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Lesen und Schreiben lernen in der Nichtumgebungssprache

Thema: Lesen und Schreiben lernen in der Nichtumgebungssprache

Hallo hier noch mal aus England, hier fängt ja schon mit 4 die Schule an, d.h. dass meine Tochter, die diesen Sommer 3 wird, nächstes Jahr in der Schule anfängt. Es könnte sein, dass wir in einigen Jahren (nicht in den nächsten 6 Jahren) vielleicht nach Deutschland übersiedeln. Das ist aber bisher nur eine Idee und kein fester Plan. Jetzt frage ich mich, ob ich meiner Tochter auch Lesen und Schreiben in deutsch beibringen sollte. Es wäre ja auch schön, wenn sie deutsche Bücher lesen könnte, auch wenn wir entscheiden hier zu bleiben. Oder zum studieren nach Deutschland gehen später einmal. Macht das einer von Euch, dass er Lesen und Schreiben in der Nichtumgebungssprache lehrt? Was meint Ihr?

von ylvabella am 10.04.2016, 22:36



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Hej Ylvabella! In DK sind die Kinder älter bei Schulbeginn, meine konnten sehr schnell Dänisch lesen und dan nauch schreiben. Beim ersten Kind habe ich tatsächlich nochmal nachgeforscht, wie der dänische Lehrer in der 2. Kl. darüber dachte, daß meine Tochter auch Deutsch schreiben übte, der fand das absolut uninteressant, sie war ja gut in Dänisch. Bei uns haben die kinder das Lesen in der Nichtumgebungssprache von selbst Bücher mal aus dem dänischen, mal aus dem deutschen Bestand genommen,der auch oft nicht getrennt stand. Schreiben haben sie dann gelernt, indem wir so Übungshaftchen aus Dtld. mitbrachten (Bei uns Karlchen krabbelfix von Aldi), wir haben Zettelchen geschrieben (ich ihnen in die Essensdose, morgens auf die Kindertafel im Zimemr, sie z.B. halfen beim Einkaufszettel...), aber sie schrieben auch Briefe an Freunde, Verwandte ... Wirklich geübt haben wir das nicht. Sie können es beide gut mit kleinen Fehlern. Was ich noch von einer Freundin - Deutschlehrerin hier - weiß: Daß sie kidner, die in der 1. Kl. mit einer Fremdsprache anfangen, nicht gleichzeitig mit Dänisch schreiben auch in der schriftlichen Fremdsprache unterrichten. Bei zweisprachig aufwachsenden Kindern ist das eben anders, weil die die Wörter ja schon kennen - die lernen da anders zu schreiben. Also --- wieviel Du da wirklich üben wirst, weiß ich nicht, selberlesen hilft auch viel, denn meine kinder schreiben recht ordentlich ohne systemtisches Üben. Aber es geht parallel. Gruß Ursel, DK

von DK-Ursel am 10.04.2016, 22:45



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Wir hatten deutsche Erstlesebuecher. Damit habe ich mit Kind Lesen geuebt. Das lief parallel zum Italienischen in der Schule. Allerdings gibt es beim Lesen kaum Unterschiede. Wenn was unterschiedlich ausgesprochen wird, habe ich Kind das auch im Deutschen gesagt. Schreiben haben wir am Anfang mal geuebt. Spaeter wurden dann Briefe an den Weihnachtsmann und den Osterhasen geschrieben. Zwischendurch haben wir auch mal Lernspiele am Computer gemacht (Mathe und Deutsch, aber auch Englisch und Sachkunde). Im Kinderzimmer hing bis letzten Sommer auch eine deutsche Anlauttabelle. Buecher haben wir in beiden Sprachen. Teilweise habe ich mir auch kostenloses Material aus Deutschland schicken lassen.

