Rückschritt

 Manuela Thomä Frage an Manuela Thomä Kinderkrankenschwester

Frage: Rückschritt

Liebes Experten-Team, Ich habe mich in der Vergangenheit schon einmal an Sie gewandt, momentan bin ich ziemlich ratlos.. Unser Sohn wird im August vier Jahre alt und ist tagsüber seit etwa Oktober letzten Jahres trocken. Von Anfang an gab es immer wieder Phasen, in denen er eingenässt hat. Zuletzt gab es eine Phase in der sicherlich drei Wochen nichts daneben ging. Seit einer Weile aber geht tgl. Pipi in die Hose. Angefangen hat es vor allem wenn wir Freunde besuchen, dort hat er sich schon so eingenässt, dass sogar Socken und Schuhe im Pipi standen. Das eigentlich ärgerliche ist, dass er sich dann nicht von sich aus meldet, sondern abwartet bis ich ihn umziehe.. Inzwischen ist es so, dass er eigenständig kaum noch zur Toilette geht. Wir Fragen ihn immer wieder, dann sagt er, dass er nicht müsse und manchmal ist kurz danach die Hose nass. Verlässlich geht er für den Stuhlgang zur Toilette, da geht so gut wie nie was daneben. Nachts wird die pampers seltener nass, manchmal geht er sogar auch auf Toilette. Im Kindergarten wird die Hose auch immer mal wieder nass, manchmal aber auch nicht.. Inzwischen sind wir soweit, dass wir ihn regelmäßig zur Toilette schicken. Im Kiga wird er auch einmal am Vormittag geschickt. Wir wissen einfach nicht was sinnvoll ist. Zurück zu den Höschenwindeln wollen wir eigentlich nicht und auch unser Sohn mag Höschenwindeln nicht mehr. Was würden Sie uns raten? Einlagen, dass nicht immer alles gleich nass wird? Regelmäßig zur Toilette schicken? Morgens nach dem Aufstehen, bevor wir das Haus verlassen und abends vor dem Schlafengehen schicken wir ihn immer zur Toilette. Uns fällt es inzwischen leider schwer dieses Problem nicht zu sehr zum Thema zu machen. Liebe Grüße

