Wie gestalte ich die Beikosteinführung in den Tropen?

 Anke Claus Frage an Anke Claus Master der Ernährungsmedizin

Frage: Wie gestalte ich die Beikosteinführung in den Tropen?

Hallo liebes Experten-Team, ich lebe zur Zeit mit meiner Familie in Belize (Zentralamerika). Meine Tochter ist hier mit 58 cm und 4300g zur Welt gekommen. Sie wird voll gestillt, ist jetzt ca 5 1/2 Monate alt, 68 cm lang und wiegt nur 6,3 kg. Sie ist sehr aufmerksam, fröhlich und rollt und wuselt fleissig umher. Seit dem sie mit 2 Monaten ihre Finger entdeckt hat und auf diesen den lieben langen Tag herumlutscht, ist sie ein sehr schlechte Trinkerin geworden. Jetzt mache ich mir ziemliche Sorgen bezüglich des Untergewichts. Vor ein paar Tagen waren wir wegen einer Impfung beim Kinderarzt. Der Arzt meinte ich solle doch dringend mit der Beikosteinführung beginnen. Reis- oder Gemüsebrei mit ordentlich Olivenöl oder Butter. Außerdem hat er mir ein Vitamin-Präparat verschrieben. Angefangen habe ich jetzt vor 2 Tagen mit Süßkartoffelbrei und einer Miniportion Butter, um ihren Magen nicht gleich zu überfordern. Seitdem ist sie auf den Geschmack gekommen. Sie hat den Dreh mit dem Löffel zu essen noch nicht ganz raus aber sie freut sich riesig, ja quengelt sogar und es kann ihr nicht schnell genug dabei gehen. Wasser trinkt sie dazu aus dem Becher mit gleicher Begeisterung. Eigentlich bin ich für die klassische sanfte Version der Beikosteinführung.. ca 4 Wochen Gemüse-Fleisch-Brei, dann abends Milch-Getreide-Obst-Brei dazu und nach weiteren 4 Wochen nachmittags Obst-Getreide-Brei. Sie sitzt zu den Mahlzeiten immer mit uns am Tisch. Jetzt wo sie allerdings weiß, was wir uns alle am Tisch Essen in den Mund stecken, will sie natürlich auch, quengelt und macht sogar Kaubewegungen. Jetzt kann ich sie doch nicht morgens und abends noch jeweils 4 Wochen hungern lassen, nur weil es die Einführung so vorsieht. Gestern Abend hat sie dann eine kleine zermatschte Banane bekommen und war begeistert. Ich möchte ihren kleinen Bauch noch nicht überfordern. Auf der anderen Seite muss sie dringend zunehmen. Flaschenmilch will ich nicht mehr anfangen und wenn möglich vermeiden. Was kann ich ihr in diesem Alter schon am Tisch anbieten. Des weiteren bin ich generell ein wenig verunsichert, was ich meinem Baby hier zu essen geben kann. Gemüse gibt es in Belize ähnlich wie in Deutschland, wenn auch nicht so vielfältig. Allerdings ist das meiste nicht in Bio-Qualität, Kürbis, grüne Bohnen und Okra wachsen hier meist ohne Pflanzenschutzmittel. Avocados gibt es nur in der Saison, außerhalb sehr selten. Die wären sicher gut gehaltvoll. Obst gibt es ganzjährig Banane, Papaya, Ananas, Melone, Kokosnüsse (das wäre alles sicherlich am wenigsten behandelt) alles Weitere ist importiert und gespritzt. Das einzig native Bioöl wäre Kokosnussöl.. ist dieses gut verträglich für Babies? Könnte ich meiner Tochter das noch geleeartige frische Kokosnussfleisch geben? Das wäre sehr nährstoffreich. Leider hat man hier ein anderes Verständnis von gesunder Ernährung – fertige Milch-Getreite-Breie mit Zucker und diversen Aroma-, Vitamin- und Mineralstoffzusätzen zum Anrühren mit Wasser. Reine Getreide-Flocken gibt es nicht. Einzig Haferflocken, die könnte man abends mit Milch pürieren oder eben Maisgries. Ansonsten gibt es, wenn man Glück hat: Gerste, Weizenschrot, Buchweizen, Amaranth, Quinoa. Natürlich nicht in babygerechter Form, das müsste alles zerkleinert werden. Ab wann kann ich meiner Tochter den Abendbrei mit Vollmilch anbieten oder haben sie einen Alternativ-Lösung für ihr Alter? Mir ist allerdings noch nicht eingefallen, was ich nachmittags in den Obstbrei rühren könnte, pürierten Reis? Hat der genügend Nährstoffe? Lange Rede, kurzer Sinn – wie kann ich hier in den Tropen meine Tochter schnellst möglich wieder aufpäppeln ohne dabei ihren Bauch überzustrapazieren? Ich bedanke mich herzlichst im Voraus! Viele Grüße aus der Ferne!

