Heultage und Babyblues

Babyblues

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Zwischen dem dritten und zehnten Tag nach der Geburt macht sich bei Müttern oft ein Stimmungstief bemerkbar: Die Mutter weint, obwohl sie nach der Geburt doch eigentlich glücklich sein müsste? "Heultage" wird dieses Phänomen im Volksmund genannt. 

Was es mit dem Babyblues im Wochenbett auf sich hat, erklären wir hier.

Es ist geschafft: Noch feucht vom Fruchtwasser und etwas verknautscht von der Geburt liegt ein rosiges Baby auf dem Bauch der strahlenden Mutter. Zugedeckt mit warmen Handtüchern kuschelt sich das Kind an seine Mama und versucht erstmals zu trinken. Die frischgebackenen Eltern strahlen und können ihr Glück kaum fassen: Neun Monate hatten sie auf diesen Moment gewartet, nun endlich liegt das Baby in ihren Armen.

Ab und an tastet die Hebamme vorsichtig auf den Bauch der Mutter, doch die ist so mit ihrem Baby beschäftigt, dass sie es kaum wahrnimmt. Noch ein letztes Mal tief Luft holen und pressen und die "Nachgeburt", der Mutterkuchen ist draußen. Was die Mutter jetzt noch nicht ahnt, ist die Tatsache, dass sich das Fehlen des Mutterkuchens in ihrem Körper nach einigen Tagen durch ein starkes Stimmungstief bemerkbar machen wird.

Der Mutterkuchen hat nämlich nicht nur die Aufgabe das Kind mit Nährstoffen und Sauerstoff zu versorgen, sondern es ist auch ein hormonbildendes Organ. Es war während der Schwangerschaft dafür verantwortlich, jede Menge Schwangerschaftshormone zu bilden. Doch mit der Nachgeburt ist dies plötzlich vorbei. Ein paar Tage befinden sich Restmengen des Hormons noch im Blut der Mutter, dann kommt es zu einem regelrechten Absturz der Werte - und die Mutter fällt in ein großes Hormontief.

Hormonschwankungen können sich auf das Gemüt auswirken - das merken viele Frauen auch während ihres Zyklus. Ein so heftiger Hormonumschwung wie Frauen ihn nach einer Geburt erleben, lässt die Mehrheit der Wöchnerinnen nicht kalt. Etwas am dritten Tag nach der Entbindung sind Mütter deshalb psychisch äußerst labil. Da muss der Partner nur ein "falsches Wort" sagen und schon bricht alles zusammen. An diesem Tag den Klinikbesuch einfach auszulassen wäre jedoch vollkommen verkehrt. Gerade jetzt braucht die Frau ihren Partner.

Doch es sind nicht nur die Hormone daran schuld, dass die Tränen an diesem Tagen reichlich fließen. Zu diesem Zeitpunkt kommen nämlich noch andere Faktoren hinzu:

