Mehrsprachig aufwachsen

Forum Mehrsprachig aufwachsen

Erfahrungen bei dreisprachiger Erziehung

Thema: Erfahrungen bei dreisprachiger Erziehung

Hallo Unsere Tochter wächst dreisprachig auf: Ich spreche deutsch mit ihr, mein Mann englisch. Das sind die Mutter- und auch Familiensprachen (mit Grosseltern) Wir leben in der französischen Schweiz und seit einem Jahr besucht sie die Vorschule. Ich bin beeindruckt wie schnell sie die Sprache gelernt hat. Leider ist es die Lehrerin nicht. Nun wurde uns angeraten, eine Sprache wegzulassen (englisch), da es für ein fünfjähriges Kind zuviel sei. Ist es das wirklich? Vielleicht hat hier jemand Erfahrungen mit der Dreisprachigkeit? Denn man muss auch sagen, die francophone Schweiz ist nicht für ihre Offenheit für Sprachen bekannt und im Internet habe ich widersprüchliche Informationen über solche Situationen finden können. Vielen Dank für eure Hilfe :)

von marcarita am 02.12.2014, 13:14



Antwort auf Beitrag von marcarita

Guck mal weiter unten. Das Thema ist hier schon oft diskutiert worden.

von germanit1 am 02.12.2014, 16:35



Antwort auf Beitrag von marcarita

Hallo, gerade aus einem Land, in dem es mehrere offizielle Landessprachen gibt, ist es befremdlich zu hören, dass eine Sprache weggelassen werden soll, die ein Elternteil spricht :-( Ich würde versuchen, mich nicht verunsichern zu lassen und weiter mir ihr zuhause in beiden Sprachen sprechen. Ich habe "damals" meine Examensarbeit über doppelte Halbsprachigkeit/ Semilingualismus und Bilingualismus geschrieben, da mich das Thema aufgrund einiger Freundinnen, die mehrsprachig aufwuchsen, immer interessiert hatte. Was ich daraus als Fazit gelernt habe, ist im Grunde: Wer mit seinen Kinder ganz normal spricht, wie man es in einer "normalen" liebevollen Familie macht, Geschichten erzählt, Bücher gemeinsam betrachtet, vorliest, singt, … sich einfach Zeit nimmt fürs Kind, kann sein Kind selbstverständlich mit mehreren Sprachen aufwachsen lassen. Das ist fürs spätere Leben super, neben der Sprachkenntnisse fördert Mehrsprachigkeit die Flexibilität im Denken, man hat schon verschiedene Grammatiken kennengelernt u.a. und tut sich mit weiteren Sprachen leichter. Probleme bekommen diejenigen Kinder, deren Eltern versuchen eine Sprache zu vermitteln, die sie selbst nicht gut genug beherrschen: Man vermittelt falsche Satzstrukturen, konjugiert und dekliniert selbst falsch, kennt letztendlich nicht genug Vokabeln, kann in der Fremdsprache vermutlich kein Kinderlied singen, kein Fingerspiel machen, keine selbst ausgedachte Geschichte anschaulich erzählen (und nicht bloß so wie der Fünfklässler, der ein paar Sätze auf Englisch aufschreibet) etc. Leider gibt es auch Eltern, die generell einfach zu wenig mit ihren Kindern kommunizieren. Überspitzt gesagt:Da wird morgens das Kinderfernsehen angeschaltet, dann die CD mit Kinderliedern abgespielt und während man am Handy rumspielt, spricht man ohne Blickkontakt ein paar Sätze mit seinem Kind, vorgelesen oder gesungen wird nicht oder nur sehr selten... Das sind die Kinder, die es schon schwer haben ihre Muttersprache zu lernen. Wenn man sich jetzt vorstellt, dass ein so aufwachsendes Kind mit drei Jahren in den Kiga kommt, noch kein Gerüst in irgendeiner Sprache aufgebaut hat und dort mit einer zweiten Sprache konfrontiert wird, zudem in einem "bildungsfernen" Elternhaus aufwächst,..Da gibt es dann natürlich Probleme. Die Kinder können dann zum Schuleintritt beide Sprachen nicht richtig und sind in zwei Sprachen halbsprachig. Da dies Szenario auf euch nicht zutrifft, würde ich mich von der Lehrerin nicht beirren lassen! Eine Freundin von mir hat einen Griechen geheiratet und sie sind letztendlich aus beruflichen Gründen nach Schottland gezogen als die Tochter 2 Jahre alt war und der Sohn 1 Jahr. Das Mädchen hatte gar keine Probleme mit der Sprachentwicklung, der Sohn war die ersten Jahre immer etwas langsamer. Bis zur Einschulung sprach er aber in allen drei Sprachen. Da hatte es sich angeglichen. Dadurch, dass ihm alle die Zeit gegeben haben, die er brauchte, klappte es vermutlich ;-) Griechisch ist laut meiner Freundin aber die schwächste Sprache, denn sie versteht zwar gut, spricht es nach ihrer Meinung aber nicht gut (und nicht mit den Kindern) dagegen spricht ihr Mann fließend deutsch - doch in jedem Sommerurlaub geht es nach Griechenland zur Großfamilie und sowohl die griechischen Großeltern, die in Deutschland leben, wie auch die deutsche Mutter der Freundin kommen auch mal nach Schottland zu Besuch. Meine Englischlehrerin (ich versuche gerade auf C1-Niveau zu kommen) ist übrigens viersprachig aufgewachsen! Sie erzählte mal, dass sie als Kind dachte, es sei ganz normal, dass alle mehrere Sprachen sprechen und nicht nur eine ;-)