von lenteo am 29.04.2016, 05:59



Antwort auf: Wie gestalte ich die Beikosteinführung in den Tropen?

Liebe „lenteo“, das ist ja toll, dass Sie uns aus der Ferne um Rat fragen! Ihre Kleine scheint von der Beikost richtig begeistert zu sein und ich kann gut verstehen, dass Sie gerne zügiger mit der Beikost voranschreiten möchten. Manchmal muss man aber als Mama etwas bremsen, sonst überfordern sich die Kleinen schnell selbst. Verlassen Sie sich da aber auf Ihr mütterliches Bauchgefühl, Sie kennen Ihre Kleine am besten. Versuchen Sie den Gedanken an das Gewicht zu streichen, schnell bekommt man sonst die innere Haltung, dass etwas klappen „muss“ und das spüren die Kleinen. Gehen Sie beide weiterhin Schritt für Schritt weiterhin mit so viel Freude in der Beikost voran. Das Obst- und Gemüseangebot in Belize klingt prima. Sie machen es schon ganz richtig, dass Sie auf eine gute Qualität achten und saisonal kochen möchten. Mein Tipp: orientieren Sie sich an den Gepflogenheiten der Säuglingsernährung von Belize. Was hier in Deutschland ganz „fremd“ klingt, wie eine Kokosnuss, ist bei Ihnen wahrscheinlich gang und gäbe. Die erfahrenen Mamas und der Kinderarzt können Ihnen sicher viele Tipps geben. Eine Ernährung, wie sie in Deutschland empfohlen wird, ist für Sie sehr schwer umzusetzen. Kokosöl ist in seiner Fettsäurezusammensetzung nicht ganz so ideal wie das empfohlene Rapsöl, aber Sie können es gut verwenden. Im Beikostalter können Sie Ihrer Kleinen einen Abendbrei mit Kuhmilch anrühren. Achten Sie nur darauf, dass es keine Roh- und Vorzugsmilch ist. Diese sind nicht geeignet. Rohe Milch kann für kleine Kinder ein Gesundheitsrisiko darstellen. Wenn Sie noch abgepumpte Muttermilch haben, können Sie einen Brei auch mit dieser anrühren. Beim Getreide haben Sie verschiedene Möglichkeiten. Reis, Hafer, Weizen, Hirse haben sich bewährt und sind gute Einstiegsmöglichkeiten. Fragen Sie hierzu auch noch im Nachbarforum bei Frau Neumann „Kochen für Kinder“ nach. Sie ist die Expertin bei der Selbstzubereitung von Breien. Ich sende Ihnen viele liebe Grüße aus Pfaffenhofen nach Belize und wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles Gute! Anke Claus

von Anke Claus am 29.04.2016



Antwort auf: Wie gestalte ich die Beikosteinführung in den Tropen?

