Schwangerschaftsberatung

Frauenarzt Dr. med. Vincenzo Bluni

   
Antworten zum Stichwort:  

Kaiserschnitt und Beckenboden

Frage: Kaiserschnitt und Beckenboden

Lieber Dr. Bluni,
erstmal zu mir:
Ich bin 32 Jahre alt, habe eine Tochter geb. 2002 und bin nun schwanger in der 23. Woche.
Seit der Geburt meiner Tochter leide ich unter einer schwachen Blasenschwäche.
Beim Niesen und Husten kann es passieren das ein paar Tropfen Urin abgehen. Beim Sport (Joggen, Trampolin springen) ist es schlimmer.
Ich bin ein Mensch, der sich gerne Bewegt und bin traurig, wenn ich nicht mal mit meiner Maus auf dem Trampolin gemeinsam Spaß haben kann.
Rückbildungsgymnastik nach der Ss habe ich gemacht. Nun habe ich Angst, dass es nach dieser Ss noch schlimmer wird.
Nun zu der Frage:
Kann durch einen Kaiserschnitt verhindert werden, dass dieses Problem schlimmer wird!
Ich möchte mich einfach nur frei bewegen können und den Spaß nicht ganz verlieren!! :-(
Vielen Dank schonmal für eine Antwort!
Grüße

Antwort von Dr. Bluni:

Hallo,

1. es kann nach einer Schwangerschaft und insbesondere im Rahmen der vaginalen Geburt eines schweren Kindes, die dann ggf. auch noch sehr lange gedauert hat, immer dazu kommen, dass der Beckenboden der Frau derartig beeinträchtigt wird, dass es schon früh zu Senkungserscheinungen oder gar zur so genannten Stressinkontinenz kommt. Das beschreibt die Situation, wenn unter Belastung, wie Niesen, Lachen, Springen, Tanzen, etc. es zum ungewollten Abgang von Urin kommt.

Wir wissen jedoch, dass der Kaiserschnitt davor nicht absolut schützt und dass hier das Bindegewebe der Frau eine erhebliche Rolle spielt. Es kommt also auch schon in der Schwangerschaft zu entsprechenden Veränderungen und Beeinträchtigungen des Beckenbodens.

In vielen Fällen hilft es, wenn die betroffene Frau auf ihr Gewicht achtet und regelmäßig – am besten zu Anfang unter professioneller Anleitung – Beckenbodengymnastik betreibt.

Dann gibt es aber auch Frauen, bei denen wir damit alleine nicht weiterkommen und die dann zumindest für eine gewisse Zeit einen Pessar tragen müssen, um den Beckenboden wieder zu stützen.

2. Fakt ist, dass zwar nach einem Kaiserschnitt bisher keine klinisch relevanten Beckenbodenschäden nachgewiesen wurden, jedoch schützt auch der Kaiserschnitt nicht vor dem späteren Auftreten einer Harninkontinenz. Darüber hinaus reicht zum aktuellen Zeitpunkt die Datenlage noch nicht aus, die Effizienz von Maßnahmen zur Vermeidung oder zur Reduzierung eines möglichen Beckenbodenschadens durch die vaginale Geburt zu beurteilen.

3. wenn es also um die Frage geht, ob vorsorglich ein Kaiserschnitt durchgeführt wird, spielt es immer eine sehr große Rolle, wie die medizinische Vorgeschichte der jeweiligen Frau aussieht, ob es in der Vorgeschichte z.B. zu größeren Verletzungen des Dammes/Schließmuskels oder gar des Darmes gab, ob eine entsprechend traumatische Erfahrung vorliegt und/oder ob sich nach der Geburt anatomische Beeinträchtigungen mit funktionellen Auswirkungen (Harn- und/oder Stuhlinkontinenz) zeigen.

Je geringer die Beeinträchtigung ist, umso kritischer sollte die Indikationsstellung des Operateurs ausfallen und umso intensiver muss die Aufklärung hinsichtlich etwaiger Risiken gegenüber der Vaginalgeburt ausfallen.


4. je nach ihrer Vorgeschichte und den aktuellen Beschwerden wird dann eine eingehende und fachlich kompetente Aufklärung über die Alternative der vaginalen Geburt und über das Risiko und Ausmaß eines möglichen Beckenbodenschadens und die Möglichkeiten seiner Vermeidung notwendig werden.



Liebe Grüße

VB

Quellen


Dolan et.al., Stress incontinence and pelvic floor neurophysiology 15 years after the first deliveryBJOG: an International Journal of Obstetrics and Gynaecology December 2003, Vol. 110, pp. 1107–1114

Foldspang A, Hvidman L, et al.: Risk of postpartum urinary incontinence associated with pregnancy and mode of delivery. Acta Obstet Gynecol Scand 2004; 83(10): 923–927.

HÜLDER, Tanja, Der Beckenboden peripartal - Sind Harninkontinenz und Senkung vermeidbar?, GYNÄKOLOGIE 2/2010)

MacArthur, C., Glazener, C., Lancashire, R., Herbison, P., Wilson, D. and on behalf of the ProLong study group (2011), Exclusive caesarean section delivery and subsequent urinary and faecal incontinence: a 12-year longitudinal study. BJOG: An International Journal of Obstetrics & Gynaecology, 118: 1001–1007. doi: 10.1111/j.1471-0528.2011.02964.x

Press JZ, Klein MC, et al.: Does Cesarean Section Reduce Postpartum Urinary Incontinence? A systematic Review. Birth 2007; 34(3): 228–237

Rortveit G, Daltveit AK, Hannestad YS, Hunskaar S for the Norwegian EPINCONT Study. Urinary incontinence after vaginal delivery or caesarean section. N Engl J Med 2003; 348: 900–7.

 
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