Ich weiß gar nicht wie ich anfangen soll, aber ich beginne wohl erstmal mit einem Hallo! Lange habe ich überlegt, ob ich hier schreiben soll, bin seit unserem Verlust des Öfteren hier, lese viel, auch in älteren Beiträgen. Am 09.09.2016 ist meine Tochter Elise verstorben. Sie wurde sechs Wochen alt. Es ist eine längere Geschichte (als Hinweis oder Warnung ;-)) die ich gern niederschreiben möchte. Ich weiß nicht, ob oder was ich mir davon erhoffe, vielleicht ein klein bisschen Erleichterung unsere "Geschichte" erneut erzählen zu können, vielleicht meine Trauer zu verarbeiten oder aber auch deshalb, um meine Tochter in "die Welt" zu tragen. Denn auch jetzt noch, erscheint es mir manchmal so, als ob das alles nicht mir passiert wäre. Es begann im Juli dieses Jahres. Wir flogen in den Urlaub, ich (übrigens 37 Jahre) war schwanger in der 24.Woche. Mir ging es gut, ärztlich war alles abgeklärt. Der Kleinen ging es gut, mir auch. Ab und zu wurde mein Bauch hart, naja...ganz normal auch lt. meiner Frauenärztin. Ich habe bereits eine Tochter, sie ist neun Jahre. Die Schwangerschaft mit ihr damals war hart. Ab Mitte der Schwangerschaft bekam ich des Öfteren Blutungen und Wehen. Die Plazenta saß tief, alles war kritisch. Dennoch beruhigte sich alles wieder und ich konnte sie bei 38+...in meinen Armen halten. Dazwischen hatte ich noch zwei Fehlgeburten. Lange Zeit habe ich gebraucht, um mich auf einen erneuten Versuch einzulassen. Dann klappte es sehr schnell. Bereits im ersten Übungszyklus war ich schwanger. Alles war schön, ich war so zuversichtlich! Am dritten Urlaubstag fingen im Laufe des Tages Blutungen an. Es war rotes, frisches Blut, sodass mir sofort klar war, irgendwas stimmt nicht. Wir waren auf Kreta im Urlaub. Sofort ging mein Mann an die Rezeption, fragte nach einem Arzt oder Krankenhaus. In ein Krankenhaus wurden wir gebracht. Es war klein, alt und einfach nur schrecklich, Nicht zu vergleichen mit dem deutschen Standard. Aber egal dachte ich mir, da müssen wir durch. Was sonst?!? Während der Untersuchung brach sofort Panik beim Arzt und den Schwestern aus. Der MuMu war verstrichen und geöffnet (ich glaube 3cm) die Fruchtblase schaute heraus. Ich habe nichts gespürt davon :( Der Chefarzt teilte meinem Mann dann mit, dass unser Kind mit 90prozentiger Sicherheit innerhalb der nächsten 48h zur Welt kommen wird. In Griechenland werden Frühchen frühestens ab der 25SSW, also ab 24+1 behandelt, ich war da gerade bei 23+1, eine Woche, eine Woche "nur" noch. Somit teilte der Arzt mit, dass wenn sie jetzt kommt, sie sie nicht behandeln werden. Sie würde wahrscheinlich sterben müssen. Außerdem lagen wir in einem KH ohne Kinderstation, ohne Perinatal Level I. Solch ein KH befand sich ca. eine Stunde von dem KH entfernt in welchem wir lagen. Ich wurde in den Kreisssaal geschoben, in ein Zimmer mit großem Fenster in der Mitte, mitten auf dem Präsentierteller und dort lag ich dann. Jeder konnte zu mir hereinschaue. Um mich herum wurden Kinder geboren, sie schrien und begrüßten das Leben und ich betete, dass mein Kind doch bitte bitte noch im Bauch bleiben solle. Nur eine Woche noch. Elise schien es gut zu gehen. Sie bewegte sich viel! Den Ärzten zum trotz schafften wir es auch. Bei 25+1 wurde ich verlegt (erhielt auch eine Lungenreifesritze) nach Heraklion. Dort angekommen setzten die Blutungen plötzlich wieder ein, die Wehen wurden stärker und am 03.08. wurde unsere Tochter Elise um 2:30 geboren. Bei 24+2 650g und 31cm. Verrückt dieser Zustand oder? Eine Woche, die wir schaffen mussten, haben wir geschafft. Und ich bin mir fast sicher, wäre diese plötzliche und typisch griechisch hektische Verlegung nicht gewesen, dann hätten wir es auch noch länger geschafft! Die Lungenreife habe ich erhalten, noch vor ihrer Geburt. Und nun war sie da. Geboren in Griechenland! Unser geplanter 10tägiger Urlaub würde sich nun wohl noch hinziehen. Das prophezeiten auch die Ärzte. Diese waren am