 Stunden nichts mehr zu merken!

Zusätzlich unretardiert kann ich ihm im Moment noch nicht geben, weil er gewichtsmäßig eigentlich schon vormittags mit 20 mg Retard am Limit ist. Aber wenn die Schule später dann irgendwann länger dauert oder AGs dazukommen, wäre das noch eine Option.

Euch auch alles Liebe!!

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Re: Update zu „Erfahrungen Grundschule OHNE Medikamente“

Antwort von desireekk am 08.04.2020, 19:59 Uhr

So genau kann ich das nicht mehr sagen, aber sicher nicht mehr als 6 Stunden. Meine haben es "auf dem Wag nach draußen" genommen, damit es lange genug reicht, jede 10 Min zählten da für mich.

Mein KJP hat auch immer gejault, aber man muss ja auch erst Mal verstehen dass die Freisetzungsmenge nicht den "20mg" entspricht bei Retard. Da gibt es einen älteren Bericht im Internet dazu , google doch mal.
ich hatte auch gerne Diskussionen mit dem KJP (den ich aber in seiner Sichtweise immer noch SEHR achte) und habe oftund gerne "mehr" gefordert wenn ich merkte, dass es nicht reichte.
Die Richtlinien sind Richtlinien, keine Gesetze, da kann es eben sein, dass ein Kind drunter und ein anderes drüber liegt.

VG

D

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Re: Update zu „Erfahrungen Grundschule OHNE Medikamente“

Antwort von asclepiatina am 08.04.2020, 20:07 Uhr

Also, ich habe meine Große ohne Medikamente durch die ersten 3Schuljahre bekommen. Die Konzentration wurde von der Ergo trianiert. Haben bei ihr nur auf Grund der letzten Vorkommnisse und sie extrem unglücklich war.

Mein Sohn ist aktuell auch ohne Medis in der Grundschule und da sind aktuell au keine Medis geplant. Bin kein Freund davon. Wichtig ist mir das das Kind glücklich ist, das sie unruhig sind stört mich nicht

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