Mein Kind schläft mit 5 Monaten nur beim stillen oder auf mir.

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Mein Kind schläft mit 5 Monaten nur beim stillen oder auf mir.

Hallo, Ich habe in den letzten Monaten schon viele Beiträge gelesen. Mein Sohn kam Ende März per Kaiserschnitt ohne Wehen oder ähnlichem zur Welt. Der Kaiserschnitt hat, nachdem er geholt wurde, noch sehr lange aufgrund Komplikationen gedauert. Nach der Woche im KH hat mein Sohn nur auf mir geschlafen. Er konnte nicht abgelegt werden. Selbst beim Wickeln wurde nur gebrüllt. Er spuckte und spuckt immer noch viel. In der 2. Lebenswoche wurde ein Magenpförtnerverschluss ausgeschlossen. Er hatte ein Kiss Syndrom, welches nun behoben ist. Er trinkt immer noch alle 1,5-2 Stunden. Dies auch nachts. Teilweise stille ich ihn noch im kürzeren Abschnitten. Er schläft immer noch nur auf mir oder wenn ich Glück habe, beim stillen ein. Teilweise wird er dann unruhig und ich muss ihn hochnehmen. Ich habe meine Schlafenzeiten an ihn angepasst und habe mir alles sehr einfach gestaltet. Tagsüber Ruhe ich auf dem Sofa mit ihm. Abzulegen ist er im Schlaf überhaupt nicht. Versuche ich dieses, schlägt er um sich, regt sich auf und spuckt. Auch sonst braucht er viel Nähe und Zuwendung. Wenn er wach ist, lacht er viel und ist in meiner Nähe absolut glücklich. Auch im Auto oder Kinderwagen klappt das Schlafen nicht. Ich habe mittlerweile akzeptiert, dass er die Nähe braucht. Er ist ein 24 Stunden Baby. Mich verunsichert nur, dass ich überall gelesen habe, dass sich dieses Verhalten nach 3 Monaten legt und ab dem 6. Monat die Kinder sich dann doch an dieses schlafen gewöhnen/verwöhnen. Er ist mittlerweile 24 Wochen alt. Das verunsichert mich total und ich habe die Sorge etwas falsch zu machen.

von yvoenche am 12.09.2017, 11:42



Antwort auf: Mein Kind schläft mit 5 Monaten nur beim stillen oder auf mir.

