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Geschrieben von Aline am 25.09.2017, 15:03 Uhr

AD(H)S - wer ist krank?

Hallo an alle,

ich bin selbst nicht betroffen, würde aber gerne von Betroffenen hören. Lese hier schon länger mit.

Von allem, was ich über AD(H)S gehört und gelesen habe, geht es vor allem um ein Aufmerksamkeitsdefizit, also die Unfähigkeit (oder eingeschränkte Fähigkeit), sich auf eine Sache zu konzentrieren und Hyperaktivität, also die Unfähigkeit, still zu sitzen/zu sein. (http://www.adhs.de/impuls.html und http://www.adhs-ratgeber.com/adhs-hyperaktivitaet.html) Soweit, so bekannt.

Es geht mir bei meiner Frage nicht um die allseits dämliche Bemerkung, es läge an der Erziehung. Es geht mir eher darum, zu fragen, ob hier der Mensch oder die Gesellschaft "krank" ist.
Dafür möchte ich ein Beispiel geben:
Mein Neffe ist in einem anderen Land geboren und aufgewachsen. Schon als kleiner Junge was es unmöglich für ihn, auch nur eine Minute still zu halten. Er rannte den ganzen Tag, stierte mit grossen Augen herum, sprach kaum, hippelte unentwegt. Es wäre nicht möglich gewesen, sich ihn in einer Schule sitzen zu sehen.

Dort, wo er lebt, ist es anders. Wenn die Familie mal wirklich ihre Ruhe brauchte, warf sie ihn in den Fluss, wo er nach einer Stunde flussaufwärts rackern dann doch mal ein paar Minuten ausgepowert war. Mit 5 Jahren kletterte er die Palmen hoch und pflückte die Beeren. Mit 8 war er so fleissig auf dem Feld und im Wald, dass er bereits sein eigenes Geld verdiente und ein eigenes Kanu kaufen konnte. Seine Familie ist stolz auf ihn; er ist ein guter Arbeiter und wird leicht eine Familie ernähren können.

Ich verwette meinen Hintern, dass er in Deutschland mit ADHS diagnostiziert würde. Und wohl entsprechend medikamentös und verhaltenstherapeutisch behandelt.

Daher meine Frage:
Ist es tatsächlich so unnormal, dass ein Menschenkind nicht in ein System passt, das extrem auf geistige Leistung (und wenig körperliche Anstrengung) ausgelegt ist? Muss man davon ausgehen, dass die Störung beim Menschen besteht, der nicht um 6:37h stramm steht, um 7:50 sein Kind fertig angezogen und aufnahmebereit in der Einrichtung abliefert, dann exakt 480 Minuten lang gesellschaftsfähige Leistung erbringt, das Kind wieder abholt und dann auch ja nicht vergisst, den rechtsdrehenden Joghurt fürs Abendbrot zu besorgen?

SST schrieb hier einmal, dass - obwohl die meisten Menschen mal etwas vergessen oder unter Zeitdruck geraten - der entscheidende Faktor der Leidensdruck ist. Für mich stellt sich dann aber immer noch dieselbe Frage: gut geht es ja den wenigsten Menschen in unserem Leistungssystem, ausser in den kurzen Momenten, in denen wir das Gefühl haben, endlich mal zu genügen.

Woran krankt es also?
Nochmal ein Beispiel: hier, wo wir gerade leben, ist die Züchtigung mit dem Stock in den Schulen Alltag. Kein einheimisches Kind entkommt dem. Nun gibt es viele, die trotzdem irgendwann erwachsen werden, Familie haben und ein gesellschaftsfähiges Leben führen. Manche nicht. Die tragen einen grösseren Schaden davon, werden selbst wiederum sehr gewalttätig, alkoholabhängig oder sonstwas. Der Leidensdruck ist bei diesen Menschen eben höher. Dass diese Menschen individuelle Behandlung brauchen, ist klar und unbestritten.
Trotzdem wäre es doch angebracht, das ganze Prinzip der körperlichen Züchtigung zu hinterfragen.

Das Gleiche frage ich mich eben auch in Deutschland.

Es tut mir leid, dass es so lange geworden ist. Vielleicht hat ja jemand Lust, mir ihre Meinung zu schreiben.

 
17 Antworten:

Re: AD(H)S - wer ist krank?

