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wie konsequent muss man sein?

Thema: wie konsequent muss man sein?

Hi, mein Sohn hat spät angefangen zu sprechen, erstes Wort mit 22 Monaten, im Juni 2017 wird er 4 Jahre alt, der Vater spricht Deutsch, ich Polnisch, zu Hause und in der KiTa Deutsch. Sohn spricht viel und gerne, grammatikalisch aber immer noch schlechtes Deutsch: "habe mich ausgezieht", Plural und Artikel oft falsch. Polnisch nur wenig, einzelne Wörter, manchmal Phrasen, undeutlich, keine kompletten Sätze. Er singt gerne und wir werden ab April Musikunterricht ein mal pro Woche auf polnisch besuchen. Er kann schon die Sprachen unterscheiden, benutzt die polnischen Wörter nur, wenn er mit mir spricht oder mit meiner Mutter skypt. Wenn er mit meiner Mutter (vor dem Computer) alleine beleibt und sie ihm sagt, dass sie ihn nicht versteht, bemüht er sich sogar nur polnisch zu sprechen, es ist dann aber nicht wirklich zu verstehen. Wenn ich sage "Mama sagt xx, wie sagt dazu der Papa?" gibt er immer die richtige Antwort. Und sagt dann: Und ich sage auch YY wie der Papi. Auch wenn ich mir schon immer wegen seiner Sprachentwicklung Gedanke gemacht habe, sind die KÄ und die Erzieherinnen in der KiTa entspannt :"macht schöne Fortschritte". Meine Frage: Ich weiß, dass ich konsequent polnisch sprechen muss, was schwer ist, wenn wir zu dritt sind, ich möchte den Papa nicht immer ausschließen. Mein Problem ist, dass der kleine nur mit mir Kinderbücher lesen möchte, der Papa darf ihm nicht vorlesen. Ich habe sehr viele polnische Kinderbücher und unzählige deutsche (habe ganze Pakete gebraucht gekauft). Der Kleine will meistens aussuchen und ich muss dann oft übersetzen, wenn es ein deutsches Buch ist. Und das ist ziemlich anstrengend, vor allem, wenn ich nach der Arbeit k.o. bin. Darf ich ihm gar nicht auf Deutsch vorlesen? Wie schädlich ist das? Wie konsequent muss ich sein? Wie macht Ihr das? LG

von Leela am 18.02.2017, 03:21



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Ich habe nur die Baby-Bücher übersetzt. Mit der Zeit wurden die Lesebuch er komplexer (der kleine Wassermann, Urmel habe ich auf Deutsch ohne Synchronübersetzung gelesen, Karlson vom Dach in meiner Muttersprache). Hier ist Familiensprache nicht Deutsch (wir sprechen beide gleiche Sprache) aber bei den Kindern ist Deutsch eindeutig die starke Sprache. Sie verstehen alles, die große redet viel besser als der kleine, aber immerhin beide können sich in meiner Sprache verständigen (ganze komplexe Sätze, aber mit Akzent. Der ist bei Singen viel kleiner). "Ich habe mich ausgezieht" ist doch gut für einen 4 jährigen. Er hat die Regeln der deutschen Grammatik verinnerlicht, darauf dürfen die Ausnahmen kommen. es ist echt normal, viele 1 sprachig aufgewachsene Kinder sprechen mit 4 genauso. Sprache ist kein Grund zur Spannnung. Du redest polnisch mit ihm, deinem Mann kann er prima übersetzen, und fertig ist die Suppe. In Zweifelsfall sagst du das gleiche in 2 Sprachen. Machen ich oft, wenn ich merke dass ich auf die deutsche Frage der Kinder automatisch Deutsch antworte. Dann wiederhole ich das gleiche in meiner Sprache, gut ist.

