Frage: Medikamente

Guten Abend, Aufgrund von Depressionen nehme ich Venlafaxin 225mg und Elontril 300mg. Nun frage ich mich die ganze Zeit ob diese für eine Schwangerschaft hinderlich wären. Mit freundlichen grüßen

von minchen1985 am 05.08.2016, 19:36



Antwort auf: Medikamente

Eine prospektiv kontrollierte Multicenterstudie berichtet von 150 Schwangerschaften unter Medikation mit Venlafaxin im I.Trimenon: Neben 7 Schwangerschaftsabbrüchen und 18 Fehlgeburten wurden 125 Neugeborene registriert. Darunter befanden sich zwei Kinder mit einer schwereren Anomalie: 1 x Hypospadie (Harnröhrenfehlmündung), 1 x Neuralrohrdefekt mit Klumpfuß. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe fanden sich keine signifikanten Unterschiede im Schwangerschaftsausgang (Einarson et al 2001). Im Rahmen einer prospektiven Followup-Studie wurden von unserem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum zwischen 1997 und 2007 100 Schwangerschaftsausgänge nach Anwendung von Venlafaxin in der Frühgravidität dokumentiert. Die Befunde wurden mit den Daten eines Kontrollkollektives (n=439) aus demselben Zeitraum verglichen, das nicht oder unproblematisch exponiert war. Unsere prospektive, kontrollierte Followup-Studie konnte kein fruchtschädigendes Potential von Venlafaxin nachweisen. Nach mütterlicher Behandlung mit Venlafaxin in der sensiblen Phase der Organdifferenzierung (I.Trimenon) beobachtete man im schwedischen Schwangerschaftsregister unter 505 Neugeborenen keine Zunahme angeborener Anomalien (Lennestål & Källén 2007). Ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko aufgrund der Behandlung mit Venlafaxin ist angesichts der aktuellen Datenlage nicht zu erwarten. Eine Fortsetzung der aktuellen Medikation mit Venlafaxin ist auch in der Schwangerschaft durchaus möglich. Nach Anwendung von Antidepressiva wie Citalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Mirtazapin, Paroxetin, Sertralin und Venlafaxin im letzten Schwangerschaftsdrittel wurden Atem- und Ernährungsstörungen, Krampfanfälle, Unruhe und anhaltendes Schreien bei den Neugeborenen beobachtet. Diese Beschwerden (max. 2 Wochen nach Geburt) können verlängerten Krankenhausaufenthalt, Beatmung bzw. Ernährung per Sonde erfordern. Es kann sich dabei um direkte unerwünschte Wirkungen der Antidepressiva auf das Neugeborene oder um Zeichen eines Entzugssyndroms handeln. Um diese Anpassungsstörungen zu vermeiden, sollte eine möglichst moderate Dosis von Venlafaxin bis zum Schwangerschaftsende angestrebt werden (z. B. 75 mg pro Tag). Das Glaxo Wellcome Bupropion Pregnancy Registry umfasste bis 2006 883 Expositionen mit Bupropion in der Schwangerschaft, davon 664 im ersten Trimenon (Glaxo Wellcome 2006): 34 Schwangerschaftsabbrüche (darunter 5 Fälle mit Fehlbildungen) 82 Spontanaborte 4 intrauterine Fruchttode ohne Anhalt für Anomalie 1 intrauteriner Fruchttod bei komplexer Fehlbildung 696 unauffällige Neugeborene 17 Neugeborene mit angeborenen Anomalien Unter den angeborenen Anomalien fanden sich 8 Fälle mit Herzfehlern (Klappen- und Septumdefekte). Der Hersteller veranlasste daraufhin eine retrospektive Kohortenstudie und eine Fall-Kontroll-Studie. Im Vergleich zu Schwangerschaften unter antidepressiver Medikation zeigte sich bei 1213 Kindern nach intrauteriner Exposition mit Bupropion im ersten Trimenon keine Zunahme von Fehlbildungen (Cole et al 2007). In einer prospektiven kontrollierten Followup-Studie wurden der Verlauf von 136 Schwangerschaftten nach mütterlicher Medikation mit Bupropion im ersten Trimenon erfasst. Dabei ergab sich keine Zunahme angeborener Anomalien (Chun-Fai-Chan et al 2005). Für die Einzelsubstanzen ist zwar keine signifikante Zunahme kindlicher Anomalien nachgewiesen, doch lassen sich mögliche Wechselwirkungen nicht ausschließen. Angesichts der hohen Dosen muss zumindest mit kindlichen Anpassungsstörungen nach der Geburt gerechnet werden.

von Dr. Wolfgang Paulus am 08.08.2016