Antwort von Dor am 25.09.2017, 20:23 Uhr

Hallo
Was "Normal" ist, ist in der Tat mathematisch definiert über die Normalverteilung. Ca. 80% der Leute, die um den Mittelwert der Normalverteilung liegen, gelten somit als normal. Da kann es also durchaus sein, dass der Mittelwert in anderen Ländern völlig anders definiert ist und somit Verhalten dort normal gilt, was hier behandlungswürdig wäre.
LG

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Re: AD(H)S - wer ist krank?

Antwort von niccolleen am 25.09.2017, 21:17 Uhr

Ich bringe gern das Beispiel mit dem einen, der sich eigenbroetlerisch sehr ausdauernd an einer Sache, die viel Geschick erfordert, rumwerkeln kann und in unserer Gesellschaft als Schlumpf gesehen wird. In einer anderen Zeit oder einer anderen Gesellschaft ist das genau vielleicht der reichste und angesehenste Mann und Schuster im Dorf, und der Schlumpf ist der, der bei uns nichts anderes kann, als am Computer Qualitaetssicherung eines Rechtstextes tagein tagaus durchzufuehren, und bei uns wiederum der Superchecker mit der Villa und den vielen Ferraris ist.
Jeder Mensch hat andere Qualitaeten, und die Vielfalt ist es, die die Gesellschaft benoetigt, da es ja auch viele Taetigkeiten und Persoenlichkeiten braucht, um die Gesellschaft erfolgreich funktionieren zu lassen.
Das kranke ADHS-Kind hier ist halt in Afrika oder worueber du eben schreibst ein angesehenes und sehr talentiertes Mitglied der Gesellschaft.

lg
niki

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Re: AD(H)S - wer ist krank?

Antwort von EarlyBird am 25.09.2017, 23:15 Uhr

Nicht nur das ich nur Bahnhof verstehe um was es dir genau geht, Zitat: "Trotzdem wäre es doch angebracht, das ganze Prinzip der körperlichen Züchtigung zu hinterfragen." , sehe ich das entschieden anders.


Wir (hier) leben in einer völlig anderen Gesellschaftsform und haben nicht nur verschiedene Ansprüche, sondern auch unterschiedliche Aufträge an unsere Nachkommenschaft z.B. hinsichtlich des Bildungsauftrages und unseres Bildungsniveaus.
Wir sind nicht nur eine Leistungsgesellschaft, sondern eine "Zivilisation" welche sich stets weiterentwickelt und gewisse Basiskompetenzen von der Gesellschaft abverlangt. Und die "Norm" ist sehr wohl statistisch berechenbar und nicht eine Erfindung von Münchhausen.

Und ein Kind, welches hier in unserer Gesellschaft zu stark von der Norm abweicht ist nunmal klar benachteiligt. Und das nicht (nur!) in unserem Werte-, Schul- und Leistungssystem, sondern auch ganz klar in der eigenen Befindlichkeit und im sozialen Beziehungsgefüge. Nicht umsonst stellt ADHS für alle Betroffenen sehr oft ein Leidensdruck dar.

Ist unsere Gesellschaft "krank" und gehört therapiert? Sicherlich gehört sie "therapiert", aber nicht hinsichtlich der ADHS-Diagnostik.
Therapie: im Sinne einer Inklusion als Zielsetzung.! Die Therapie findet statt, nur frichtet sie noch nicht genügend - bzw. muss man am Therapieansatz arbeiten und austüfteln!
Ebenfalls geschieht eine Therapie im Sinne der Aufklärung, der Errichtung von Einrichtungen und die Umgestaltung des ÖNV, der Städte und Gemeinden für Menschen mit Besonderheiten. Auch dahingehend muss man noch daran arbeiten, reflektieren und den Therapieansatz hinterfragen.

Aber dennoch bestimmt unsere "Norm" die Anforderung bestimmter Basiskompetenzen, welche der Mensch/das Menschenkind in unserer Gesellschaft braucht um bestmöglich eigenständig und zukunftorientiert Leben zu können.
Und der Schlüssel dazu ist in unserer Gesellschaft nunmal meist der Bildungsnachweis. Und eine pauschaler Grundsatz unserer Gesellschaft besagt - umso höher die Bildung, um so höher die Gehaltsklassen der zu erreichbaren Berufe und somit höher der zu erreichbare Lebensstandart.

Ein Kind das aufgrund unbehandelter ADHS durch das Schulsystem fällt, stets aneckt und missverstanden wird - kann zwar vielleicht supergut als Arbeiter auf dem Feld arbeiten, auf Strommasten klettern, in der Kläranlage (unverbeamtet) arbeiten - wird aber dennoch keinen so guten Lebensstandart innerhalb unserer Gesellschaft erreichen und hat zudem einen vollen Rucksack an Misserfolgen - im Sinne von Ablehnung, schlechten Zensuren, Versagensgefühle usw. - ein lebenlang zu tragen - auch wenn es noch so fleißig "rackert".