von germanit1 am 11.04.2016, 10:07



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Hej - mir fällt gerade ein, daß unsere Jüngste uns da kurzfristig erschreckt hat: Im Sommer vor der Einschulung hatte sie sich selbst Lesen beigebracht und in unserer einwöchigen HH-Tour trotz vieler Unternehmungen ein dickes Erstlesebuch (Sammelband) für Fortgeschrittene, da gibt es ja so versch. Stufen., ausgelesen. Auff Deutsch. Das nächste, das sie sich dann zuhause wohl zufällig griff, war auf Dänisch. Und wir schauten pikiert, als sie alle dänischen Wörter deutsch aussprach. Da dachte ich dann schon: Oha, jetzt müssen wir doch ein bißchen korrigeirend eingreifen, evtl. üben, weil die dän. Aussprache doch gewöhnungsbedürftig ist und sehr vom Geschriebenen abweicht, aber der zarte Hinweis, daß das Buch doch in Dänsich sei, reichte ... sie schaltete um und las es prima auf Dänisch vor. Erstaunlich, was die kleinen Köpfe so leisten können! Gruß Ursel, DK

von DK-Ursel am 11.04.2016, 10:55



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Bei uns lief es anders herum, Englisch war die minority language. Die Systeme, nach denen Lesen gelehrt wird, unterscheiden sich in Deutschland und England quasi diametral. Während in Deutschland einzelne Buchstaben und Silben zu immer längeren Worten kombiniert werden (O-le, Le-o, E-La, Le-A usw.) bis die Kinder dann Ende der 2. Klasse lesen können (der Leselehrgang gilt nach der zweiten Klasse als abgeschlossen - Bundesland Niedersachsen), lernen in UK die Kinder ja ganze Worte auswendig. Ich hatte am Anfang auch versucht, meinen Mädels Englisch nach dem deutschen Silbenprinzip beizubringen, hatte damit aber wegen der unterschiedlichen Aussprache keinen Erfolg. Daraufhin habe ich es einfach laufen lassen und sie haben beide gegen Ende der 2. Klasse, als sie halbwegs gut Deutsch lesen konnten, selbst angefangen, englische Bücher zu lesen. Ich musste am Anfang nur Hinweise zur anderen Aussprache geben (als z.B., dass man light nicht ligt sondern leit liest), das haben sie aber überraschend schnell verstanden und konnten innerhalb von wenigen Wochen Englisch lesen. Schreiben habe ich der Schule überlassen, denn das wird hier ja überall recht früh gelehrt. Lange Rede kurzer Sinn, ich würde das Kind erst einmal in der Schulsprache Lesen lernen lassen und nach 1 bis 2 Jahren mit der minority language beginnen. Beides auf einmal kann vielleicht klappen, kommt aber wohl auf das Kind an. Da in UK Deutsch nicht in der Schule gelehrt wird oder erst sehr spät, würde ich für die Rechtschreibung einen Fernlehrkurs (gibt es für Auslandsschüler) besorgen oder das Kind in eine dt. Sprachschule für Kinder schicken, falls es bei Euch in der Nähe so etwas gibt (beim dt. Konsulat/Botschaft/Goethe-Institut nachfragen). Viel Erfolg Silvia