von marie74 am 02.12.2014, 19:16



Antwort auf Beitrag von marie74

dem kann ich absolut zustimmen! ergänzend würde ich aber noch anmerken, dass gesellschaftlicher Druck schon auch einen Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg von mehrsprachiger Erziehung haben können: die Oma, die den fremdsprachigen Papa samt dessen Sprache eigentlich ablehnt, kann so ein Kind in seiner mehrsprachigen Entwicklung durchaus negativ beeinflussen, ob bewusst oder unbewusst. Ebenso eine Lehrerin mit Vorurteilen. Mein Kind wächst auch mit drei Sprachen auf, allerdings ist die Vatersprache gleichzeitig Umgebungssprache und das macht die Situation anders als die Eure. Dafür muss ich evtl. damit leben, dass eine meiner beiden Muttersprachen von meinen Kindern später "nur" auf "Fremdsprachenniveau" gelernt wird, denn ich spreche überwiegend in einer Muttersprache mit meinen Kindern, die andere lernen sie von meiner Mutter und hören sie so nicht regelmässig. Ich versuche aber möglichst keinen Erwartungsdruck aufzubauen, denn der ist ja beim Lernen bekanntlich eher hinderlich. Da Ihr nun so eine Lehrerin mit Erwartungsdruck erwischt habt, solltet Ihr Euer Kind möglichst stärken, indem Ihr seine Fortsschritte in der Drittsprache positiv kommentiert und den negativen Einfluss der Lehrerin versucht so auszugleichen. Vielleicht hilft ja auch ein Gespräch mit ihr, indem Ihr sie bittet, dem Kind etwas mehr Zeit zu lassen. Im Zweifelsfalle würde ich ihr gegenüber sogar behaupten, dass Ihr ihren Rat, das Englische wegzulassen, angenommen habt (aber den Teufel tun und wirklich etwas an der familiären Sprachkonstellation ändern, denn das wäre ein falsches Signal für Euer Kind und würde nur verunsichern). Man braucht bei der Mehrsprachigkeit eben auch ein bisschen dickeres Fell für all die gutgemeinten Ratschläge von nicht wirklich kompetentem Fachpersonal, das habe ich hier leider auch immer wieder gemerkt. Sobald die Kinder dann fliessend sprechen, lassen die kritischen Bemerkungen nach. Alles Gute für Euch!