Also ist unsere Gesellschaft demzufolge schlecht? Nein, unsere Gesellschaft ist nunmal unsere Gesellschaft und wir leben nicht in Stammesverhältnissen wo man entnervt sein Kind zum "auspowern" in den Fluß wirft und in der Schule mit Stockstrafe arbeitet!
Mich würde ja interessieren, wieviel öfter "dort" ein ADHS Kind Stockstrafen in der Schule erhält, als ein geerdetes, ruhiges Kind welches fleißig lernt und unauffällig ist. Nunja, das sei jetzt mal "dahin gestellt"!

In einem Punkt bin ich auch skeptisch: Viel zu oft werden Kinder im Randnormbereich versucht in die "Norm" zu pressen und sie werden in ihrer Ganzheit - innerhalb der Diagnostikmaschinerie - viel zu penibel auf "Fehler" untersucht.
Vorallem hinsichtlich der Entwicklungsskalen sollten in vielen Fällen mehr Spielraum für das individuelle Entwicklungstempo gegeben werden.
ABER: es gibt in nahezu jedem Entwicklungsbereich physische und neurologische Zeitfenster, in deren die weitere Entwicklung durch ein frühes Auffangen mittels Unterstützung positiv begünstigt wird.

In einem solchen Zeitfenster befinde ich mich gerade mit meinem Kind. Leider wird viel zu oft geraten: Abwarten, das kommt sicherlich noch. Viel zu sehr mit anderen Baustellen beschäftigt.
Diese Ratschläge helfen aber überhaupt nicht, wenn das Kind zu den 2/3 der Kinder gehört welche im Nachinein doch nicht aufholen und sich durch Abwarten verspätete Unterstützungsversuche erschweren. Und wenn es dann letztendlich doch zu den 1/3 der Kinder gehört, bei welchen sich eine massive Störung herausstellt und sich durch das Abwarten die Wichtigsten Zeitfenster bereits verschlossen haben, dann bin ich doch um diese Gesellschaftsform dankbar, die es mir anhand von Normskalen ermöglicht, mich als Elternteil zu orientieren, zu informieren und ggf. rechtzeitig zu unterstützen.


LG

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Re: AD(H)S - wer ist krank?

Antwort von niccolleen am 26.09.2017, 8:42 Uhr

Ich habe das Zitat mit der koerperlichen Zuechtigung so verstanden, dass sie meint, die Menschen dort sehen doch, dass sie mit dieser Methode nur Nachteile ernten, und sollten doch also selbst draufkommen, das mal zu hinterfragen.

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Re: AD(H)S - wer ist krank?

Antwort von niccolleen am 26.09.2017, 8:46 Uhr

Aber Earlybird, was machst du denn mit einer Gesellschaft von lauter Mathematikern, Programmierern, Politikern, Konzernchefs und Bankangestellten? Irgendwer muss doch auch Felder bewirtschaften, Maschinen im Akkord herstellen, die Firmen reinigen und den Muell abtransportieren! Wo liegt denn der Sinn, alle auf ein Toplevel zu trimmen, ob sie die Voraussetzungen dafuer bringen oder nicht, und allen anderen ein "schlechteres" Leben und einen niedrigeren Status anzuhaengen? Darum ging es doch in meinen Augen. Die TE hat das System ihres "Stammes", sag ich mal, ja nicht verteidigt.

lg
niki

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Zusatz

Antwort von niccolleen am 26.09.2017, 9:11 Uhr

Ehrlicherweise muss ich natuerlich dazusagen, dass ich genau wie du mein Kind nicht gern als Muellmann sehen moechte und ihm auch versuche, zu ermoeglichen, was geht, um es in unserer Gesellschaft "weiter" zu schaffen...
Trotzdem gefaellt mir der Ansatz nicht, dass alle gleichgerichtet werden sollen, es keine Leistungsgruppen gibt, und nicht die Talente gefoerdert werden, sondern nur die in dieser Gesellschaft wirtschaftlichen Faecher. Ich glaube auch, dass man der Gesellschaft damit nichts Gutes tut, und das wird sich in den naechsten 1-2 Generationen herausstellen. Die "Versager" sind genauso valide Mitglieder, die wir genauso dringend brauchen. Im damaligen Ostblock gab es diese Unterschiede wesentlich weniger und jeder hat sein Scherflein beigetragen. Auch zugegeben, dass es den Menschen dort vielleicht auf einer Ebene besser gegangen ist (weniger Zivilisationskrankheiten, ruhigeres Leben), aber auf einer anderen dafuer natuerlich nicht.

lg
niki

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Re: AD(H)S - wer ist krank?

