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Geschrieben von Dezemberbaby2012 am 22.08.2015, 15:45 Uhr

HIER! Ganz normales, impulsives Kind!

Liebe Babyboom,

für mich hört sich das so an, als ob man dich ganz schön verunsichert hätte und auch einige Antworten hier im Forum habe ich ein bisschen so empfunden. Dein Kind wird ja schon richtig in eine "unnormale, therapiebedürftige" Ecke gedrängt.

Das was du von deinem Kleinen erzählt hast, hört sich für mich sehr bekannt an! Ich denke, er ist einfach nur etwas impulsiver als manche andere Kinder. Das ist (zumindest für mich) erstmal überhaupt nichts Schlimmes oder "verkehrtes" oder womöglich sonderpädagogisch behandlungswertes, sondern einfach eine von vielen Charakterarten in der grossen bunten Vielfalt unserer aller Kinder. Solche Kinder haben ein etwas wilderes Temperament, das durch viel Verständnis, Zuwendung und Anleitung in ruhigere Bahnen gelenkt werden muss und werden KANN. Wohlgemerkt durch ganz normale Erziehung, nicht durch irgendwelche Therapien (ADHS-Test in DEM Alter???? Das ist unseriös, weil noch gar nicht aussagekräftig).

Klar, wenn man sich als Mutter wirklich überfordert fühlt durch eine Situation, und das kann jedem passieren, bin ich auch immer dafür, sich frühzeitig Hilfe zu holen. Aber ich habe nach deinen Schilderungen eher das Gefühl, dass du durch die Umwelt verunsichert wirst, dass dein Kind irgendwie "verkehrt" wäre. Auch klar, dass es sicher Kinder gibt, die auch in diesem Alter schon durch eine ernste Störung hervorgerufene extreme Verhaltensweisen zeigen, die dann natürlich auch frühzeitig behandelt werden müssen. Nach deinen Schilderungen ist dein Kind aber meilenweit davon entfernt. Erst durch falsche Reaktionen (z.B. unangemessener Härte) auf das impulsive Temperament könnte sich als Folge eine (dann therapiebedürftige) Störung entwickeln. Ich denke, du brauchst zunächst mal einen guten Kinderarzt, der auf dem aktuellen Stand der Forschung ist.

Vielleicht helfen dir ja doch vorher ein paar Tipps von mir aus eigener Erfahrung mit so einem kleinen temperamentvollen Kerlchen:

Zuallererst würde ich, wie schon meine Vorrednerinnen fast übereinstimmend sagten, den Kinderarzt wechseln bzw. zumindest zu DIESEM Thema nicht mehr befragen. Das ist ja echt schon verantwortungslos, was er euch da geraten hat. Kein Wunder, dass die Situation danach noch mehr eskaliert. Ich würde den Kleinen auf keinen Fall festhalten bei einem starken Trotzanfall, mein Kleiner würde sich da erst richtig in Rage strampeln. Die Autoaggression, die dein Kleiner gezeigt hat, ist dann die "logische" Konsequenz daraus. Und ich würde ihn auch nicht massiv mit "Nichtbeachtung" strafen. Auch das verschärft das Problem meist nur. Das kann man vielleicht höchstens mal in der Anfangsphase eines Trotzanfalls machen.

Wichtig finde ich, sich nochmal zu vergegenwärtigen, dass die sogenannte "Trotzphase" etwas sehr wichtiges und gesundes für Kinder ist und der Entdeckung der eigenen Autonomie dient. Das eine Kind trotzt mehr, das andere weniger, aber trotzen tun (und müssen) sie alle, um in ihrer Entwicklung voranzukommen.

Wenn ein Trotzanfall erstmal in vollem Gang ist, gibt es für das Kind meistens kein zurück mehr. Es wird vollständig von seinen starken Gefühlen überrollt, ist Ihnen selbst sozusagen hilflos ausgeliefert, so dass es das eigentlich willentlich nicht mehr steuern kann. Auch als Eltern kann man da eigentlich nichts mehr tun, als dem Kind zu signalisieren, dass man da ist und sich selbst und das Kind bestmöglich vor möglichen Verletzungen zu schützen. Erst wenn der Trotzanfall vorüber ist, kann man versuchen, mit dem Kind zu reden. Und man sollte dann auch dem Wunsch nach Versöhnung, wenn er von dem Kind kommt, sofort nachgeben.

Das oberste Ziel lautet als: Trotzanfälle möglichst im vorhinein vermeiden! Das Kind soviel wie möglich selbst entscheiden lassen. Sich bei Konflikten auch verhandlungsbereit zeigen, das Kind auch mal öfters "gewinnen lassen". Das fördert das Selbstvertrauen des Kindes, so dass es weniger trotzt. In den wenigen, wirklich wichtigen Fällen (Wickeln, Zähne putzen, Strassenverkehr, Fummeln am Weinregal im Laden, etc.) dann aber unbedingt (liebevoll) konsequent bleiben und gemeinsam mit dem Kind den Trotzanfall durchstehen.