von Kacenka am 03.12.2014, 13:36



Antwort auf Beitrag von Kacenka

Hej! Ich habe keine praktische Erfahrung mit dreisprachigerErziehung , aber viel über probleme wie Eure gelesen - und auch zweisprachig-erziehenden Eltern wird ja oft dazu geraten, aufdieNicht-Umgebungssprache zu verzichten, weild ie anderedarunter leide. (Mirtselbst soauchpassiert- dabeiwaresSchüchternheit...) Naja. Frag Dich zunächst mal immer, WER Dir da einen Rat zu so einem komplexen Thema gibt. Ist die Frau wirklich kompetent genug? Gibt es im K IGA nicht auch andere Kinder, die evtl. ein bißchen sprachlich nachhinken, obwohl sie nur 1Sprache sprechen??? Was rät man diesen Eltern??? Zum andern gebe ich(mal wieder) KacenkaRecht: Bei 3 oder ga 4 Sprachen bleibt vermutlich mind.1auf derStrecke, willsagenaufFremdsprachenniveau. Denn der Tag hat nur 24Stunden und es ist eben sehr abhängig vo nderzeit, die in 1 Sprache zugebracht wird, wie mgut undschnell mansie lernt. Von daher wird die Sprache der KITA schnell überhand gewinnen, sobald Dein Kind ja auch Freunde nach Hause mitbringt etc. Maries Beitrag finde ich toll - selten so sachlich und doch fundiert und richtig über diesesThema gelesen (in einemForum), von jemandem der offensichtlich nur von "außen"mit dem Thema befaßt ist. Laß Dich nicht verunsichern -Dein Kind lernt die Umgebungssprache. Welche derEurendann evtl. etwas kürzer kommt, zeig dieZeit, gebt sovie l"Input "wie möglich - und hinterfragt eben immer, wer Euch da Ratschläge geben will. "Man braucht bei der Mehrsprachigkeit eben auch ein bisschen dickeres Fell für all die gutgemeinten Ratschläge von nicht wirklich kompetentem Fachpersonal, das habe ich hier leider auch immer wieder gemerkt. Sobald die Kinder dann fliessend sprechen, lassen die kritischen Bemerkungen nach." (Kacenka) Noch besser: Sobald die Kinder deutlich die Sprachen unterscheiden und sprechen (vor allem eben auch die Umgebungssprache, den Rest können die anderen ja nur partiell beurteilen), hagelt es Lob und Bewunderung! Gruß Ursel

von DK-Ursel am 03.12.2014, 14:27



Antwort auf Beitrag von DK-Ursel

Hallo, ich wollte auch Mut machen: bleibt einfach dabei alle Sprachen mit Eurem Kind zu sprechen. Solange es die Muttersprache des jeweiligen Elternteils ist und man sich an die Regel 1 Person, 1 Sprache hält, kann man eigentlich nicht viel falsch machen. Ich hab jetzt noch nicht so viel praktische Erfahrung, aber da unser 18 Monate alter Sohn zur Zeit dreisprachig, und ab Januar sogar viersprachig aufwächst, hab ich mir zu dem Thema einiges angelesen und tausche mich mit anderen Müttern mit ähnlichen Konstellationen aus. Wir haben Deutsch (ich), Französisch (Vater), Spanisch (Umgebungssprache und in derzeitiger Kita) und Katalanisch (Umgebungssprache und Kita ab Januar). Unser Sohn hat gerade angefangen Sätze zu bilden, nimmt dabei fröhlich was er an Wörtern kennt, Sprache hin oder her. Was ich mir angelesen habe, hat mir Mut gemacht einfach durchzuhalten, auch wenn es zwischendurch mal den Anschein machen sollte, die sprachliche Entwicklung in einer Sprache sei ins Stocken gekommen. Und das würde ich Euch auch in Eurer Situation raten. Euer Kind wird es Euch eines Tages danken! Liebe Grüße!