Antwort von Anna3Mama am 26.09.2017, 9:28 Uhr

Da wäre ich mir nicht sicher, ob die Nichterkennung und damit Nichtbehandlung des ADHS für Deinen Neffen nicht doch noch Probleme macht. Vielleicht nicht mit 8, 9 oder 10. Da hat er vielleicht noch Glück, dass er sich mehr bewegen darf/kann als ein gleichaltriges Kind in Europa. Und dass seine motorische Geschicklichkeit/sein körperlicher Fleiss mehr gewürdigt wird als alles andere.

Aber irgendwann sollte er ja - egal wo- auch mal die Schulbank drücken... und dann wird es für ihn schwierig.

Auch Dein Thema Züchtigung...
Könnte doch sein, dass ADHS-Kinder in Ländern wo es erlaubt ist, viel mehr Prügel erhalten als Kinder, die sich mit der Anpassung leichter tun.
D.h. dass diese dann auch mehr unter dem ständigen Stress, den psychischen Schäden dadurch, aber auch generell unter der ADHS-typischen (und ja unbehandelten...) Unruhe leiden und dann alkoholabhängig, gewalttätig usw am Rand der Gesellschaft landen.

Es wäre interessant zu sehen, wie es Deinem Neffen in 20 Jahren geht. Im Vergleich zu einem behandelten Kind. Von der inneren Zufriedenheit her, mein ich.

Unsere Gesellschaft hat sicher Bereiche, wo man sie als krank bezeichnen könnte.... aber ich denke, das hat so gut wie jede Gesellschaft.

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Re: Zusatz

Antwort von EarlyBird am 26.09.2017, 9:52 Uhr

Es geht mir dabei darum, das ein Kind bspw. mit ADHS ohne Unterstützung und unbehandelt sehr oft (je mach Ausprägung) nicht die gleichen Voraussetzungen hat. Es gibt ADHS kimder welchen eine Medikation brauchen und auf Unterstützung angewiesen sind. mag sein das jene Kinder in anderen Gesellschaftsformen unbehandelt gut leben können - aber das sie stets überaus anerkannt werden und über alle Maße hi aus besonders geschätzt werden, glaube ich keinesfalls. Das war nur ein Beispiel der TE und keine allgemeingültige und selbstverständliche Tatsache.

Natürlich muss es auch "Arbeiter" geben und es gibt auch generell nich so gut honorierte Arbeitsstellen - wir leben aber auch nicht mit den Ideologien des Kommunsimus. Aber wir leben in einem Sozialstaat und Bund- und Länder sowie Verbände/Organisationen sind darum bemüht benachteiligte Kinder aufzufangen - seien es Kinder aus bildungs-/sozialschwachen Verhältnissen oder benachteiligte Kinder sufgrund von Krankheiten oder Behinderungen. Srlbstverständloch ist das Resultat dieser Bemühungen noch ungenügend, daher sollte meiner Meinung nach genau daran gearbeitet werden.
Dennoch ist die Anerkennung, die Diagnostik und die Unterstützung bei ADHS nicht per se schlecht - ganz im Gegenteil sogar: ich finde es unheimlich wichtig und unsere Gesellschaft dahingehend nicht "krank". Nur das System ist nocht ausgereift und an vielen Stellen noch brüchig und renovierungsbedürftig.

Es sollen nocht alle gleichgestellt sein, so verstehe ich Deutschland überhaupt nicht. Sondern die Chancengleichheit soll gefördert und unterstützt werden und es sollen Sprungbretter, Alternativwege und Stützpfeiler geschaffen werden, damit möglichst viele Kinder ihren Weg schaffen.

Und es gibt alternative Schulmodelle, nur diese sollten nocht auf Privatfinanzierung ausgelegt sein. Ich hoffe sehr, das man Schulen wie bspw. Waldorf oder Montessori irgendwann die Türen zur staatlichen Ebene öffnet und diese als freie Wahlmöglichkeit - ohne Kostenbenachteiligung - Kindern zur Verfügung stehen.

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Re: AD(H)S - wer ist krank?