  • So sehr sich die Mutter auch dieses Kind gewünscht hat, nach wenigen Tagen wird ihr bewusst, dass nichts mehr so sein wird wie früher. Alle 2-4 Stunden, meldet sich das Menschenkind und fordert lauthals Nahrung und Pflege. Dies hält man in der ersten Begeisterungsphase gut durch, doch meist nach drei bis vier Tagen macht sich der Schlafmangel bemerkbar. Das Wissen, dass dieser Zustand die nächsten Wochen und Monate anhalten wird, trägt nicht gerade zur Entspannung der Situation bei. Während der Partner in der Nacht  vermutlich geschlafen hat, kann die Mutter von Glück reden, wenn sie ab und zu zwei bis drei Stunden ohne Unterbrechung ruhen kann. Doch selbst wenn das eigene Baby dann schläft, bedeutet dies nicht automatisch, dass die Mutter nun auch schlafen kann. Da kommt die Visite ins Zimmer, das Kind der Bettnachbarin schreit, das Essen wird verteilt und die Verwandschaft kommt Nachmittags vorbei. Lieb gemeint ist der Besuch bestimmt, doch den Wöchnerinnen tut er oft gar nicht gut. Denn so haben sie keine Möglichkeit, sich tagsüber auszuruhen.
  • In ihrer Krise rückt für viele Mütter in den Fokus, was sich jetzt durch das Baby alles ändern wird: die Pause im Beruf, verbunden mit finanziellen Einbußen und die Abhängigkeit vom Partner als Alleinverdiener, die Veränderung in Partnerschaft und Freundeskreis, die Tage und Nächte, deren Rhythmus das Kind bestimmt, die fehlende Freiheit, jederzeit tun zu können, wonach einem gerade ist. 
  • Bei den meisten stillenden Müttern kommt an diesem dritten Tag nach der Geburt auch noch der Milcheinschuss hinzu: Nun sind die Brüste so geschwollen, dass schon leichte Berührung weh tut. Das Anlegen hat sich noch nicht eingespielt und abgesehen von den Schmerzen durch den Milcheinschuss haben viele Mütter Angst, dass das Stillen vielleicht nicht klappen könnte. Damit das Stillen möglichst gut anläuft, sollte die Frau viel Ruhe haben. Besucher sollten deshalb am besten erst zwei bis drei Wochen nach der Geburt anklopfen, wenn sich bei Mutter und Kind alles weitestgehend eingependelt hat.
  • Wer ohnehin empfindlich ist - und an diesem Tag sind es nahezu alle Frauen - der empfindet natürlich alle Probleme stärker. Daher tut auch die Naht nach einem Dammschnitt oder Dammriss nun besonders weh, eine Kaiserschnittnarbe erst recht.
  • Zu allem Übel ist dieser Tag auch beim Kind wie verhext: Ausgerechnet jetzt bekommen viele Babys die Neugeborenengelbsucht, einige mehr, andere weniger stark ausgeprägt. Dass ihr Kind nun schlapper ist und schlechter trinkt, dass es vielleicht sogar eine spezielle Therapie braucht oder möglicherweise auch noch in die Kinderklinik verlegt werden muss, diese Tatsache können die wenigsten Mütter in dieser schwierigen Phase wegstecken. Denn nichts ist für Mütter schlimmer als zu wissen, dass es dem Baby nicht gut geht. Da nützt es wenig, ihnen zu erklären, dass es sich nicht um eine Krankheit handelt, sondern - im gewissen Rahmen - zum Anpassungsvorgang an das Leben außerhalb des Mutterleibes gehört.
  • Auch Blähungen, unter denen einige Babys leiden, können Mütter zur Verzweiflung bringen. Wenn trotz liebevoller Zuwendung das Gebrüll nicht aufhört, fühlen sich die Frauen der Mutterrolle nicht gewachsen.
  • Typisch für diese Heultage sind auch Selbstvorwürfe der Mutter, etwa weil sie glaubt, unter der Geburt versagt zu haben, weil sie eine Rückenspritze brauchte, weil ein Kaiserschnitt gemacht wurde oder weil das Baby per Saugglocke oder Zange geholt werden musste. Dabei hat jede Frau Großes geleistet: Sie hat ein Kind zur Welt gebracht, der Weg dazu sollte eigentlich sekundär sein. Doch stolze Berichte von Frauen, die ihr Kind ohne jedes Zutun auf "natürliche" Weise geboren haben, wollen Mütter, die eine schwierige Geburt hatten, nun überhaupt nicht hören. 

Für den Babyblues gibt es zahlreiche Gründe: Vieles kommt auf Mütter an den "Heultagen" zu. Deshalb sind liebevolle Zuwendung und Verständnis des Partners in dieser Zeit besonders wichtig. Am beste ist deshalb Ruhe, Ruhe und nochmals Ruhe. 

Mit einer richtigen Wochenbettdepression, einer ernsten, behandlungsbedürftigen Erkrankung, haben diese Heultage nichts zu tun. Der Babyblues ist völlig normal, jedoch von Frau zu Frau unterschiedlich intensiv ausgeprägt. Wenn das psychische Tief jedoch länger anhält, extreme Versagensängste oder gar Selbstmordgedanken hinzukommen, sollte umgehend ein/e Arzt/Ärztin konsultiert werden. Diese Wöchnerinnen brauchen dringend Hilfe.

Zuletzt überarbeitet: März 2019

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