Guten Tag!
Meine Tochter ist genau 4 Wochen alt, wurde reif und kräftig geboren und seit dem ersten Tag ein starkes Saug- und Nähebedürfnis. Ich habe sie von Anfang an sehr häufig angelegt. Es ist mein 4.Kind. Ich stille sie, was gut klappt, allerdings möchte sie fast nur getragen werden (was tagsüber kein Problem ist), nachts aber allmählich zum Problem wird, da sie sehr häufig an die Brust will ohne wirklich hungrig zu sein. Sie ist dann gar nicht wach, macht den Mund nur halbherzig auf und hätte am liebsten immer Zugang zur Quelle :-) Leider bekomme ich dadurch wenig Schlaf. Es läuft inzwischen täglich so: Sie wird um ca 22 (manchmal auch 23Uhr) das letzte Mal gestillt, dann gehen wir schlafen, sie schläft ca drei Stunden und ist hungrig, was für ihr Alter völlig gut ist! Dann aber schläft sie den Rest der Nacht kaum noch, möchte Nähe (z.B. auf mir schlafen, was mit über 5 Kilo inzwischen nicht mehr so einfach ist, da ich kaum atmen kann!) oder möchte gestillt werden. Einen Schnuller will sie absolut nicht. Ich habe versucht sie zu pucken, das beeindruckt sie wenig! Die Kinderärztin bei der U3 sagte nun, dass sie bei ihrem Gewicht nicht mehr so häufig gestillt werden soll. Tagsüber hat sie mal alle zwei, mal erst nach 3,5 Stunden Hunger. Haben sie einen Rat? Die Kinderärztin empfahl mir Cocoon-a-Baby, allerdings schrecke ich vor derartigen Anschaffungen zurück (bei zweifelhaftem Nutzen?). Sie sagte auch meine Tochter habe das bauchweh vom zu häufigen Trinken. Sie braucht viel Nähe, wenn sie tagsüber weint oder müde ist, kommt sie häufig nur das Stillen zum Schlaf oder zur Ruhe. Grundsätzlich halte ich das bei Babys nicht für unnatürlich, obwohl natürlich die Gefahr besteht, dass sie immer nur einschlafen kann, wenn sie gestillt wird, auch wenn sie älter ist. Was können Sie mir raten?
von
Männerbudenbetreiberin
am 14.04.2015, 14:32
Antwort auf:
Trinkt das Baby zu oft?
Liebe Männerbudenbetreiberin,
ein Baby sollte nach Bedarf gestillt werden. Alle Stillexperten sind sich einige, dass Stillen nach Bedarf für Mutter und Kind am besten ist. So wird sichergestellt, dass das Baby die Nahrung, die es braucht, genau dann bekommt, wenn es sie braucht und sich das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einstellen kann. Während eines Wachstumsschubs kann es durchaus sein, dass ein Baby alle Stunde an die Brust möchte.
Es gibt keinen Grund einen Mindestabstand zwischen zwei Stillmahlzeiten einzuhalten. Im Extremfall kann das „Hinhalten" des Babys zu Gedeihstörungen führen. All die Erzählungen von einem bestimmten Rhythmus eines Babys sind schlicht und ergreifend falsch.
Muttermilch ist innerhalb von 60 bis 90 Minuten verdaut und der Organismus eines Babys ist auf häufige Mahlzeiten eingestellt.
So kleine Babys wollen im Schnitt zwischen acht und zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden. Im Schnitt heißt, es gibt Babys die seltener nach der Brust verlangen (eher wenige Babys) und es gibt Babys, die häufiger an die Brust wollen (die Mehrzahl). Nun ist es jedoch nicht so, dass ein Kind zügig zwanzig Minuten trinkt und sich dann nach drei Stunden das nächste Mal rührt, sondern es kommt immer wieder zu Stillepisoden, die so ablaufen: das Kind trinkt eine kurze Weile, hört auf, döst vielleicht sogar weg und beginnt erneut kurz zu trinken usw. Dieses Verhalten heißt Clusterfeeding und ist absolut normal für kleine Babys. Besonders gehäuft treten diese Stillepisoden am Nachmittag und Abend auf, wie überhaupt die Abstände zwischen den Stillzeiten im Verlauf des Tages immer kürzer werden. Dazu kommt, dass in bestimmten Altersstufen Wachstumsschübe zu erwarten sind, in denen die Baby manchmal schier ununterbrochen an die Brust wollen.
Dein Baby ist erst vier Wochen alt und es hat
noch überhaupt keine Vorstellung davon, dass es einen Unterschied zwischen Tag
und Nacht gibt.
Du musst dir vorstellen, dass dein Baby bis vor vier Wochen Tag wie Nacht
ununterbrochen Nahrung bekommen hat, ganz gleich wieviel Uhr es war. Es war
immer gleichmäßig warm und die Geräusche um sie herum hatten auch eine
gewisse Monotonie. Nun plötzlich ist alles anders und an diese riesige Veränderung
muss sie sich erst gewöhnen. Das braucht seine Zeit und vier Wochen sind viel zu
wenig Zeit, um diese Umstellung einfach zu bewältigen.
Gib dir und deinem Kind die Zeit, die ihr beide braucht, um euch an das neue Leben
zu gewöhnen. Denke daran, dass Du jetzt Wöchnerin bist. Leider ist es in unserer
Kultur nicht (mehr) so sehr verbreitet darauf Rücksicht zu nehmen, dass eine Frau,
die gerade ein Kind geboren hat, Zeit braucht. Zeit zur Erholung, Zeit zum
gemeinsamen Kennenlernen des neuen Menschleins, Zeit ums sich an die ganze
Veränderung, die so ein kleiner Erdenbürger mit sich bringt zu gewöhnen.
