Sehr geehrter Herr Dr. Paulus,
ich bin in der 5. Schwangerschaftswoche und nehme seit über 10 Jahren Fluoxetin ein. Mehrere Absetzversuche waren leider erfolglos.
Mein Neurologe sagte, es sei absolut kein Problem, Fluoxetin in der Schwangerschaft einzunehmen. Kann ich die hohe Dosis von 40 mg täglich wirklich so bedenkenlos einnehmen?
Danke für Ihre Antwort im Voraus.
von
birmanie
am 19.09.2014, 10:07
Antwort auf:
Fluoxetin 40 mg
In einer Kohortenstudie eines Beratungszentrums zeigte sich nach Exposition mit Fluoxetin unter 101 Neugeborenen kein Anstieg der Fehlbildungsrate (Chambers et al 1996). In einer weiteren Kohortenstudie ergab sich bei 98 Schwangeren ebenfalls kein Zusammenhang zwischen der Anwendung von Fluoxetin im I.Trimenon und angeborenen Anomalien (Pastuszak et al 1993). In einer Sammlung von 67 Neugeborenen nach intrauteriner Exposition mit Fluoxetin fanden sich vier unterschiedliche Anomalien (McElhatton et al 1996).
Eine Häufung von Fehlbildungen ließ sich weder bei 37 Schwangerschaften erkennen, die während klinischer Studien eingetreten waren, noch bei 658 Schwangerschaften, die nach Exposition im I.Trimenon prospektiv verfolgt werden konnten (Goldstein & Marvel, 1993; Goldstein et al., 1997a). Unter 109 Schwangerschaften mit Fluoxetin-Medikation im I.Trimenon fanden sich lediglich 2 Fehlbildungen (Rosa 1995).
Bis Dezember 2004 dokumentierte das Swedish Medical Birth Registry 6.555 Kinder nach intrauteriner Exposition mit SSRI in der Frühschwangerschaft. Die kumulierte Fehlbildungsrate lag bei 4,1%, was dem erwarteten Hintergrundrisiko entspricht. Dabei wurde kein typisches Fehlbildungsmuster beobachtet. In diesem Kollektiv sind 926 Kinder nach mütterlicher Medikation mit Fluoxetin enthalten. Die Fehlbildungsrate gab mit 3,9% keinen Anlass zur Beunruhigung (Kallen & Otterblad Olausson 2007).
Allerdings traten in einem Kollektiv von 73 im letzten Trimenon exponierten Kindern vermehrt Frühgeburten und Anpassungsstörungen auf (Chambers et al 1996). Die Frühgeburtlichkeit mag jedoch auch mit anderen Faktoren wie z. B. der psychischen Verfassung der Patientinnen zusammenhängen (Goldstein et al 1997b).
Mehrere Fälle von Zittrigkeit und Erregbarkeit von Neugeborenen nach Anwendung von Fluoxetin in der Spätschwangerschaft wurden gemeldet (Goldstein 1995). Entzugssymptome fielen auch bei einem Frühgeborenen auf (McElhatton et al 1996). Wachstum, neurologische Entwicklung und Verhalten von 55 intrauterin im I.Trimenon exponierten Kindern unterschieden sich im Alter von 16 bis 33 Monaten nicht von einem Kontrollkollektiv (Nulman & Koren 1996; Loebstein & Koren 1997; Nulman et al 1997).
In einer prospektiv kontrollierten Studie aus unserem Netzwerk ENTIS (European Network of Teratology Information Services) wird in einem Kollektiv von 314 Schwangerschaften unter Medikation mit Fluoxetin eine leicht erhöhte Rate für Herzfehler diskutiert (Diav-Citrin et al 2008).
Grundsätzlich wäre eine Fortsetzung der Medikation mit Fluoxetin in moderater Dosis vertretbar. Vielleicht können Sie versuchen, die Dosis im Laufe der Schwangerschaft langsam auf 20 mg zu senken.
von
Dr. Wolfgang Paulus
am 20.09.2014