Sehr geehrter Herr Paulus,
normalerweise bekomme ich meine Regel sehr pünktlich (max. 1 Tag früher oder später) im 23-Tage-Zyklus, doch dieses Mal kam sie fast eine Woche früher und war über 6 Tage sehr schwach bzw. kam ab und an mal etwas mehr Blut, aber den Rest des Tages jeweils nur Tröpfchen. Auch hörte dieses Unwohlsein im Unterleib, was ich normalerweise nur zu Beginn der Regel habe, nicht richtig auf und ist jetzt immer noch ganz leicht da. Seitdem habe ich auch diverse Schwangerschaftsanzeichen wie ganz leichtes Unwohlsein, Schwindel, Verdauungsprobleme, eine "linea nigra" vom Schambein zum Bauchnabel und mir ist wärmer als sonst.
Am 7.Juni habe ich einen SST gemacht (negativ), da ich das Gefühl hatte, dass es keine normale Regel war und war am 8.Juni beim Gynäkologen, weil ich mir Sorgen wegen der langen ungewöhnlichen Blutung gemacht hatte. Der sagte zwar, dass alles in Ordnung sei, aber auch, dass das womöglich stressbedingt sei und ich mir keine Gedanken machen sollte. Ich sei "Lichtjahre" von einer Schwangerschaft entfernt. Dennoch verschwinden die Anzeichen nicht und ich möchte eine etwaige Schwangerschaft nicht gefährden. Kann es sein, dass ich noch zu früh beim Arzt war und der Test auch zu früh, da ich einen recht kurzen Zyklus habe? Den vermutlichen Eisprung und auch Geschlechtsverkehr hatte ich am 28.5. und am 31.5. begann die Blutung und die Symptome tauchten nach und nach auf. Können 100mg Venlafaxin zu Beginn einer Schwangerschaft kritisch sein? Ich bin aktuell dabei, die Dosis langsam zu reduzieren, aber kann frühestens am Dienstag einen Schritt weiter gehen, da ich davor noch eine wichtige Prüfung habe. Nehme zur Sicherheit auch seit heute extra Folsäure.
Schonmal vielen Dank für Ihre Mühe
Freundliche Grüße
Simone
von
Simone_Berlin
am 10.06.2016, 15:41
Antwort auf:
Mögliche Frühschwangerschaft
Wenn Ihr Frauenarzt keine Hinweise auf eine Schwangerschaft findet, dürften Ihre Symptome auf andere Ursachen zurückzuführen sein.
Eine prospektiv kontrollierte Multicenterstudie berichtet von 150 Schwangerschaften unter Medikation mit Venlafaxin im I.Trimenon: Neben 7 Schwangerschaftsabbrüchen und 18 Fehlgeburten wurden 125 Neugeborene registriert. Darunter befanden sich zwei Kinder mit einer schwereren Anomalie: 1 x Hypospadie (Harnröhrenfehlmündung), 1 x Neuralrohrdefekt mit Klumpfuß. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe fanden sich keine signifikanten Unterschiede im Schwangerschaftsausgang (Einarson et al 2001).
Im Rahmen einer prospektiven Followup-Studie wurden von unserem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum zwischen 1997 und 2007 100 Schwangerschaftsausgänge nach Anwendung von Venlafaxin in der Frühgravidität dokumentiert. Die Befunde wurden mit den Daten eines Kontrollkollektives (n=439) aus demselben Zeitraum verglichen, das nicht oder unproblematisch exponiert war. Unsere prospektive, kontrollierte Followup-Studie konnte kein fruchtschädigendes Potential von Venlafaxin nachweisen.
Nach mütterlicher Behandlung mit Venlafaxin in der sensiblen Phase der Organdifferenzierung (I.Trimenon) beobachtete man im schwedischen Schwangerschaftsregister unter 505 Neugeborenen keine Zunahme angeborener Anomalien (Lennestål & Källén 2007).
Ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko aufgrund der Medikation ist angesichts der aktuellen Datenlage nicht zu erwarten. Eine Fortsetzung der aktuellen Medikation mit Venlafaxin ist auch in der Schwangerschaft durchaus möglich.
Nach Anwendung von Antidepressiva wie Citalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Mirtazapin, Paroxetin, Sertralin und Venlafaxin im letzten Schwangerschaftsdrittel wurden Atem- und Ernährungsstörungen, Krampfanfälle, Unruhe und anhaltendes Schreien bei den Neugeborenen beobachtet. Diese Beschwerden (max. 2 Wochen nach Geburt) können verlängerten Krankenhausaufenthalt, Beatmung bzw. Ernährung per Sonde erfordern. Es kann sich dabei um direkte unerwünschte Wirkungen der Antidepressiva auf das Neugeborene oder um Zeichen eines Entzugssyndroms handeln.
Um diese Anpassungsstörungen zu vermeiden, sollte eine möglichst moderate Dosis von Venlafaxin bis zum Schwangerschaftsende angestrebt werden (z. B. 75 mg pro Tag).
von
Dr. Wolfgang Paulus
am 16.06.2016