Scheue dich jetzt nicht, jede Hilfe, die Du bekommen kannst anzunehmen, so lange
diese Hilfe nicht darin bestehen soll, dir dein Kind abzunehmen. Nutze die Zeit, die
dir dein Kind während des Tages lässt zum Ausruhen und Schlafen und nicht für
den Haushalt, der kann gut und gerne einige Zeit auf Sparflamme laufen.
Lass die nächtlichen Stillzeiten so ruhig und „langweilig“ wie möglich verlaufen.
Wenn dein Baby nicht die Windeln voll hat (oder sie so nass sind, dass es ausläuft),
dann musst Du nachts auch nicht wickeln. Lass dein Kind in deiner unmittelbaren
Nähe schlafen und gib ihm tagsüber immer wieder Anregung in seinen
Wachphasen. In ein paar Wochen wird deine Kleine langsam bemerken, dass es einen
Unterschied zwischen Tag und Nacht gibt und dein Leben wird wieder einfacher
werden.
Keine Angst, Babys bleiben nicht auf ewig so klein und anstrengend.
LLLiebe Grüße
Biggi
Woher kommt der Mythos vom „Mindestabstand" ?
Von Denise Both, IBCLC
„Sie dürfen nicht so oft anlegen, dann hat die Brust ja keine Zeit, sich wieder zu füllen."
„Zwischen zwei Stillzeiten MUSS ein Abstand vom mindestens zwei Stunden liegen sonst bekommt das Kind Bauchschmerzen"
„Frische Milch darf sich nicht mit bereits angedauter Milch vermischen, deshalb dürfen Babys frühesten nach zwei Stunden wieder angelegt werden"
Wohl jede Stillberaterin ist schon mit diesen Aussagen konfrontiert worden. KinderärztInnen, Hebammen und auch wohlmeinende Mitmenschen kommen immer wieder damit.
Ist ein Mindestabstand wirklich notwendig oder sinnvoll?
Die Antwort auf diese Frage ist ein klares NEIN. Ein Baby sollte nach Bedarf gestillt werden. Alle Stillexperten sind sich einig, dass Stillen nach Bedarf für Mutter und Kind am Besten ist. So wird sichergestellt, dass das Baby die Nahrung, die es braucht, genau dann bekommt, wenn es sie braucht und sich das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einstellen kann.
Es ist nicht sinnvoll, den Abstand zwischen den Stillzeiten lange zu halten „damit sich mehr Milch ansammelt", denn die Brust funktioniert nicht wie eine Flasche, die wieder aufgefüllt werden muss. Der größte Teil der Milch wird während des Stillens gebildet.
Ebenso ist es ein Ammenmärchen, dass ein Baby einen Mindestabstand zwischen zwei Stillzeiten einhalten müsse, um zu verhindern, dass frische Milch auf angedaute Milch kommt. Im Extremfall kann das „Hinhalten" des Babys zu Gedeihstörungen führen. Es gibt keinen Beweis, für die „Frische Milch auf halbverdaute Milch Theorie", die besagt, dass zwischen zwei Stillmahlzeiten ein Mindestabstand von zwei Stunden eingehalten werden müsste, weil das Baby sonst Bauchschmerzen bekäme.
Doch woher kommt diese Meinung?
Die Vorstellung, dass der Magen zwischen zwei Mahlzeiten vollständig geleert werden müsse, geht wahrscheinlich auf den Kinderarzt Prof. Adalbert Czerny (1863 – 1941) zurück, vor allem auf das, was er in seiner 1893 erschienen Veröffentlichung „Die Ernährung des Säuglings auf Grundlagen der physiologischen Funktionen des Magens" und seinem 1922 veröffentlichten Buch „Der Arzt als Erzieher des Kindes" geschrieben hat.
Czerny hielt es einerseits für absolut notwendig feste Abstände zwischen den Stillmahlzeiten einzuhalten, damit sich zwischen den Mahlzeiten der Magen komplett entleert und sich die Magensäure (Salzsäure) ansammeln und antiseptisch wirken kann und andererseits maß er dem streng einzuhaltenden Stillrhythmus einen hohen erzieherischen Wert bei.
Nach seinen Beobachtungen entwickelten sich mit künstlicher Säuglingsnahrung (zur damaligen Zeit überwiegend Kuhmilch) gefütterte Babys besser, wenn zwischen den Mahlzeiten ein Abstand von vier Stunden eingehalten wurde. Daraus schloss er, dass es auch für gestillte Kinder besser sei, einen Mindestabstand und festen Rhythmus einzuhalten. Nachdem er festgestellt hatte, dass Muttermilch nach eineinhalb bis zwei Stunden den Magen vollständig verlassen hatte und Kuhmilch nach drei Stunden, legte er die Abstände der Mahlzeiten für gestillte Kinder auf mindestens drei Stunden, für kuhmilchgefütterte Kinder auf mindestens vier Stunden fest.
Es wurde – wie so oft – einfach eine Vorgehensweise, die für nicht gestillte Kinder sinnvoll sein konnte, auf gestillte Kinder übertragen und bis heute hält sich die Vorstellung von dem Mindestabstand in vielen Köpfen, zum Leidwesen vieler junger Mütter und ihrer Babys.
von
Biggi Welter
am 14.04.2015