Liebe Anke Claus, vielen Dank für Ihre Antwort! Ja ich habe versucht mich an den örtlichen Gepflogenheiten zu orientieren, habe den Plan aber schnell wieder aufgegeben. Die Kinder werden hier selten gestillt und mit Flaschennahrung großgezogen. Mit Brei beginnt man schon sehr früh im 4. Monat. Dann gibt es "Cerealien" von ne***e, mit den schon von mir benannten Zusätzen. Belize ist da als Entwicklungsland leider sehr stolz auf diese modernen Errungenschaften. Später bekommen die Kinder, sicherlich auch aus Kostengründen, meist Kuh-Milchpulver angerührt. Vollmilch gibt es als Frischmilch, die ist aufgrund der Temperaturen, oft schon verdorben. Deswegen würde ich zu H-Milch greifen. Die gibt es leider nur bis 1,5% Milch oder komplett entrahmt. Kann ich diese verwenden und dann mit Butter wieder anreichern? Auf den Obstbrei würde ich, Kokosöl geben. Auf den Mittagsbrei abwechselnd Butter und Olivenöl, ist das abwechslungsreich genug? Rapsöl möchte ich vermeiden, da dieses aus den Staaten importiert ist und mit Sicherheit schon genetisch verändert. Noch Mal zu den örtlichen Gewohnheiten, abends bekommen die Babys mit roter Bohnenpaste vermanschte Mais- oder Weizen-Tortillas, mittags Reis mit Bohnen. Da ich kein Held in der Zubereitung dieser Dinge bin, orientiere ich mich weiter am europäischen Modell. ;) Zum Frühstück eben diese besagten Cerealien, zwischendurch zermatschte Banane. Ich werde wohl ein wenig experimentieren. Viele Grüße und ein erholsames Wochenende! lenteo

von lenteo am 29.04.2016, 18:10



Antwort auf: Wie gestalte ich die Beikosteinführung in den Tropen?

Huhu, zum Öl: Olivenöl (oder Rapsöl) enthält mE üblicherweise (abhänig von der Qualität, am besten "natives") mehr essentielle mehrfach ungesättigte Fettsäuren als Kokosöl oder Butter. Daher vielleicht den Anteil von Olivenöl erhöhen? Der Fettanteil der Milch war, wenn ich mich richtig erinnere, auch wegen des darin gelösten Vitamin D's wichtig. Das kann man aber auch anders substituieren, was ja (hier) sowieso geraten wird. Für's Getreide: Maisgries ist doch klasse. Oder Haferflocken. Evtl. gibt's die ja auch in Schmelzflockenform (instant)? Falls es Zwieback gibt, den kann man auch ganz gut in Milch/Wasser auflösen. Und die Obstauswahl hört sich ganz fantastisch an. Alles Gute

von zweizwerge am 29.04.2016, 21:51



Antwort auf: Wie gestalte ich die Beikosteinführung in den Tropen?

Hallo zweizwerge, Vielen Dank für den Hinweis mit den Ölen! Ja, ich werde versuchen das zu berücksichtigen.Ich hatte eben noch nach einer Alternative zum Obstbrei gesucht. Olivenöl ist ja sehr dominant. Zur Milch: Das macht Sinn. Allerdings habe ich vom Kinderarzt ein Vitaminpräparat verschrieben bekommen, dieses enthält auch Vitamin D. Das sei hier so üblich ab dem 4. Monat, dann sind wohl alle Reserven von der Mutter noch aus Schwangerschaftszeiten aufgebraucht. Ich dachte mein Kind ist durch Muttermilch komplett abgedeckt aber so hat jedes Land seine eigenen Theorien. ;) Dann greife ich doch lieber zur frischen Vollmilch. Durchs Abkochen müssten doch alle eventuellen Keime abgetötet sein?! Bei den Getreiden weiß man nie so, was man gerade bekommt. Babytaugliches Gebäck gibt es leider nicht. Da muss ich mich noch nach Rezepten zum Selbermachen umschauen. Viele Grüße

von lenteo am 30.04.2016, 06:13



Antwort auf: Wie gestalte ich die Beikosteinführung in den Tropen?

Liebe „lenteo“, vielen Dank für Ihre Rückmeldung, jetzt kann ich mir ein besseres Bild von den Gegebenheiten in Belize machen. Bei der Milch würde ich auch besser auf die H-Milch zurückgreifen, geben Sie dann ein Teelöffelchen Öl hinzu um den Fettgehalt zu erhöhen. Butter ist nicht das optimale Fett für die Fettversorgung im Beikostalter. Bei Butter ist die Fettsäurenzusammensetzung nicht so günstig wie bei hochwertigen pflanzlichen Ölen wie Rapsöl, Sonnenblumenöl, Maiskeimöl, Leinöl. Auch das Olivenöl ist prima geeignet. Sie bekommen bestimmt bald ein gutes Gefühl für die Ernährung Ihrer Kleinen! Herzliche Grüße aus der Ferne! Anke Claus

von Anke Claus am 04.05.2016