von ..maddy am 28.06.2017, 19:49


Antwort auf: Rückschritt

Guten Abend maddy, es ist verständlich, dass Sie das Thema zunehmend belastet, schließlich befinden Sie sich alle schon seit längerem in einem Zustand der Hoffnung (siehe 3 Wochen trocken) und einer immer wiederkehrenden Enttäuschung, wenn es wieder mehr wird mit dem Einnässen. Das gilt für Sie als Eltern, aber auch für Ihren Sohn. Um es geduldig hinnehmen zu können, muss man das „Warum“ verstehen; das ist in dieser Thematik aber nicht immer so einfach und überfordert schnell alle Beteiligten- am meisten jedoch Ihren Jungen. Sie beschreiben eine insgesamt positive Entwicklung; Stuhlgang verlässlich auf der Toilette ! :-)) Die Nachtwindel seltener nass!! :-)) Drei Wochen am Tage trocken !!! :-)) Es ist also schon viel Gutes passiert. Sie wissen, dass die Kontinenzbildung oft in Phasen verläuft; „ordentlich voran“ und dann immer wieder „Pausen“ – das ist normal. Auch wenn Ihr Kind seit Oktober letzten Jahres Trocken war, war und ist seine Kontinenzbildung damit noch nicht abgeschlossen. Per Definition muss Ihr Kind über einen Zeitraum von 6 Monaten verlässlich und staubtrocken gewesen sein – also auch nicht ein einziger Tropfen der danebengegangen ist – um als kontinent zu gelten. Es ist möglich, dass Ihr Kind mit einem routiniertem Alltagsverlauf und mit entsprechender Aufmerksamkeit seine Blase gut im Griff hat, aber die Reifung wäre noch nicht vollzogen und in dieser Zeit können kleinste Veränderungen diesen empfindlichen Entwicklungsprozess stören. Die Veränderung kann im äußerlichen Umfeld sein, kann aber auch ganz einfach darin begründet sein, dass Ihr Kind gerade wieder einen Entwicklungsschritt macht. Vielleicht gab es auch eine Blasenreizung oder-entzündung ; die sind bei Kindern oft ohne die klassischen Symptome und machen sich eher durch erneutes und vermehrtes Einnässen, auffällig häufiges Pipimachen oder auch durch einen strengeren Geruch bemerkbar. In diesem Fall würde das eine Irritation für den kindlichen Blasenmuskel bedeuten und es wäre für Ihren Sohn sehr schwer diese irritierte Blase gut zu beherrschen. Vielleicht müssen Sie alle noch einmal tief „durchatmen“ und die jetzige Situation überdenken. Wer hat hier welche Aufgaben? Wie sind diese Aufgaben im Moment verteilt und wie könnten sie wieder besser aufgestellt werden? Aus Ihren Schilderungen entnehme ich, dass Sie als Eltern im Moment versuchen die kindliche Blasenkontrolle zu gewährleisten und Ihr Sohn im Gegenzug hier seine Selbstständigkeit aufgibt. Es ist vollkommen legitim vor oder nach bestimmten Ereignissen ( Schlafengehen/ nasse Hosen) vorsichtshalber zur Toilette zu gehen, warum aber soll Ihr Kind gehen, wenn Sie ihn schicken? Bei aller Expertise, die Sie zu Ihrem Sohn haben, können Sie aber niemals spüren, wann sich seine Blase entleeren möchte. Sie sehen es vielleicht, aber spüren kann nur er. Wenn er es aber nicht wahrnimmt ist es für ihn nicht einzusehen, warum er auf die Toilette soll. Ich hoffe Sie verstehen, worauf ich hinaus möchte. Jedem sein Aufgabenbereich: Aufgabe Ihres Sohnes ist es seinen Harndrang selber und möglichst rechtzeitig wahrzunehmen und die Toilette aufzusuchen; seine Aufgabe ist es auch, dass er Bescheid sagt, wenn ein Malheur passiert ist, damit er sich umziehen kann.Beides muss er erst noch richtig lernen. Ihre Aufgabe ist es bestimmte Regeln aufzustellen, an denen sich Ihr Kind orientieren kann. Ihre Aufgabe es auch Ihren Sohn darin zu unterstützen seine Aufgaben selbstständig und altersentsprechend zu übernehmen. Sehen Sie Haltemanöver oder sagt Ihnen Ihr Instinkt, dass es bald wieder soweit ist, dann sprechen ihn an, ohne das als Tatsache darzustellen; fragen Sie einfach „ist irgendwas?“ oder „kann es sein, dass du Pipi musst?“ ….. Wenn er verneint, lassen Sie es so stehen; er wird dann vermutlich in absehbarer Zeit zur Toilette rennen – vielleicht schon mit nasser Hose. Durch Ihre Ansprache unterbrechen sie die gedankliche Verbindung zu seiner jeweiligen Aktivität, so dass er empfänglicher wird das Signal seiner Blase selber zu spüren und in ständiger Wiederholung kann er so wieder lernen besser selber auf seine Blase zu achten. Das ist ein längerer Prozess und für Eltern ist es schwer abzuwarten, bis „der Groschen fällt“, aber es lohnt sich. Ja, Sie könnten auch mit einer Einlage arbeiten, sollten aber von vorn herein klarmachen, dass das nur ein Hilfsmittel zur Sicherheit ist und Ihren Sohn nicht davon entbindet auf die Toilette zu gehen, sobald er es merkt. Vielleicht wird er die Nässe nicht so gut spüren können, aber sobald er bemerkt, muss er zum WC und auch mit einer frischen Einlage versorgt werden. Ich wünsche Ihnen Geduld und drücke fest die Daumen. Mit lieben Grüßen Manuela Thomä

von Manuela Thomä am 29.06.2017