von Silvia3 am 11.04.2016, 13:15



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Eine Freundin von mir ist Russin - die hat ihrer ältesten Tochter das kyrillische Alphabet im Vorschulalter beigebracht. Die Initiative ging aber ziemlich vom Kind aus, sie war einfach so weit. Sie liest jetzt in beiden Sprachen, ist überhaupt von der eher pfiffigen Sorte, ein problemloses Schulkind. Unser Grosser ist jetzt fünf und hat es mit dem Lesen noch nicht. Buchstaben kennt er, setzt sie aber nicht zusammen, merkt sich maximal einzelne Wörter (seinen Namen) wohl eher wie ein Bild. Drängeln würde nichts bringen, ich beantworte maximal seine Fragen diesbezüglich. Für die Schulzeit habe ich mir vorgenommen erst mal abzuwarten: Geht es gut und Interesse ist da, wird er sicher auch deutsch lesen. Wenn nicht, sind wir ja erst mal froh, wenn er das packt, was in der Schule verlangt wird. Freunde von uns - deren Kinder einsprachig sind - waren im Sommer bei uns in Deutschland zu Gast - der Grosse - gerade das erste Schuljahr fertig - las die deutschen Wörter mehr oder weniger problemlos spontan vor. Also wenn die Schrift sich nicht ALLZUSEHR unterscheidet, ist das nicht so das Problem. Schwieriger wird es, wenn die Rechtschreibung sehr von der Aussprache abweicht, etwa wie im Englischen oder Französischen. Ich glaube aber, wenn man später viel selber liest, kann man sich das aneignen - ob man das gleich mit Schuleintritt forcieren sollte, weiss nicht. Hängt aber bestimmt auch vom Kind ab, wie gesagt.

von Kacenka am 11.04.2016, 15:13



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wenn die Rechtschreibung sehr von der Aussprache abweicht, etwa wie im Englischen oder Französischen." Genau das ist im Dänischen ja auch der Fall. Ist aber wohl für zweisprachig Kinder nach Aussage der besagten Lehrerin, die nicht nur selbst zweisprachige Kinder hatte, sondern auch etliche kannte - so wie ich übrigens ja auch - kein Problem, wei ldie kinder ja auch mit der Aussprache etc. vertraut sind. Wie schon erwähnt reichte bei der Jüngsten nur der Hinweis: "Du, das ist jetzt aber ein dänisches Buch..." und sie schlatete um... als ob sie einen Hebel umgelegt hätte, der vorher auf DEUTSCH geschaltet war,weil sie da eben das dicke Buch vorher durch hatte. Den Kinder ist das vertraut, sie kennen die Sprache, die Bedeutung etc. - da fällt es ihnen recht leicht, sich umzustellen. Geübt haben wir nie! Gruß Ursel, DK

von DK-Ursel am 11.04.2016, 16:36



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Danke für Eure ausführlichen Antworten. Ich denke, ich werde immer einen guten Stapel interessanter deutscher Bücher bereithaben. Unsere Kleine liebt ihre Bücher sehr und ich hoffe das wird sich auch fortsetzen und ihr einen Anreiz geben in Deutsch zu lesen. Dann werde ich mir wohl auch mal ein paar deutsche Unterrichtsliteratur besorgen, aber es hört sich für mich stimmig an, damit noch zu warten, bis sie lesen und schreiben in Englisch gelernt hat. Deutsch wirds erst auf der weiterführenden Schule geben. Andere Angebote gibt es hier im westlichsten Zipfel nicht... Ylvabella, GB

von ylvabella am 13.04.2016, 22:39



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Meienr konnte jetzt fuer die 6. Klasse zwischen Deutsch und Franzoesisch als 2. Fremdsprache waehlen. Ich glaube die 2. Fremdsprache wird auch nur 2 oder 3 Stunden in der Woche unterrichtet. Wir haben uns fuer Franzoesisch entschieden und extra angegeben, dass er Deutsch Muttersprachler ist weil bei vollen Klassen die Kinder der anderen 2. Fremdsprache zugeteilt werden.