Antwort von Ju2Mutti am 26.09.2017, 14:33 Uhr

Hallo,

eine Ursache von AD(H)S ist ein Dopaminmangel im Gehirn. Das Dopamin bewirkt, dass wir uns zielgerichtet konzentrieren können (ganz vereinfacht beschrieben). Anderer seits wird in der Medizin von einer genetischen Disposition ausgegangen, sprich familiäre Häufung. Auch wurde in den letzten 5 Jahren mehrfach AD(H)S im Erwachsenenalter wissenschaftlich nachgewiesen.

Es ist also zum Teil eine Erkrankung, wenn ein Dopaminmangel vorliegt.

Es gibt auch seit ca. 15(?) Jahren eine Langzeitstudie zu diesem Thema. Ergebnis, Menschen mit ADHS haben ein deutlich größeres Risiko für Süchte, speziell BTM und deliquentem Verhalten. Eine Therapie, Medikamente und Verhaltenstherapie können dieses Risiko senken.

Da die Menschen ohne Therapie weiterhin Schwierigkeiten mit der nonverbalen Kommunikation haben und risikobereiter sind, weil sie Gefahren nicht gut abschätzen können, werden sie immer Schwierigkeiten im Zusammenleben mit anderen Menschen haben.

Ich habe einige ADHS -Linder und junge Erwachsene kennen gelernt, die sagten, dass dieser unruhige Zustand auch innerlich ist und sie sich wünschten, dass das aufhört, da sie es als unangenehm empfunden haben. Sie waren froh, wenn sie endlich medikamentös eingestellt worden sind.

Zu deinem Beispiel des ADHS-Kindes:
Da muss die Familie deutlich mehr aufpassen, dass es nicht zu lebensgefährlichen Situationen kommt.

Außerdem gibt es
auch in unserer Gesellschaft Nischen, die es beruflich einnehmen könnte. Laut wissenschaftlicher Studien sind in den Berufen Pilot, Polizei und Feuerwehr mehr Menschen mit ADHS zu finden.

Das in möglicher Kürze dazu.

VG

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Re: AD(H)S - wer ist krank?

Antwort von Strudelteigteilchen am 26.09.2017, 15:50 Uhr

Es ist, gelinde gesagt, ein wenig unwissenschaftlich, eine gesamte Theorie aufzubauen auf der Beobachtung EINES Kindes, von dem man ANNIMMT, daß es MÖGLICHERWEISE in einer anderen Situation eine AD(H)S-Diagnose bekommen HÄTTE.

AD(H)S ist einiges mehr als ein hoher Bewegungsdrang und die Unfähigkeit, sich zu konzentrieren. (Apropos: Da ist schon der erste Denkfehler. Es geht nicht darum, daß man sich nicht konzentrieren kann - viele AD(H)S'ler können das sehr wohl. Sie können es nur nicht steuern.) Es geht auch um Frustrationstoleranz, um Impulsivität, um "erst denken, dann handeln", um die Einschätzung von Gefahren und Situationen.

Ich will Deine Theorie nicht komplett verdammen. Sie ist übrigens auch schon dagewesen. Schon Thom Hartmann hat irgendwann in den 90ern diese These aufgestellt.

Aber so einfach ist es dann doch nicht. Auch Hartmann ist umstritten (und hat inzwischen eine Menge Blödsinn veröffentlicht, was seiner These nicht geholfen hat).

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Re: AD(H)S - wer ist krank?

Antwort von EarlyBird am 26.09.2017, 22:17 Uhr

Ah Okay, ich stand da irgendwie auf dem Schlauch

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Re: AD(H)S - wer ist krank?

Antwort von Aline am 27.09.2017, 9:55 Uhr

Eigentlich dachte ich, es sei ziemlich klar worauf ich hinaus wollte. Das Beispiel mit der körperlichen Züchtigung habe ich gegeben, da ich davon ausgehe, dass hier (in diesem Forum) Einigkeit darüber herrscht, dass es nicht genügen kann, Kinder, die damit nicht klarkommen, zu behandeln, sondern das Prinzip der Züchtigung infrage gestellt werden muss.

Ebenso denke ich eben, wenn Kinder und Erwachsene, deren Stärken nicht im intellektuellen, sitzenden Bereich liegen, ebenso wertgeschätzt würden, deren Leidensdruck u. U. gar nicht bestünde. So, wie es jetzt ist, ist eine Behandlung natürlich wichtig (habe ich ja auch geschrieben).

Mein Neffe ist übrigens seit Jahren in der Schule, was allerdings nichts aussagt, da die Schulen dort mit deutschen Schulen nicht vergleichbar sind.