von Lunalein am 07.12.2014, 23:50



Antwort auf Beitrag von Lunalein

Hallo Lunalein, Noch jemand mit katalanisch ;-) Unsere Kleine wird von uns zweisprachig erzogen (Deutsch-Spanisch) und in der Kita sprechen 2 Erzieherinnen Spanisch, eine Valenciano und eine Englisch mit den Kindern. In der Umgebung, v.a. bei Babymusik oder auch bei manchen Freunden hört sie zusätzlich noch Valenciano, ich antworte aber immer auf Spanisch. Ich bin wirklich gespannt, wieviel von den weiteren Sprachen hängenbleiben, Prio sind für uns ganz klar Deutsch und Spanisch. Aber vielleicht wird sie dann mit 3 Jahren trotzdem in einen Kindergarten mit Valenciano als Hauptsprache gehen, nach allem was ich im Moment höre, sind die Bedingungen (Anzahl Erzieher pro Kind, Gruppenstruktur,...) in den Valenciano-Zweigen deutlich besser. Sie ist jetzt 15 Monate. Wir können uns gern auch mal per PN austauschen, wie sie dann mit Katalanisch zurechtkommen

von Connitaa am 09.12.2014, 23:44



Antwort auf Beitrag von Connitaa

Connitaa, spricht sie denn mit 15 Monaten schon ein bisschen? Wir hatten uns eigentlich darauf eingestellt, dass unser Sohn erst spät anfängt zu sprechen, weil so viele unterschiedliche Sprachen auf ihn einprasseln. Er hat aber unheimlich viel Spaß daran Wörter nachzuplappern. Zur Zeit ist Spanisch die stärkste Sprache, in der er auch schon erste Sätze bildet ("Tengo hambre!"). Jetzt bin ich sehr gespannt, was ab Januar passiert. Dann starten wir nämlich in einer katalanischen Krippe. Ich spreche kein Katalan, und werde ihn wahrscheinlich nicht immer verstehen, wenn er mir was sagen möchte. Das stelle ich mir sehr frustrierend vor. Kannst Du Valenciano?

von Lunalein am 10.12.2014, 10:26



Antwort auf Beitrag von Lunalein

Vielen lieben Dank an euch allen für den Erfahrungsaustausch. Das gibt mir ein gutes Gefühl so weiterzufahren wie gehabt. Ich glaube dass Menschen, wie unsere Lehrerin, die keine Erfahrung in dieser Hinsicht haben, auch kein Verständnis aufbringen können. Denn wir "lehren" nicht, wir leben die Sprachen. Und wenn sie momentan nicht den Wortschatz hat wie ihre gleichaltrigen Freunde, was soll's? Das wird sie aufholen! LG, Marcarita

von marcarita am 11.12.2014, 13:28



Antwort auf Beitrag von Lunalein

Unsere Kleine spricht bis jetzt nur wenige klar erkennbare Wörter, auch wenn sie den ganzen Tag vor sich hinbrabbelt. Davon sind die meisten universal (Papa, Mama, Wau-Wau, nam-nam) und nur Agua (für alle Getränke) und uva (für Obst bzw. alles kalte Essen, dass sie selbst bei uns am Tisch mitisst) klar spanisch. Valenciano verstehe ich recht gut, als wir in Barcelona gelebt haben, habe ich auch 3 Katalan-Kurse gemacht. Aktiv verwende ich es selten bis nie, auch mein Mann spricht konsequent nur spanisch, aber lesen und verstehen geht bis auf die ausgefallenen Worte recht problemlos. Wir haben aber auch Freunde, die miteinander nur Catalan/Valenciano sprechen, wenn wir uns zu 6. treffen spechen 4 die eine Sprache und wir zwei die andere... Ich habe schon gesagt, wenn es bei ihr dann richtig losgeht mit der Sprache, lerne ich die Grammitk und Rechtschreibung auch gleich mit Mich extra vorher noch damit zu beschäftigen bin ich wenig motiviert, ganz ehrlich mag ich die Sprache auch nicht besonders...irgendwie gefallen mir Klang und Aufbau nicht, vielleicht liegt es auch daran, dass ich schon als Erasmus an der Autonoma in Barcelona zu viele Diskussionen zu dem Thema hatte und bei meinem ersten Job ("Hem de parlar tots en catalá, aixo es una firma catalana" > dann stell in der Verwaltung bei 6 Leuten nicht Leute aus 5 Ländern ein ;-) Wahrscheinlich wird sie unbewusst auch unsere "Ablehnung" der Sprache mitkriegen und sie wird nie besonders stark werden...

von Connitaa am 11.12.2014, 20:09