von germanit1 am 14.04.2016, 18:01



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Ich habe in einer meiner Klassen ein Deutsches Kind, das zwischen dem 3. und 6. Geburtstag in den USA lebte und entsprechend dort eingeschult wurde. Sie hat dort nur auf Englisch lesen und schreiben gelernt, auf deutsch ging es dann hier anscheinend ganz problemlos (ist ja auch wesentlich einfacher). Mein kleiner Deutschschüler (Amerikaner, kann noch recht wenig Deutsch) kommt jetzt im Sommer zur Schule. Die Empfehlungen für die Eltern lauten auch hier: erstmal auf Deutsch lesen und schreiben lernen und dann erst auf Englisch. Ok, ist anders, da die Kinder jeweils in der Umgebungssprache lesen&schreiben lernen/gelernt haben, aber vom Prinzip her würde ich es auch im Ausland mit meiner Sprache so handhaben. Vorlesen natürlich weiter auf Deutsch und auch Anfängerbücher als Angebot da haben, das Kind wird dann zugreifen, wenn es sich soweit fühlt. Ach ja, im Grundschulenglisch/-französisch kommt offiziell die Schriftsprache auch erst ab Mitte Klasse 2/Klasse 3 (bei Fremdsprachenstart in Klasse 1) hinzu, damit die Kinder da eben im Schriftspracherwerb schon abgesichert sind, wenn das Neue kommt.

von Snaffers am 11.04.2016, 19:52



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Snaffers, ist aber nicht genau da der Unterschied? So erklärte es mir die Freundin für ihre dänische Schule mit Deutsch ab der 1. Klasse auch: Da wird die dt-. Schrift noch nicht dazu genommen, sie aber tat das sehr wohl auch bei Kindern ihren (wie ich bei meinen, wie viele zweisprachig aufgewachsene Kinder, die ich kenne) parallel. Denn die zweisprachig aufgweachsenen Kinder müssen nicht gleichzeitig neue Wörter + deren Aiussprache = Fremdsprache lernen, sondern haben ja sowzuagen Deutsch bzw. die andere Sprache als 2. Muttersprache. Da "denken" die kinder wohl auch beim Schreiben/Lesen gleich anders ... Die Kinder im noch so frühen, aber eben FREMDSPRACHEN-Untrtericht habe nda ganz anders - nämlich erstmal auch keine - Voraussetzungen inder anderen Sprache. Gruß Ursel, DK

von DK-Ursel am 11.04.2016, 22:31



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Hallo, Ich habe meinen Kindern das Lesen und Schreiben mit ca 8 / 9 Jahre beigebracht, in ihrer Muttersprache (frz). Das habe ich mit Büchern / Hefte gemacht, die ich in Frankreich besorgt hatte. In F wird sehr viel angeboten in Richtung Kurse zu Hause, Hausaufgaben als Wiederholung in den Schulferien und so war es einfach, was Passendes zu finden. Mir ging es auch darum dass sie erstmal lesen können, das Schreiben kam danach. Frz in der Schrift ist ja wirklich auch ganz anders als mündlich, mit den ganzen Umlauten und der schwierigen Rechtschreibung (Grammatik, Angleichungen...) von daher war es fast unentbehrlich. Es war denen für den Fremdsprachenunterricht auf jd Fall noch mal eine zusätzliche Hilfe.

Mitglied inaktiv - 12.04.2016, 21:25



Antwort auf Beitrag von ylvabella

An der alten Schule meiner Kinder (eine deutsche Auslandsschule) haben die Kinder im Englischunterricht (4 Wochenstunden, Unterricht durch englische Muttersprachler) quasi parallel zum Lesen und Schreiben in Deutsch das Lesen und Schreiben in Englisch gelernt. Während im Deutschen Lesen durch Schreiben praktiziert wurde, gab es im Englischen klassische Lernwörter. Dies war bedingt dadurch, dass man im Englischen wissen muss, wie man ein Wort ausspricht, während Deutsch relativ lautgetreu ist. Die Kinder (im Übrigen oftmals zweisprachig in einer Kombination mit Deutsch und einer Sprache, die nicht Englisch ist), haben das prima gemeistert. In der 2. Klasse wurden auf Englisch erste Referate gehalten. In der 3. führten die Kinder ein Theaterstück auf Englisch auf. Ich glaube, man kann Kinder weit mehr zutrauen, als Erwachsene das oft so meinen. Insofern kann man durchaus parallel mit dem Lesen und Schreiben starten.

von Astrid18 am 20.04.2016, 22:30