Frage: Papa soll Baby ins Bett bringen

Liebe Frau Welter, ich lese schon länger Ihre Antworten in diesem Forum und sie haben mir schon oft geholfen - vielen Dank dafür. Heute habe ich selbst eine Frage, zu der mein Partner und ich gerade nicht mehr weiter wissen. Die Situation: Unsere Kleine ist jetzt 8 Monate alt. Ich habe sie fast sechs Monate voll gestillt. Vor allem aus diesem Grund habe dann auch immer ich sie ins Bett gebracht und nicht mein Partner. Es ging einfach am schnellsten (stichprobenartige Versuche von seiner Seite führten sofort zu großer Schreierei - phasenweise konnte er sie nichtmal tagsüber oder nachts beruhigen, das geht zwischenzeitlich zum Glück längst wieder). Seit wir vor 2 Monaten Beikost eingeführt haben lege ich (mittlerweile nicht mehr im Liegen im Bett, sondern im Sitzen auf dem Sofa) sie zwar vor dem Schlafen nochmal an, um sicher zu stellen, dass sie wirklich satt ins Bett geht, aber sie trinkt kaum noch was und ich kann sie mit unserem üblichen Einschafritual (Lied singen, Schnuller etc.) auch so problemlos und schnell ins Bett bringen. Sobald sie eingeschlafen ist, gehe ich aus dem Zimmer. Oft testet sie nach ca. 20 oder 40 Minuten aber nochmal, ob noch jemand da ist. Ich oder mein Partner gehen dann nochmal kurz rein, oft hat sie dann auch den Schnuller verloren und nach kurzem Streicheln schläft sie weiter. Nach dem üblichen enticklungsbedingten Auf und Ab beim Durchschlafen schläft sie dann zur Zeit sogar wieder längere Phasen am Stück durch und ich stille sie nur noch ca. 2x nachts, wobei sie da dann auch ordentlich trinkt. Sie schläft neben mir in einem großen Beistellbett. Grundsätzlich kann sie nicht alleine wieder einschlafen, sie braucht Minimum ein Streicheln, beruhigende Worte und Stillen oder Schnuller, manchmal nehme ich sie auch komplett zu mir zum kuscheln und weiterschlafen (die nächtliche Betreuung liegt bei mir wg. Stillen und damit Papa zum Arbeiten am nächsten Morgen fit ist). Ihr Papa kann glücklicherweise tagsüber neben Job immer wieder Zeit mit ihr verbringen, ich kann die beiden auch problemlos bis zum nächsten Stillen mal alleine lassen, er füttert ihr Brei usw. Zum Einschlafen tagsüber geht er mit ihr im KiWa spazieren. Nun wollten wir aber den nächsten Schritt schaffen, nämlich dass wir sie abwechselnd abends ins Bett bringen, damit ich auch mal abends aus dem Haus kann etc. Er ist zunächst ein paar Abende mit ins Schlafzimmer gekommen und nun haben wir drei Versuche hinter uns, wo es nur der Papa probiert hat. Ich habe mich von ihr verabschiedet, er ist mit ihr rein, und sie brüllt sich sofort total in Rage. Die ersten zweimal konnte er nach einer halben Stunde nicht mehr und ich habe übernommen, heute habe ich das Ganze schon nach 5 Minuten abgebrochen. Jetzt wissen wir auch gerade nicht mehr weiter: Wir wollen es beide schaffen und wir lassen sie ja auch nicht alleine, sondern ihre zweitwichtigste Bezugsperson ist permanent bei ihr, hält sie usw.. Gleichzeitig ist das Schreien nur schwer auszuhalten und haben wir so auch noch nie gemacht. Gibt es irgendeine sanfte Möglichkeit das Thema anzugehen? Uns ist klar, dass sie protestiert, weil wir das Ritual verändern und das darf sie ja auch, aber wo ist der Punkt, wo man ihr Vertrauen kaputt macht? Gleichzeitig wollen wir eigentlich konsequent bleiben mit unserem gestarteten Versuch, um nicht völlige Desorientierung zu schaffen bei ihr und nicht gleich wieder aufzugeben... Wir freuen uns sehr über einen guten Ratschlag. Herzlichen Dank.

