Frage: Medikamente in der Schwangerschaft

Meine Tochter ist Manisch Depressiv...nach zwei Jahren mit Abilify Montana alle vier Wochen keine Rückfälle...dann Schwangerschaft....Medikament sofort abgesetzt...und drei Monate keine Medikamente....dann schwere Depression.....die nicht besser wird....medikation...Sertralin..100 mg...und Seroquel 100 mg...wieviel dieser Medikamente kann man notfalls nehmen ohne dem Kind zu schaden,,,verschiedene Ärzte sagen mir verschiedene Meinungen....sind total verunsichert... Mit freundlichen Grüßen Rs

von Annnababy am 14.07.2017, 07:59



Antwort auf: Medikamente in der Schwangerschaft

In einer prospektiven Followup-Studie zur Anwendung von atypischen Neuroleptika in der Schwangerschaft registrierte man bei 151 exponierten Schwangeren im Vergleich zu einer Kontrollgruppe keine Zunahme von Aborten oder Fehlbildungen. Darunter befanden sich auch 36 Fälle mit einer Quetiapin-Medikation (McKenna et al 2005). Zuvor waren zwei Fälle publiziert worden, in denen Quetiapin während der gesamten Schwangerschaft in Dosen von 150 bis 300 mg/d verabreicht worden war. Die beiden Neugeborenen wiesen keine Anomalien auf (Tényi et al 2002; Taylor et al 2003). In einer Übersichtsarbeit wurden 2006 487 Schwangerschaftsverläufe unter mütterlicher Therapie mit Quetiapin zusammengefasst (Gentile 2006). Darunter traten lediglich acht Fälle von angeborenen Anomalien auf (1,6%). Nach mütterlicher Behandlung in der Spätschwangerschaft wurden vorübergehende Kreislauf- und Atembeschwerden bei den Neugeborenen beschrieben (Newport et al 2007). Im Rahmen einer prospektiven Followup-Studie wurden von unserem nationalen Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum zwischen 2001 und 2011 108 Schwangerschaftsausgänge nach Medikation mit dem atypischen Neuroleptikum Quetiapin in der Frühgravidität dokumentiert. Im Vergleich zum Kontrollkollektiv war das Fehlbildungsrisiko unter Medikation mit Quetiapin nicht signifikant erhöht. Ein homogenes Fehlbildungsmuster fiel nicht auf. Grundsätzlich wäre der Einsatz von Quetiapin in der Schwangerschaft vertretbar, wobei langfristig eine möglichst moderate Dosis gewählt werden sollte. Eine Zunahme der Fehlbildungsrate bei äußerlicher Anwendung von Vitamin-A-Präparaten in der Schwangerschaft konnte bislang im Gegensatz zur oralen Einnahme nicht nachgewiesen werden. Allerdings sollte der Gebrauch möglichst zurückhaltend erfolgen. Sowohl aus den tierexperimentellen Untersuchungen als auch aus den Erfahrungen in der menschlichen Schwangerschaft gab es primär keinen Anhalt für eine Fruchtschädigung durch Sertralin. Eine Zusammenstellung von 150 Expositionen mit Sertralin im I.Trimenon zeigte keine Häufung von Anomalien (Kulin et al 1998). Eine weitere Studie mit 112 Schwangeren ergab unter Medikation mit Sertralin ebenfalls keinen Anstieg der Fehlbildungsrate (Chambers et al 1999). Anpassungsstörungen nach der Geburt erforderten teilweise eine Betreuung der Neugeborenen in einer Kinderklinik. Bis Dezember 2004 dokumentierte das Swedish Medical Birth Registry 6.555 Kinder nach intrauteriner Exposition mit SSRI in der Frühschwangerschaft. Die kumulierte Fehlbildungsrate lag bei 4,1%, was dem erwarteten Hintergrundrisiko entspricht. Dabei wurde kein typisches Fehlbildungsmuster beobachtet. In diesem Kollektiv sind 1.906 Kinder nach mütterlicher Medikation mit Sertralin enthalten. Die Fehlbildungsrate gab mit 3,5% keinen Anlass zur Beunruhigung (Kallen & Otterblad Olausson 2007), weil dies dem üblichen Fehlbildungsrisiko in der unbelasteten Bevölkerung entspricht. Eine neuere Übersichtsarbeit sieht – wenn überhaupt – allenfalls ein geringes Risiko von weniger als 1% für die Entwicklung eines Hochdruckes im Lungenkreislauf des Feten bei mütterlicher Therapie mit SSRI in der zweiten Schwangerschaftshälfte. Ein Verzicht auf eine erforderliche Behandlung der Mutter in der Spätschwangerschaft erscheint daher nicht sinnvoll ('t Jong et al 2012). Mögliche Zusammenhänge zwischen der langfristigen Einnahme von SSRI und kindlichen Verhaltensauffälligkeiten wie ADHS oder Autismus werden kontrovers diskutiert (Man et al 2015, Figueroa et al 2010). Eine Fortsetzung der aktuellen Behandlung mit Sertralin wäre in der Schwangerschaft durchaus akzeptabel. Nach Einnahme von SSRI wie Sertralin konnte man in bis zu 30% der Fälle in den ersten Tagen nach Geburt (maximal 14 Tage) Anpassungsprobleme der Kinder mit folgenden Symptomen beobachten (Alwan & Friedman 2009): · Atemstörungen, Apnoe · Zyanose · Krämpfe · Temperaturschwankungen · Trinkschwäche, Erbrechen · Hypoglykämie · Hypotonie / Hypertonie · Hyperreflexie, Zittern · Reizbarkeit, anhaltendes Schreien Ein Verzicht auf die Einnahme von Sertralin in der Spätschwangerschaft ist jedoch deshalb nicht erforderlich. Es handelt sich nicht um langfristige Schädigungen, sondern um Veränderungen, die eine vorübergehende kinderärztliche Betreuung erfordern. Zur detaillierteren Abklärung können Sie mich auch gerne über unsere Beratungsstelle kontaktieren. Für entsprechende Beratungen stehen wir werktags zwischen 8 und 18 Uhr gebührenfrei zur Verfügung: Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie Universitätsfrauenklinik Ulm Prittwitzstr. 43 89075 Ulm Telefon: (0731) 500 - 58655 Telefax: (0731) 500 - 58656 E-Mail: paulus@reprotox.de Anfrageformular: http://www.reprotox.de

von Dr. Wolfgang Paulus am 18.07.2017