Anfang auch ganz kritisch. Sie gaben Elise nicht viel Chancen, eben wegen dieser sehr frühen Geburt! Sie hatte auchStartschwierigkeiten, klar sie kam ja auch viel zu früh. Aber nach und nach setzten alle Körperfunktionen ein bei ihr. Im Gehirn war alles gut! Ihr Darm arbeitete gut! Sie pullerte fleißig :-)! Wurde über Sonde mit meiner Muttermilch, die ich abpumpte, versorgt, stetig mehr + paenteraler Ernährung! Musste nicht(!) beatmetet werden! Erhielt immer Sauerstoff über die Nase zusätzlich, was aber durchaus normal ist! Sie hatte ein starkes Herz! Einfach einen starken Willen! Sie wollte Leben! Trotz der frühen Geburt, war sie gesund! Nach vier Wochen begannen wir auch langsam den Rücktransport über die Krankenkasse zu planen, da es ja ein besonderer Transport war, der organisiert werden musste. Die Ärzte waren positiv eingestellt, sahen mittlerweile alles rosiger, gaben ihr nun Überlebenschancen von über 80 Prozent, die Chefärztin der Station meinte wörtlich bei diesem Kind sieht sie keine Probleme mehr, sie wird es schaffen! So, nun hoffte auch ich mehr. Ließ mich immer mehr auf alles ein, liebte mein Kind, natürlich, würde alles akzeptieren, so wie es kommt, hauptsache sie würde leben!!!! In Griechenland verständigten wir uns in englisch, das ging auch recht gut. Die Ärzte waren nett, die Schwestern auch. Wir waren sehr zufrieden mit der Behandlung, es war wirklich eine super medizinische Versorgung, Leider ist es in Griechenland so, dass man dort sein Kind nur 2h am Tag sehen darf. Eine Stunde zwischen 12-13h und dann wieder 18-19h. Das war hart. Es hat so viel Zeit gefehlt, wir sagten uns dann immer, das holen wir alles in Deutschland nach. Hier darf man ja so oft und lang bleiben wie man möchte. Darüber hatten wir uns schon Informiert. Dennoch durfte Elise ab und zu zum känguruhen zu mir kommen. Was hab ich das genossen. Dann, nach 6 Wochen, am 09.09. 9:35h kam ein Anruf aus der Klinik. Ich war gerade am abpumpen. Die Ärztin sagte uns, dass wir schnell kommen sollten. Unserem Baby geht es nicht gut. Ich fragte ob sie stirbt, die Angst hatte ich ja schon die ganze Zeit. Sie beantwortete die Frage nicht direkt. Wir fuhren los. Ungewaschen...total konfus. Wir gingen zur Station, es standen alle Ärzte um ihren Inkubator, ich dachte sie sei bereits tot. Das war sie aber noch nicht. Die Ärztin, die am besten Englisch konnte, erklärte uns, dass Elise eine Infektion bekommen hat. Sehr schnell und aggressiv sei der Virus. Sie wissen nicht, woher die Infektion kommt. Haben keine Ahnung. Sie geben ihr ein Breitbandantibiotikum. Das schlägt nicht an. Es fing genau 24h an, ganz plötzlich hatte sie atemstillstände. Sie war nun komplett intubiert und komplett beatmet. Die Ärzte sagten uns früher immer, dass sie eine sehr schöne Hautfarbe hat. Ich fragte mich immer wie sie das genau meinten und wie eine Hautfarbe aussieht, die eben nicht sehr schön ist. Als ich Elise sah, wusste ich was sie damit meinten. Sie hatte lilafarbene Flecken. Blau-Violett angelaufen war sie. Sie sah kalt aus, als ob sie friert. Sie war auch zugedeckt. Die Ärzte sahen wenig Hoffnung. Mein Mann hoffte umso mehr. Ganz schwach und mühsam öffnete sie ein Auge, als wir Hallo sagten. Mein Mann sang unter Tränen Lieder, die wir immer vorsangen. Dann plötzlich, schickten uns die Ärzte weg. Sie ließen uns nicht bei ihr. Sie sagten uns dass sie vielleicht stirbt, schickten uns aber weg. Wir durften nicht bei ihr bleiben, um sie beim sterben zu begleiten. Ich weiß nicht, ob ich dazu überhaupt die Kraft gehabt hätte, aber mein Mann bereut bis heute zutiefst, dass er nicht bei ihr sein durfte, als sie starb. Kurz vor um drei ging mein Mann erneut zur Station, da er das Warten nicht mehr aushielt. Er klingelte, niemand öffnete. Nach 30minuten warten wurde er reingelassen, er sollte mich dazu holen. Die Ärztin teilte uns den Tod unserer Tochter mit. Sie ist 15:00 gestorben, Mein Mann stand direkt vor der Tür als sie starb. Mir zog es alles weg, den ganzen Tag die Anspannung, die Angst, das Herzrasen die Übelkeit. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass man psychische Schmerzen so stark körperlich fühlt und diese so sehr weh tun! Es war an einem Freitag, 15:00h in Griechenland, sämtliche Formalitäten, die dann erledigt werden müssen, mussten wir auf Montag verschieben, da bereits alle im Feierabend waren. Elise wurde dort in der Pathologie aufbewahrt. Schrecklich-es war so schrecklich. Die Nacht die folgte, das Wochenende was folgte. Es war der pure Albtraum. Man war gefangen in der Touristenstadt Heraklion, um uns herum Urlauber und Party und wir laufen durch die Straßen, völlig umnebelt und trauern um unsere Tochter, die so plötzlich und völlig unverständlich verstarb.Wir wussten, dass Infektionen sehr gefährlich für Früchten sind. Aber woher hat sie diese. Waren wir dran Schuld? Was war passiert? Am Montag gingen wir in die Klinik um alles weitere zu klären. Nun mussten wir den Rücktransport ja abschließend klären. Man bot uns an, sie in Griechenland zu beerdigen, wir lehnten dankend ab. Elise musste mit uns nach Hause kommen! Bei uns sein! Wir gingen auf Station. Ärzte und Schwestern drückten unter Tränen ihr Beileid aus. Dann teilte uns der griechische Stationsarzt und die Chefärztin mit, woran Elise verstorben ist. Es war ein Krankenhauskeim, Seratia, der ihr das Leben nahm. Vermutlich über die Kanüle, über die sie einen Tag vor ihrem Tod eine Bluttransfusion erhielt. Seratia, ein typischer Keim, der auf Frühchenstationen besonders oft vorkommt. Der Keim, der auch schon in der Berliner Charité Babys das Leben kostete. Leider kam der Keim über die Transfusion direkt in ihr Blut, sodass sie keine Chance hatte. Sie verstarb an einer Blutvergiftung. Ich wusste nicht, ob mich diese ganzen Fakten beruhigen sollten, hinsichtlich der eigenen Schuldgefühle die man hat, oder ob ich an dem Wissen zerbrechen werde. Sie war gesund, stark und voller Lebenswille und dann kommt so ein blöder Keim (woher auch immer) und nimmt ihr rasant das Leben. Ein bisschen vergleiche ich das immer mit einem Autounfall. Ein Kind spielt fröhlich auf der Straße bis ein Auto kommt, sie "überrennt" und das Leben auslöscht. Warum? Warum nur? Mittlerweile ist sie beerdigt, bei uns nah am Haus ist der Friedhof. Und statt mein Kind zu stillen, es zu versorgen, sie zu beschützen, gehe ich nun jeden Tag auf den Friedhof, vorbei am Spielplatz und richte und pflege ihr Grab. Eigentlich müsste sie noch in meinem Bauch sein, der ET war am 21.11. - was ist nur alles passiert in diesem Sommer. Sie war so hübsch und so toll. Ich kann es nicht in Worte fassen und glaube alles heute noch nicht ganz. Wir sind in Betreuung, um die Zeit, die wir in Griechenland, allein, verbrachten zu verarbeiten. Ich liebe dieses Kind so sehr, es ist unfassbar, dass man nun ein totes Kind hat und das für den Rest meines Lebens :-( Und dennoch denke ich nun mittlerweile wieder über ein Baby nach. Das kann es doch nicht gewesen sein, denke ich dann immer. Ich fühle mich so betrogen und verraten vom Leben. Ich wollte doch "nur" noch ein zweites Kind :-( Mittlerweile wissen wir, dass wir es auch noch einmal versuchen wollen. Mit genügend Abstand und wenn die größte Trauerarbeit abgeschlossen ist. Auch um Elise den gebührenden Respekt entgegen zu bringen. Sie hat es verdient, dass wir ausgiebig um sie trauern. Sie hat so sehr gekämpft, viel mehr und viel stärker als ich. Ich bewundere dieses Kind! Elise, ich liebe dich, ich trage dich im Herzen, im Bauch, im Kopf. Und jeder Tag, der vergeht, bringt mich auch ein Stück näher zu dir. Wir sehen uns wieder und dann lass ich dich nicht mehr los! Lieben Dank an alle, die unsere Geschichte gelesen haben und nun auch die Geschichte meiner Elise kennen....... In Gedanken bin ich bei all unseren Sternen, ich hoffe, sie passen alle aufeinander auf!
von Da.Le. am 02.11.2016, 23:20