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Re: AD(H)S - wer ist krank?

Antwort von Aline am 27.09.2017, 9:56 Uhr

Vielen Dank für diese Erklärung. Das ist schon ein anderer Faktor, den kannte ich so nicht.

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Re: AD(H)S - wer ist krank?

Antwort von Aline am 27.09.2017, 9:59 Uhr

STT, ich habe nicht den Anspruch, wissenschaftlich zu sein. Ich wollte einfach mal die Meinung Betroffener hören zu meinen Gedanken. Wenn der Konsens ist, dass es eben nicht an der Gesellschaft liegt bzw. gesellschaftliche Veränderungen am Krankheitsbild ADHS nicht bewirken, dann ist das eben so.

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Re: AD(H)S - wer ist krank?

Antwort von Ju2Mutti am 27.09.2017, 14:20 Uhr

Ja, das ist das Problem.

Oft wird aber nur die Konzentrationsfähigkeit als Kriterium für ADHS gesehen. Dabei ist eigentlich die mangelnde Impulskontrolle bedeutsamer. Ich glaube, die geringe Frustrationstoleranz entsteht dann, wenn ich mich ständig unverstanden fühle, weil ich wichtige Signale in der zwischenmenschlichen Beziehungen nicht mitbekommen habe.

Daher halte ich eine fundierte und umfangreiche Diagnostik für zwingend (Blutbild, IQ, Aufmerksamkeit,...), denn Konzentrationsprobleme wird auch durch Eisenmangel (als ein Beispiel) hervorgerufen und motorischw Unruhe auch durch eine permanente zu starke Anspannung der Muskeln.

Manchmal ist ADHS eine Krankheit, manchmal aber auch eine Beeinträchtigung. Und wenn sich das Kind beeinträchtigt fühlt, sollte ihm, egal wo auf dieser Welt, geholfen werden.
Eigentlich zeigt "das in den Fluss werfen...." doch, dass das Kind in seiner Kultur auch auffällig ist.
Ich weiß nicht, ob "harte Arbeit" als adäquate "Therapie" angesehen werden kann. Denn es wurden ja keine Ursachen für die Symptome gesucht.
Die Frage sollte sein, was muss getan werden, damit das Kind glücklich werden kann und nicht nur seine Unruhe abarbeitet.

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Re: AD(H)S - wer ist krank?

Antwort von Mucksilia am 28.09.2017, 14:57 Uhr

Ein Kind, dass wie meines ganz krasses ADHS hat, würde auch in dem Land deines Neffen Probleme haben.
Denn es ist ja nicht sein Hauptproblem, dass er sehr lebhaft ist. Klar kann ich ihn hier in den Rhein werfen u abends woanders wieder rausholen. Dann ist er müde, aber konzentrierter wird er dadurch nicht.
Sein Problem ist, dass er gar nicht strukturiert arbeitet und denkt und sich gar nicht länger auf eine Sache konzentrieren kann.
Wenn er also zB auf dem Feld arbeiten sollte, würde er relativ bald ein betrachtenswertes Blümchen, vorbeilaufende Kamele oder was auch immer sehen - und dann wäre es vorbei mit der Arbeit.
Was AD(H)S bedeutet, kann man sich wahrscheinlich nur vorstellen, wenn man es am eigenen Leib erlebt.
Und, glaube mir, dass ist ein hartes Brot für die ganze Familie. Jeden Tag warten wir auf den nächsten Klopper (und sie kommen regelmäßig) - wenn unser Kind auch das liebenswerteste der Welt ist - und das zehrt an den Nerven
Sicherlich liegt es auch an dem System (zur Schule gehen müssen, Ausbildung etc.) - aber er hat doch auch in der Freizeit Schwierigkeiten, wenn er sich wieder mal nicht an die Regeln hält, die jede Gesellschaft benötigt.

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Re: AD(H)S - wer ist krank?

Antwort von Aline am 29.09.2017, 7:07 Uhr

Liebe Mucksilia,

vielen Dank für Deinen Beitrag. Das lässt mich viel besser verstehen, worum es tatsächlich geht. Viele Infos sind so allgemein gehalten, dass bei mir stark der Eindruck entstand, es geht doch nur um eine verstärkte Ausprägung einer natürlichen Veranlagung aller Kinder, die je nach Gesellschaft akzeptabel oder eben auch nicht akzeptabel ist.
Was Du schreibst, klingt tatsächlich sehr anstrengend, das tut mir leid. Alles Gute für Euch!

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