von lubasha am 18.02.2017, 06:27



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Hej! ich bin da ebenso entspannt wie Lubasha. Konsequent heißt ja nur, daß man nicht nach Tagesform alles mischt. Aber wenn ein Prinzip so starr wird, daß man nichts verändern kann, paßt es irgendwann nicht mehr --- und dann hält sich niemand mehr an irgendwas --- das ist schlecht. Es muß immer zur Familie passen, was man macht! Ich habe meinen Töchtern die ersten Bücher auch auf Dänisch vorgelesen, aber niemals synchron übersetzt. Als Bibliothekarin mit Sprachwissenschaft als ein Hauptfach habe ich zuviel Respekt vor Sprache, vor den Verfassern und der Arbeit der Übersetzer. Das war mir wichtiger als auf jedem Gebiet meine Sprache durchzutrumpfen. Nun hatte ich zwar den Vorteil, daß bei uns der Vater später Dänisch vorgelesen hat (udn auch durfte), aber vielleicht gibt sich das bei Deinem Sohn auch wieder, vor allem,wen nDu ihm erklärst, daß Du nicht gut die Vatersprache vorlesen kannst oder magst (was bei mir der Fall ist --- ich lese sehr ungern lange Texte auf dänsich laut.). Ansonsten habe ich ja auch Dänisch mit den Kindern gesprochen, wenn ihre Spielkameraden oder anderer dänischer Besuch bei uns zuhause war oder wir ansonsten jemandem mit im Gespräch haben wollten. Auch da wissen die kinder ganz genau, wieso man das macht und daß das nur in dieser Situation mal gilt .- ansonsten wird die jeweils passende Sprache mit dem passenden Elternteil gesprochen. Mach kein Prinzip aus der Spracherziehung, mach es so natürlich und selbstverständlich wie möglich - und freu Dich, daß Dein Sohn sich anscheinend doch gut zweisprachig entwickelt! Gruß Ursel, DK

von DK-Ursel am 18.02.2017, 10:41



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Hi, danke , Ihr habt mich beruhigt. Ich kannte eine Russin, die mit ihren 3 Kindern nur Russisch gesprochen hat und wenn sie auf Deutsch geantwortet haben, sagte sie, dass sie nicht versteht. So viel Zwang möchte ich aber nicht. Ich übersetze nicht 1:1, er ist sowieso noch zu jung für ewig lange Sätze und hat nicht die Geduld für lange Beschreibungen, vor allem wenn er die Hälfte nicht versteht. Wenn ich übersetze, wird der Text gekürzt und nur die spannende Handlung ziemlich frei übersetzt, eher nacherzählt. Aber manchmal würde ich es gerne vorlesen. Es wäre schön, wenn mein Sohn richtig Polnisch lernen würde, es ist aber von seiner Begabung abhängig, wenn es nicht klappt, dann ist das so. Er war ein Frühchen mit Hirnblutung, lange entwicklungsverzögert, hat nie gebrabbelt, war ein stummes Kind, bis er dann endlich mit 22 Monaten langsam angefangen hat zu sprechen, wir sind also froh, dass er überhaupt spricht und verlangen nicht zu viel von ihm. Er hat sich besser entwickelt, als uns prognostiziert worden ist, gilt jetzt als normal entwickelt und die KiTa-Damen sind zufrieden mit ihm, obwohl sie seine Vorgeschichte nicht kennen, er ist für sie ein gesundes, normal entwickeltes Kind. Trotz allem möchte ich möglichst bei der Sprache nicht etwas ganz falsch machen und ihm das Erlernen der Sprachen noch schwieriger machen. Ich versuche die Sprachen nicht zu mischen, ab und zu passiert mir das, weil ich manche Wörter auf Polnisch nicht sofort parat habe ;( Ich spreche zwar immer noch besser Polnisch als Deutsch und das wird so bleiben, aber manche Begriffe habe ich auf Polnisch auch nie gelernt, manches hat man einfach lange nicht mehr gehört und benutzt, bin schon seit fast 20 Jahren hier. Danke und LG