von ditol am 24.03.2015, 21:21



Antwort auf: Papa soll Baby ins Bett bringen

Liebe ditol, vielleicht solltet Ihr dem Baby noch etwas Zeit lassen, auch diese Phase wird vorüber gehen. Das Verhalten deines Kindes wird sicher von manchen Menschen als extrem anhänglich oder mutterfixiert bezeichnet, doch es ist ein vollkommen normales Verhalten für ein Baby. Es ist sogar wichtig, dass ein Kind zunächst eine feste und verlässliche Bindung zu einer Person aufbaut (und diese Person ist bei einem gestillten Kind naturgemäß fast immer die Mutter). Aufbauend auf dieser Erfahrung kann das Kind dann später seinen Horizont erweitern und Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen. Doch das "Fundament" der engen Beziehung zur ersten Bezugsperson sollte fest sein und so zum Fundament der Beziehungsfähigkeit und Bindungsfähigkeit überhaupt zu werden. Wie schnell oder langsam das Kind dann seine Fühler ausstreckt und Kontakt zu anderen aufnimmt und dort Bindungen knüpft ist ebenso wie das Laufenlernen oder Sprechen von Kind zu Kind verschieden. Jedes Kind hat da seinen eigenen Zeitplan. Du würdest niemals an einer Blume ziehen, damit sie schneller wächst, denn Du weißt, dass sie dadurch verkümmern oder sogar sterben würde. Genau so wenig können wir an unseren Kinder "ziehen", um ihre Entwicklung zu beschleunigen. Keine Angst, dein Baby wird weder ein Muttersöhnchen noch ein ewig unselbstständiger Mensch, sondern Du legst jetzt den Grundstock für einen in sich ruhenden, selbstbewussten und selbstständigen Menschen. Dein Kind kann nicht "verwöhnt" werden, wenn es viel Nähe und Zuwendung bekommt. Eine Kollegin von mir hat dazu einen schönen Text geschrieben, aus dem ich jetzt einen Abschnitt zitiere: "Das Kind wird verwöhnt und verzogen. "Ja, das ist jetzt schon total verwöhnt" "Ihr verzieht das Kind, nachher will es nur noch auf den Arm" "So lernt das Kind ja nie alleine einzuschlafen, alleine zu spielen, sich mit sich selbst zu beschäftigen ..." "Wie soll das Kind denn seinen Rhythmus finden, wenn Du es ständig mit der herumziehst". So und ähnlich lauten viele Aussagen wohlmeinender Freunde, Verwandte und auch wildfremder Menschen, von denen man auf der Straße angesprochen wird. Was ist dran an dieser Theorie, dass das Baby durch die Zuwendung, die es erhält verwöhnt und verzogen wird? Bernadette Stäbler beschreibt in ihrem Buch "Mama" die Angst, sein Kind nicht richtig zu erziehen: "Und schon ist sie da, diese Angst, sein Kind zu verziehen. Welche Ursachen hat sie? Denn, wer dieses unschuldige Baby anschaut, fühlt sich sehr glücklich. Niemand kann sich vorstellen, dass es eines Tages unerwünschte Handlungen vollbringen wird. Wenn wir also von "verziehen" sprechen, haben wir ein älteres Kind vor Augen. Das Kind im Trotzalter, das immer "nein" ruft, läßt seine Mutter denken: "Was für einen Dickkopf habe ich mir großgezogen. Sicher habe ich es falsch gemacht!" Ist es wirklich so wichtig, dass unsere Kinder vor der Zeit lernen, alleine zu schlafen, alleine zu sein und sich mit sich selbst zu beschäftigen? Ist es notwendig, dass wir Erwachsenen unseren Lebensrhythmus ändern und an das Baby anpassen, damit sich das Kind gut entwickelt? Auch hierzu möchte ich wieder aus dem Buch von Bernadette Stäbler zitieren: "In vielen ursprünglich lebenden Kulturen, die wir "primitiv" nennen, wurden inzwischen Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse eine Umwälzung unserer Ansichten über die herkömmliche Kindererziehung mit sich brachten. Ich möchte eine afrikanische Studie herausgreifen und vereinfacht darstellen: Die erste Gruppe gebar ihre Babys zuhause und ließ diese keinen Moment allein. Geborgen bei der Mutter, wurden sie nach Bedarf gestillt und mussten niemals schreien. Bald ging die Mutter wieder auf das Feld, um die gewohnte Arbeit zu verrichten, das Neugeborene in ein Tragtuch geschlungen. Die Kontrollgruppe bekam ihre Babys im Krankenhaus mit aller medizinischen Hilfe, einschließlich schmerzlindernden Medikamenten. Gleich nach der Geburt wurden Mutter und Kind getrennt, um zu ruhen. Die Babys bekamen Fläschchen und Schnuller, weil dies "das Moderne" war. Daheim schliefen die Kinder in ihrem Bettchen, in ihrem eigens dafür hergerichtetem Zimmer. Allein, ohne Körperkontakt. Alles ging recht zivilisiert zu, nämlich nach einem genauen Zeitplan, denn die Kinder sollten sich früh an ein geordnetes Leben gewöhnen und weder kleine Tyrannen noch nervös werden. Ein Jahr später offenbarte sich das Unerwartete: Die Kinder der ersten Gruppe waren in allem den anderen voraus: Sie waren intelligenter in ihren Verhaltensweisen und auch viel sozialer eingestellt, selbst die körperliche Entwicklung war besser, obwohl sie die ganze Zeit "festgebunden" waren. Ähnliche Ergebnisse ergaben vielseitige Studien in den verschiedensten Kulturkreisen. Wenn wir versuchen, dies mit einer natürlichen, einfühlsamen Intelligenz nachzuvollziehen, wissen wir, warum das Ergebnis so ausfallen musste. Das Baby fühlt sich bei seiner Mutter geborgen. Es muss seine Kräfte nicht für das Weinen verbrauchen. Der mütterliche Körper gibt ihm Wärme. Wenn das Baby sich an seine Mutter schmiegt, fühlt es ein wenig von dem Glück, das es neun Monate lang im Mutterleib haben durfte. Es kennt von daher ja auch schon die Herztöne seiner Mutter, es kennt sogar schon ihre Stimme und nun sieht es endlich ihr Gesicht, ihre Augen und darf an der Brust trinken, wenn es möchte. Das ist das Glück, die mütterliche Liebe, die Impulse gibt für die Intelligenz und das soziale Verhalten. Wenn das Baby sich an die Körperbewegungen der Mutter anpassen muss, während sie ihre alltägliche Arbeit verrichtet, übt es in wundervoller Weise seine Muskeln und den Gleichgewichtssinn." (Aus: Denise Both: "Tragen") Ganz llliebe Grüße, ich hoffe, Du bist nicht enttäuscht von meine Antwort Biggi

von Biggi Welter am 24.03.2015



Antwort auf: Papa soll Baby ins Bett bringen

Dieser Eintrag oft sehr berührend und hat mir den Tag gerettet. Danke.

von Lebensblume am 18.01.2021, 15:45