Also VERMEIDUNG, DEESKALATION, AKZEPTANZ. Konsequenz, da wo es angebracht ist. Und Verständnis, Liebe, Geduld und nochmal ganz wichtig Liebe.

Bei Verboten oder ungeliebten Notwendigkeiten möglichst oft im Vorhinein in kindgerechten Worten erklären! Die meisten Kinder verstehen diese Erklärungen schon und fühlen sich dann erstens ernst genommen und spüren zweitens, dass sie von den Eltern nur beschützt werden. Nur eben während des Trotzanfalls bringt erklären nichts.

Agressionen gegen andere werden nicht geduldet! Sich selbst so gut es geht schützen und deutlich machen, dass dieses Verhalten nicht geduldet wird. Das Kind auch vor Selbstverletzung schützen, z.B. Decke unterlegen, vorsichtig zum Teppich tragen, Hand zwischen Kopf und Wand legen etc.

Während eines starken Trotzanfalls selber unbedingt ruhig bleiben! Sich mit etwas Abstand daneben hocken/setzen/stellen und signalisieren, dass man da ist, wenn der Trotz vorbei ist. Unter Umständen zwischendurch mit ruhiger Stimme sowas sagen wie dass man versteht, dass der Kleine darüber jetzt traurig/wütend ist, es aber leider gerade nicht anders geht.

Sich nicht und NIEMALS durch Umstehende verunsichern lassen. Mitleidige und missbilligende Blicke konsequent ignorieren! Nur du weisst, was für ein ansonsten wundervolles Kind du hast! Gegebenenfalls das Kind im Einkaufszentrum in eine ruhigere Ecke manövrieren und da austrotzen lassen.

Insgesamt viel körperlich bewegen lassen. Gleichzeitig für ausreichend Ruhephasen sorgen (Bücher vorlesen, ruhige Hörspiele, Sofa-/Bett-Kuscheln, auf Feldwegen spazieren gehen, Legosteine bauen, Dinge sortieren, Puzzeln, entspannende Musik hören etc.)

Mittagsschlaf wenn möglich. Müdigkeit ist ein schöner Auslöser für Trotzanfälle.

Kindergarten in dieser Phase finde ich schwierig. Erstens ist er ja eigentlich noch etwas jung dafür und zweitens gibst du damit viel Erziehungskompetenz ab. Ob die Erzieherinnen immer die Geduld/Zeit haben, auf seinen Trotz angemessen zu reagieren? Vielleicht wäre eine Spielgruppe/Sportkurse mit Elternbegleitung besser, falls du nicht arbeiten musst?

Ich empfehle dir das Buch "Vom Urvertrauen zum Selbstvertrauen" von Dr. Rüdiger Posth. Dort beschreibt er ausführlich die Hintergrunde des Trotzes und wie man mit Trotzanfällen umgeht. Ein wundervolles Buch, um sein Kind zu verstehen und gelassener zu werden! Vielleicht hilft es dir auch, erstmal ein bisschen hier im rub-Experten-Forum von Dr. Posth zu googeln.

Ich empfehle dir NICHT des Buch "Jedes Kind kann Regeln lernen" von Anette Zast-Kahn. Wer ein so dummes und für Kinder gefährliches Buch wie "Jedes Kind kann schlafen lernen" schreibt, hat meiner Meinung nach jegliche Wertschätzung für alle Zeit verspielt. Diese Dame hat offensichtlich ein sehr seltsames Bild von Kindern und ist völlig unbeeindruckt von modernen Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie. NIEMALS würde ich ihre Ratschläge bei einem sensiblen, temperamentvollen Kind wie deinem anwenden. Vielleicht hatte dein Kinderarzt seine tollen Tipps ja aus ihrem Buch.

Und vielleicht hilft es dir, dieses Temperament auch als Stärke zu betrachten. Kann es sein, dass dein Kind gleichzeitig auch sehr neugierig und offen ist? Das sind vielleicht wie zwei Seiten einer Medaille. Gleichzeitig eine Stärke und manchmal eine Schwäche. Ich denke, unsere Aufgabe als Eltern ist es, das Kind grundsätzlich so zu nehmen, wie es ist. Und die Schwächen eben versuchen, etwas abzumildern und die Stärken zu fördern, so dass es später mit sich selbst und im sozialen Miteinander zurecht kommt.
Eine Therapie würde ich erst dann in Betracht ziehen, wenn sich das impulsive, (auto-) agressive Verhalten langfristig nicht ändert oder deutlich extremer wird. Du möchtest deinem Kind doch sicher nicht suggerieren, es würde irgendwie etwas Grundlegendes mit ihm nicht stimmen, wo es durch den Trotz gerade versucht, sein Selbst zu definieren?

Hoffe, du hast es geschafft bis hierhin zu lesen ;-) und ich konnte dir irgendwie vielleicht etwas helfen.

Liebe Grüße!

 
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