von Leela am 18.02.2017, 15:42



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Ach weißt Du, man sollte das pragmatisch sehen. Auch Muttersprachler sprechen nicht fehlerfrei, und auch ich habe manche Wörter,weil sie unübersetzbar sind, aus dem Dänischen in meine dt. Sätze übernommen (Ich erinnere mich an eine Mutter in der Spielgruppe,als meine Tochter noch nicht im KIGA war, die plötzlich sagte: "Skrældespand ist aber kein dt. Wort, oder?" und griente. Aber irgendwie habe ich das Wort lieber als Mülleimer oder Papierkorb oder so benutzt.) Hat meinen Kindern nicht geschadet, sie wissen heute alle Wörter dazu. Man darf es eben nicht dauernd und zu oft machen!!! "ich verstehe dich nicht", habe ich nie zu meinen Kindern gesagt, wenn sie mir etwas auf Dänisch erzählten. Wäre auch blöd gewesen, sie wußten doch,daß ich Dänisch auch kann. Im Gegenteil habe ich ihnen lieber geholfen auf Deutsch umzuschalten, wenn sie eben mit dänischen Vokabeln und Erlebnisse aus KIGA/Schule kamen, indem ich ihnen auf Deutsch Fragen zum Erzählten stellte. Und was Dein Kind anbetrifft: Auf der dänischen Mehrsprachenliste hatten wir einmal Zwillinge, auch Frühchen, deren Mutter auch gesagt bekam, sie möge lieber Dänisch mit den Kindern reden und nicht ihre Muttersprache Amerikanisch. Das hat sie tapfer ignoriert, weil ihr Herz etwas anderes sagte. Sie haben dann auch später angefangen zu sprechen (was für Zwillinge ja sowieso oft vorkommt), aber das letzte,was ich weiß, waren erfreuliche Berichte darüber, wie gut sich beide Kinder in beiden Sprachen und auch sonst entwickelten. Muttersprache(n) schaden in den seltensten Fällen,denke ich, weil das Herz doch mitmacht. Darum denk nicht zuviel darüber nach, was du richtig oder falsch machst - mach es "automatisch",dann kommt es von Herzen, ist selbstverständlich, wie andere Dinge, die Du machst,. ohne drüber nachzudenken - und so nehmen es die kinder dann auch leichter an. Erzähl doch hin und wieder, wie es Euch ergeht - Gruß Ursel, DK

von DK-Ursel am 18.02.2017, 17:01



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Hast du die Moeglichkeit mal mit Kind allein ein paar Tage nach Polen zu fahren? Toll waere, wenn er da auch Kontakt zu anderen Kindern haette. Meiner hat seinen ersten Satz auf Deutsch gesagt als er fast 5 Jahre alt war und ich mit ihm allein ein paar Tage in Deutschland war. Jetzt spricht er sehr gut und akzentfrei Deutsch. Manche Begriffe gibt es in der anderen Sprache nicht oder treffen die Sache nicht so auf den Punkt. Wenn ich dann unter Leuten bin, die die gleichen Sprachen sprechen wie ich, mische ich auch schon mal. Hier in Italien gibt es die "bidella". In Deutschland gibt es das nicht. Das ist jemand, der in der Schule (oder im KiGa) die Kinder mit beaufsichtigt, im Notfall die Eltern anruft, fuer die Lehrer mal Kopien macht, nach Unterrichtsschluss die Schule (den KiGa) putzt, ... . In dem Fall benutze ich schon mal das italienische Wort.