Liebe yvoenche, das machst Du sicher NICHT, sei stolz darauf, dass Du deinem Kind diese Nähe und Liebe so schenken kannst! NEIN, das Kind kann nicht „verwöhnt" werden, wenn es viel Nähe und Zuwendung bekommt. Eine Kollegin von mir hat dazu einen schönen Text geschrieben, aus dem ich jetzt einen Abschnitt zitiere: „Das Kind wird verwöhnt und verzogen. "Ja, das ist jetzt schon total verwöhnt" "Ihr verzieht das Kind, nachher will es nur noch auf den Arm" "So lernt das Kind ja nie alleine einzuschlafen, alleine zu spielen, sich mit sich selbst zu beschäftigen ..." "Wie soll das Kind denn seinen Rhythmus finden, wenn Du es ständig mit der herumziehst". So und ähnlich lauten viele Aussagen wohlmeinender Freunde, Verwandte und auch wildfremder Menschen, von denen man auf der Straße angesprochen wird. Was ist dran an dieser Theorie, dass das Baby durch die Zuwendung, die es erhält verwöhnt und verzogen wird? Bernadette Stäbler beschreibt in ihrem Buch "Mama" die Angst, sein Kind nicht richtig zu erziehen: "Und schon ist sie da, diese Angst, sein Kind zu verziehen. Welche Ursachen hat sie? Denn, wer dieses unschuldige Baby anschaut, fühlt sich sehr glücklich. Niemand kann sich vorstellen, dass es eines Tages unerwünschte Handlungen vollbringen wird. Wenn wir also von "verziehen" sprechen, haben wir ein älteres Kind vor Augen. Das Kind im Trotzalter, das immer "nein" ruft, lässt seine Mutter denken: "Was für einen Dickkopf habe ich mir großgezogen. Sicher habe ich es falsch gemacht!" Ist es wirklich so wichtig, dass unsere Kinder vor der Zeit lernen, alleine zu schlafen, alleine zu sein und sich mit sich selbst zu beschäftigen? Ist es notwendig, dass wir Erwachsenen unseren Lebensrhythmus ändern und an das Baby anpassen, damit sich das Kind gut entwickelt? Auch hierzu möchte ich wieder aus dem Buch von Bernadette Stäbler zitieren: "In vielen ursprünglich lebenden Kulturen, die wir "primitiv" nennen, wurden inzwischen Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse eine Umwälzung unserer Ansichten über die herkömmliche Kindererziehung mit sich brachten. Ich möchte eine afrikanische Studie herausgreifen und vereinfacht darstellen: Die erste Gruppe gebar ihre Babys zuhause und ließ diese keinen Moment allein. Geborgen bei der Mutter, wurden sie nach Bedarf gestillt und mussten niemals schreien. Bald ging die Mutter wieder auf das Feld, um die gewohnte Arbeit zu verrichten, das Neugeborene in ein Tragtuch geschlungen. Die Kontrollgruppe bekam ihre Babys im Krankenhaus mit aller medizinischen Hilfe, einschließlich schmerzlindernden Medikamenten. Gleich nach der Geburt wurden Mutter und Kind getrennt, um zu ruhen. Die Babys bekamen Fläschchen und Schnuller, weil dies "das Moderne" war. Daheim schliefen die Kinder in ihrem Bettchen, in ihrem eigens dafür hergerichtetem Zimmer. Allein, ohne Körperkontakt. Alles ging recht zivilisiert zu, nämlich nach einem genauen Zeitplan, denn die Kinder sollten sich früh an ein geordnetes Leben gewöhnen und weder kleine Tyrannen noch nervös werden. Ein Jahr später offenbarte sich das Unerwartete: Die Kinder der ersten Gruppe waren in allem den anderen voraus: Sie waren intelligenter in ihren Verhaltensweisen und auch viel sozialer eingestellt, selbst die körperliche Entwicklung war besser, obwohl sie die ganze Zeit "festgebunden" waren. Ähnliche Ergebnisse ergaben vielseitige Studien in den verschiedensten Kulturkreisen. Wenn wir versuchen, dies mit einer natürlichen, einfühlsamen Intelligenz nachzuvollziehen, wissen wir, warum das Ergebnis so ausfallen musste. Das Baby fühlt sich bei seiner Mutter geborgen. Es muss seine Kräfte nicht für das Weinen verbrauchen. Der mütterliche Körper gibt ihm Wärme. Wenn das Baby sich an seine Mutter schmiegt, fühlt es ein wenig von dem Glück, das es neun Monate lang im Mutterleib haben durfte. Es kennt von daher ja auch schon die Herztöne seiner Mutter, es kennt sogar schon ihre Stimme und nun sieht es endlich ihr Gesicht, ihre Augen und darf an der Brust trinken, wenn es möchte. Das ist das Glück, die mütterliche Liebe, die Impulse gibt für die Intelligenz und das soziale Verhalten. Wenn das Baby sich an die Körperbewegungen der Mutter anpassen muss, während sie ihre alltägliche Arbeit verrichtet, übt es in wundervoller Weise seine Muskeln und den Gleichgewichtssinn." (Aus: Denise Both: „Tragen") Auch ich war damals verunsichert und wurde als Glucke und sonstwas bezeichnet ;-). Heute sind meine Kinder meine größten Stützen und ich weiß, dass Achtsamkeit nichts mit Verwöhnen zu tun hat. Ist dir schon einmal aufgefallen, dass niemand fragt „Wann muss das Kind selbstständig atmen lernen" oder „Wann muss das Kind frei laufen können"? Beim ersteren geht jeder davon aus, dass dies eine Fähigkeit ist, die ein gesundes Kind selbstverständlich beherrscht und bei zweiten wird eine große Zeitspanne von vorneherein als normal angenommen. Nur beim Stillen, da wird dem Kind nicht die Kompetenz zugestanden, dass es auch diese Fähigkeit selbst und in dem für es passenden Tempo entwickeln wird. Da wird immer wieder behauptet, dass die Eltern das Kind entsprechend „trainieren" müssen. Wenn es DICH also nicht stört, dann schenke deinem Kind diese Zeit. Die Nähe gibt ihm Kraft und auch die Milch tut ihm noch gut. Das lange Stillen führt definitiv nicht zu einer verspäteten Loslösungsphase oder dazu, dass du dein Baby "klein" hältst. Hey, dein Kind IST noch klein. Wird etwa ein Grashalm dadurch länger, dass ich an ihm ziehe? Wie traurig ist es doch, dass wir unseren Menschenkindern kaum noch die natürliche Zeit gönnen, die sie zum gesunden Gedeihen brauchen. Lieben Gruß Biggi

von Biggi Welter am 12.09.2017