von germanit1 am 18.02.2017, 17:42



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Hej, ich bin auch Polin, mein Mann Deutscher und ich bin auch schon 20 Jahre in Deutschland. Wir haben drei Kinder, zwei große (17 und 15) und einen Zweijährigen. Ich war ehrlich gesagt noch nie sehr diszipliniert, was die Sprachentrennung betrifft. Klar habe ich den Anspruch, mit den Kindern soviel Polnisch, wie es nur geht, zu sprechen. Aber wie du sagst, sobald z. B. Der Papa dabei ist, ist es blöd, dann ist er außen vor. Trotzdem sprechen die Großen ein gutes Polnisch. Nicht perfekt und nicht akzentfrei, aber absolut ausreichend. Wir sind relativ oft in Polen und bereits nach ein paar Tagen dort merkt man, dass die Sprache wieder stärker wird. Ich denke, wenn sie z. B. Später im Studium ein Semester in Polen verbringen würden, würden sie hinterher ein perfektes Polnisch sprechen. Der Kleine tut sich generell schwer mit Sprechen, aber so langsam geht es los und die paar Wörter, die er sagt, kommen überwiegend auf Deutsch. Nur ein paar Sachen nicht, wobei er die Begriffe entweder in der einen, oder in der anderen Sprache spricht. So sagt er "Milch" nur auf Deutsch, aber "trinken" auf Polnisch (pic ). Verstehen tut er beides, ich denke, das mit dem Übersetzen kommt später. Seine Schwester konnte sich in dem Alter schon in komplizierten Sätzen in beiden Sprachen mitteilen, also kann es nicht nur an der Zweisprachigkeit liegen, dass der Kleine spät dran ist. Ich bin mittlerweile total entspannt, was das "Mischen" angeht. Die Kinder kriegen es trotzdem hin. Übrigens geht es auch mir so, dass mir oft im Polnischen die Wörter fehlen. Oder die Satzkonstruktion hört sich für mich irgendwie seltsam an. Aber wie denn sonst. Ich habe mein halbes Leben hier verbracht, fast das ganze Studium hier absolviert, war nur in Deutschland berufstätig, meine aktuellen Freunde sprechen Deutsch, da ist es wahrscheinlich normal, dass die Muttersprache etwas einrostet. Auch wenn es unter dem Strich die stärkere Sprache ist. Es gibt Tage, da denke ich sogar, ich bin in keiner Sprache mehr zu Hause.. ..

von malla am 18.02.2017, 22:24



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Hallo, danke für Eure Antworten und Tipps, ich bin jetzt beruhigt ;) Ich werde mich auf jeden Fall wieder melden und berichten. Nein, leider kann ich mit ihm nicht wirklich nach Polen, da, wo meine Mutter jetzt wohnt, kenne ich niemanden und dahin, wo ich her komme, ist es mir etwas zu weit und ich müsste im Hotel wohnen... Aber hier in Berlin gibt es viele Polen, sogar polnische Schulen, mal schauen. Ich verspreche mir auch viel von dem Musikunterricht, er singt nämlich gerne auch polnische Kinderlieder. Und ja, ich habe leider auch den Eindruck, dass ich langsam keine Sprache mehr richtig spreche. Polnische Wörter abzurufen, die ich seit 2 Jahrzehnten nicht mehr gehört habe, wird immer schwieriger, man vergisst zwar nicht, wie die Pflanzen, Tiere, Bäume o.ä. heißen, aber es wird irgendwie anstrengend... traurig :( LG und danke

von Leela am 18.02.2017, 22:52



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Hallo, also bei uns ist Deutsch meine Muttersprache und auch Umgebungssprache. Unsere Töchter 2/12 und 4 sprechen mit mir nur Deutsch, der Papa hat Anweisung wenn möglich nur albanisch mit ihnen zu sprechen. Prinzipiell ist die grosse sprechfaul daher auch insgesamt langsamer bei den Sprachen. Die kleine kann beides jetzt schon fast besser. Ist eben viel auch vom Sprachtalent und auch Interesse abhängig. Sie verstehen nahezu alles in Papa s Sprache aber aktiv sprechen sie deutsch, albanisch nur wortweise. Lt. Nachfrage völlig normal und ok für das Alter. Mir ist die Sprache wichtig denn wenn wir Opa, Oma, Onkel, Tante usw besuchen dann will ich , dass sie später einmal nicht ausgegrenzt werden aufgrund der Sprachbarriere. Wenn wir gemeinsam sind wird oft gemischt, denn ich verstehe nicht alles in albanisch, sehe das nicht so streng, da ja Familiensprache deutsch bei uns ist. Mir ist wichtig das sie merken, das sie das Glück einer zweiten Sprache später zu schätzen lernen, denn Sprachen sind das Tor zur Welt aber nur wenn es positiv und mit Freude vermittelt wird. lg Muschu aus Österreich

von Muschu73 am 19.02.2017, 21:33



Antwort auf Beitrag von Leela

Ich glaube, dass das ganz normal ist. Jedoch sollte ab dem 4. Lebensjahr eine langsame Besserung auffallen. Ich denke dass es vielleicht eine gute Idee wäre, wenn man dem Kind viele Hörspiele hören lässt.

von charl23 am 23.02.2017, 16:04